Eurofighter: Kapsch - der "Trojan für die EADS"
Nur nicht auffallen. Für ein Unternehmen, das einen millionenschweren Sponsorenvertrag mit einem prominenten Fußballklub geschlossen hatte, blieb die EADS Deutschland GmbH über all die Jahre auffallend unprätentiös. 4,05 Millionen Euro hatte der deutsche Rüstungsproduzent und Partner im Eurofighter-Konsortium zwischen 2003 und 2007 an den SK Rapid Wien überwiesen - ohne die vertraglich zugesagten Werbemaßnahmen je abzurufen. Keine Trikotwerbung, keine Stadionwerbung, keine Onlinewerbung, keine Werbung im "Rapid-Journal“. Ein "nicht sichtbares Sponsoring“, wie es ein früherer Eurofighter-Manager 2014 gegenüber deutschen Ermittlern qualifizierte.
Was also, abgesehen von Unsichtbarkeit, bekam EADS für 4,05 Millionen Euro?
profil veröffentlichte vergangene Woche EADS-interne E-Mails und Aussagen von Involvierten, die eine lang gehegte Vermutung nähren: Das Rüstungsunternehmen verfolgte ausschließlich politische Interessen. Spätestens nach den Nationalratswahlen 2006, die das Ende der schwarz-blau-orangen Koalition brachten, suchte der Sponsor EADS über Rapid und dessen damaligen General Manager Werner Kuhn gezielt die Nähe zu Vertretern der SPÖ, die ihrerseits ein Naheverhältnis zum Verein hatten. Alfred Gusenbauer, Rapid-Mitglied, SPÖ-Chef, von Jänner 2007 bis Dezember 2008 Bundeskanzler; Norbert Darabos, Mitglied des Rapid-Kuratoriums, SPÖ-Bundesgeschäftsführer, Gusenbauers Verteidigungsminister; Rudolf Edlinger, Rapid-Präsident, SPÖ-Finanzminister außer Dienst (profil Nr. 19/17).
Darabos' "Kompromiss"
Gusenbauer war bekanntlich mit dem Versprechen in den Wahlkampf gezogen, den von ÖVP und FPÖ im Juli 2003 finalisierten Ankauf von 18 Eurofighter Typhoon-Jets zu stornieren. Weit kam die SPÖ dabei allerdings nicht. Am 24. Juni 2007 setzte Verteidigungsminister Darabos seine Unterschrift unter einen "Vergleich“: neun neue und sechs gebrauchte Flieger der älteren "Tranche 1“ anstelle von 18 Stück der neueren Baureihe "Tranche 2“. Bis heute verweist Darabos auf ein Gutachten des Juristen Helmut Koziol: "Den Kompromiss musste ich schließen, weil es aus Koziols Sicht keine Alternative zu dem Vertrag der schwarz-blauen Regierung gab“, so Darabos gegenüber profil. Er soll am 1. Juni vor dem zweiten parlamentarischen Untersuchungsausschuss aussagen, so dieser im Hinblick auf immer wahrscheinlichere Neuwahlen überhaupt noch abhebt.
Nun liegen profil Dokumente vor, die Einblick in einen bisher unbekannten Handlungsstrang geben. Das Rapid-Sponsoring hatte eine lange, noch mysteriösere Vorgeschichte. EADS war zunächst gar nicht als Geldgeber des Fußballklubs vorgesehen. Vielmehr sollte ein traditionsreiches österreichisches Industrieunternehmen als "Trojan für die EADS“ vorgeschoben werden, wie es in einem der Dokumente wörtlich heißt: Kapsch - genauer: die seit 2007 börsennotierte Kapsch TrafficCom AG.
Der von Georg Kapsch, heute unter anderem Präsident der Industriellenvereinigung, geleitete Verkehrstechnikkonzern sollte Rapid sponsern - und im Abtausch dafür an den Kompensationsgeschäften partizipieren, zu welchen EADS sich gegenüber der Republik verpflichtet hatte. profil liegt unter anderem der Entwurf eines Vertrages zwischen Rapid und Kapsch TrafficCom vor, der um den Jahreswechsel 2002/2003 aufgesetzt wurde. Demnach sollte das Unternehmen im Jahr 2003 eine Million Euro an Rapid überweisen. Das war zumindest der Plan eines Mannes, dessen Rolle profil vor wenigen Wochen erstmals ausführlich beleuchtete: der 2015 im Alter von 53 Jahren verstorbene Kurt Lukasek, auch er einst glühender Rapid-Fan.
Die Vorgeschichte beginnt im Sommer 2002, und sie führt tief ins Innere der damaligen Regierungspartei FPÖ, ins Vorzimmer des damaligen Klubobmanns Peter Westenthaler, auf den Schreibtisch seines langjährigen Vertrauten Lukasek.
Lukasek, ab 1993 in der Parteizentrale tätig, hatte im Jänner 2002 den Job des Kommunikationschefs der Freiheitlichen übernommen; der Jet-Auftrag war zu diesem Zeitpunkt bereits international ausgelobt. Wenige Monate später, am 2. Juli 2002, entschied die Bundesregierung um Kanzler Wolfgang Schüssel sich für den Ankauf von zunächst 24 Eurofighter Typhoon. Was nur wenige wussten: Lukasek arbeitete ab 2002 nicht nur für die FPÖ, sondern klammheimlich auch für den EADS-Konzern und dessen Lobbyisten Erhard Steininger. Er versorgte seine Auftraggeber laufend mit sensiblen Informationen aus Regierungskreisen und verfasste ausführliche politische Analysen zur Lage der Nation (profil Nr. 11/17).
"Rapid-narrische SPÖler"
Lukasek war es auch, der EADS die Idee eines Rapid-Sponsorings nahebrachte - um so die "Rapid-narrischen SPÖler“ zu vereinnahmen. Die SPÖ war damals zwar in der Opposition, doch Lukasek wusste, dass das Rüstungsgeschäft ohne die Gunst der Roten kaum zu stemmen sein würde. Im Sommer 2002 übermittelte der FPÖ-Funktionär EADS ein folgenschweres Konzept, das er "Die rote Vier“ nannte: "Die vier einflussreichsten SPÖ-Politiker auf Bundesebene haben eines gemeinsam: Alfred Gusenbauer, Josef Cap, Heinz Fischer und Rudolf Edlinger sind eingefleischte Rapid-Anhänger und -Mitglieder … Die derzeitigen finanziellen Möglichkeiten des SK Rapid sind trotz des Hauptsponsors Bank Austria im Vergleich zu Austria Wien, Sturm Graz oder GAK eher gering, was zu einer dramatischen Sparpolitik in der Ära Edlinger geführt hat. Die Konsequenzen neben dem 8. Platz in der abgelaufenen Spielzeit sind Diskussionen in den Mitgliederversammlungen, die nicht nur Rudolf Edlinger an die Nieren gehen … Für die Rapid-narrischen SPÖler könnte sich also mit einem Sponsor das Blatt wenden, aus Buhmännern könnten Helden werden.“
Und dazu brauchte es jetzt EADS - wenn auch nur mittelbar.
Lukasek skizzierte in weiterer Folge ein "Projekt“, das so zwar nie realisiert wurde, aber viel über die Netzwerke der damaligen Zeit verrät. "Die EADS wird über den Umweg einer Wiener Firma Sponsor bei SK Rapid … Mit der Firma, die der Trojan für die EADS ist, werden bereits im Letter of Intent-Stadium befindliche Projekte auf EADS-Ebene auf die tatsächliche Firmenebene herunter gebrochen, wodurch der Wiener Bürgermeister die Möglichkeit hat, die Schaffung neuer Arbeitsplätze vorzustellen, ein weiteres Argument für die SPÖ, die Schärfe aus der Auseinandersetzung zu nehmen.“
Der Name des "Trojans“: Kapsch. "Die Vorgespräche mit der Firma Kapsch sind abgeschlossen, die Firma Kapsch hat den Leiter der Strategieentwicklung, Herrn Josef Eltantawi, beauftragt, erste Gespräche mit dem SK Rapid Wien zu führen. Das erste Gespräch ist erfolgt. Sobald die EADS sich zum Projekt "rote Vier“ entscheidet, können die Gespräche zu einem Abschluss gebracht werden.“
Josef Eltantawi stand seit 2000 im Sold der Kapsch-Gruppe und blickte auf eine gemeinsame Vergangenheit mit Lukasek in der FPÖ zurück. Vor seinem Wechsel in die Privatwirtschaft war Eltantawi unter anderem Obmann des Rings Freiheitlicher Jugend - eine Funktion, die vor ihm schon Jörg Haider, Hubert Gorbach und Herbert Scheibner ausgeübt hatten. Zudem arbeitete er einst auch im FPÖ-Parlamentsklub und in der Freiheitlichen Akademie. Ganz nebenbei saß Eltantawi zwischen 2004 und 2009 im Aufsichtsrat der Klagenfurter Lakeside Science & Technology Park GmbH, eines von Jörg Haider einst höchstselbst aufgesetzten Projekts am Wörthersee, das wiederum von EADS-Zuwendungen profitierte. Die Rede ist von vier Millionen Euro, die der Rüstungskonzern 2006 an eine der GmbH nahestehende Lakeside Technologie-Privatstiftung überwies.
Als Lukasek die "rote Vier“ entwickelte, war Eltantawi bei Kapsch TrafficCom - eine der drei Divisionen der Kapsch-Gruppe, die damals wie heute im Einflussbereich der Industriellenfamilie um die Brüder Georg und Kari Kapsch steht - für "internationale Beziehungen“ zuständig. Ein Lobbyist, der die Interessen des Unternehmens gegenüber politischen Entscheidungsträgern vertreten sollte. "Ich kannte Kurt Lukasek natürlich, und der Begriff rote Vier ist mir auch noch in Erinnerung“, erklärt Josef Eltantawi, heute Unternehmensberater, gegenüber profil. "Ich hatte tatsächlich auch mit Rapid Kontakt, aber um ein Sponsoring durch Kapsch ging es dabei nicht.“
Daimler-Connection
Eltantawis Version: Kapsch wollte 2002 in Deutschland ins Geschäft kommen, konkret bei der Einführung der deutschen LKW-Maut. Im Juli 2002 hatte die deutsche Bundesregierung dem Konsortium Toll Collect den Zuschlag für die Realisierung und den Betrieb des Mautsystems erteilt. Einer der Toll-Collect-Gesellschafter: die Stuttgarter Daimler AG (damals noch DaimlerChrysler AG), zugleich Gründungsaktionär von EADS. "Ich habe versucht, über Rapid einen Zugang zu Daimler zu bekommen“, sagt Eltantawi. Über wen? "Ich hatte in diesem Zusammenhang Kontakt zu Lukasek und Kuhn. Kuhn hat mich zwar in weiterer Folge auch auf ein Sponsoring durch Kapsch angesprochen, aber dafür war ich nicht zuständig.“ Und der Vertragsentwurf zwischen Rapid und Kapsch TrafficCom? "Da war ich nicht eingebunden.“
Werner Kuhn, ehedem General Manager von Rapid, äußert sich zu den damaligen Vorgängen nicht.
profil richtete vergangene Woche eine Anfrage an Eltantawis früheren Arbeitgeber (er war dort bis Jänner 2014 angestellt, anschließend noch zwei Jahre als externer Berater tätig). "Kapsch TrafficCom interessierte sich zu dieser Zeit im Zuge der Ausschreibung für die Vergabe der deutschen Maut. Die Möglichkeit auf Kompensationsgeschäfte in Zusammenarbeit insbesondere mit EADS erschien uns daher die Chancen im Wettbewerb um das deutsche Mautprojekt zu erhöhen“, schreibt Kapsch-Marketingvorstand Alf Netek in einer Stellungnahme. "So kam es unter anderem zu Gesprächen mit EADS wie auch mit DaimlerChrysler Services.“ Laut Netek blieb es bei Gesprächen. "Da sich diese potenziellen gemeinsamen Kompensationsgeschäfte allesamt zerschlugen, wurde keinerlei Gegengeschäft aufseiten von Kapsch realisiert. Bei der Deutschland Maut gingen Kapsch und DaimlerChrysler Services getrennte Wege. Es kam auch in weiterer Folge zu keiner Zusammenarbeit mehr mit DaimlerChrysler Services.“ DaimlerChrysler Services, kurz Debis, war eine Tochtergesellschaft des Konzerns; sie wurde 2004 aufgelöst.
Zugleich legt Netek Wert auf die Feststellung, dass der Vertragsentwurf mit Rapid nicht von Kapsch gekommen sei. "Unseres heutigen Wissens nach - einige der aktiv Beteiligten an diesem Projekt vor rund 15 Jahren sind nicht mehr im Unternehmen tätig - trat der SK Rapid an Kapsch und in persona an Herrn Eltantawi mit dem Vorschlag eines Sponsorings heran. Da Kapsch traditionell seinen Fokus im Sponsoring auf den Kunst- und Kulturbereich legt, wurde dieses Ansuchen vom CEO Mag. Georg Kapsch abgelehnt. Wäre Kapsch in konkrete Sponsoring-Verhandlungen eingetreten, wäre der Vertrag - wie bei allen Sponsoringvereinbarungen des Unternehmens - von der Kapsch-Rechtsabteilung aufgesetzt worden und nicht vom SK Rapid.“
"Eckwerte-Vereinbarung"
So oder so übermittelte Kurt Lukasek dem EADS-Lobbyisten Erhard Steininger am 28. Jänner 2003 ein knappes E-Mail: "Anbei die geänderte Vereinbarung zwischen Kapsch und Rapid. Kapsch hat ein Angebot an Debis angeschickt, auf dieser Seite sind de facto alle Vorarbeiten erledigt, jetzt fehlt nur noch Ottobrunn (Anm.: Ottobrunn bei München, damals Sitz der EADS-Zentrale). Die Zeit wird jetzt richtig knapp.“ Im Anhang: eine auf Rapid-Papier erstellte vierseitige "Eckwerte-Vereinbarung“ zwischen dem SK Rapid Wien, der SK Rapid Wirtschaftsbetriebe GmbH (heute SK Rapid GmbH) auf der einen Seite, der Kapsch TrafficCom AG auf der anderen. Vertragsdauer: 25. Jänner bis 31. Dezember 2003, Volumen: eine Million Euro, zahlbar in drei Tranchen, dazu eine Option auf Verlängerung um ein weiteres Jahr und zusätzliche 1,05 Millionen Euro. Im Gegenzug sollte Kapsch unter anderem auf Trikots der gesamten Kampfmannschaft, auf Banden und im "Rapid-Journal“ werben dürfen. In dem Entwurf sind mehrere Vertragspunkte durchgestrichen, in einem Beiblatt wurde (wohl von Lukasek) angemerkt: "Die gestrichenen Punkte müssen geändert werden, dann ist Kapsch auf Schiene. Ich warte nur mehr auf den Anruf aus München.“
Allem Anschein nach erfolgte dieser Anruf nie. Der Vertragsentwurf wurde ohne eine Unterschrift schubladisiert. Jahre später, im Jänner 2014, übermittelte der amtierende Rapid-Präsident Michael Krammer der Staatsanwaltschaft Wien eine Stellungnahme zum EADS-Sponsoring. Auch diese liegt profil vor. Gleich einleitend schrieb Krammer: "Mit der Firma Kapsch kam es zu keinem Zeitpunkt zu einem Vertragsabschluss. Der SK Rapid hat zwar versucht, Kapsch als Sponsor zu akquirieren. Dies war jedoch leider nicht erfolgreich, sodass es zu keinerlei Zahlungen der Firma Kapsch an Rapid kam.“
Auch der frühere EADS-Manager Wolfgang Aldag wurde im Jänner 2014 von deutschen Ermittlern dazu als Zeuge einvernommen. Er sagte: "Zum Thema Rapid Wien kann ich nur folgendes sagen. Wir … sollten uns mit Rapid beschäftigen. Ich sollte damals Herrn Rauen (Anm.: Aloysius Rauen, Chef der EADS-Militärflugzeugsparte) die Idee mitteilen, ob dies für uns interessant wäre. Bei Rapid Wien waren damals führende SPÖ-Mitglieder in der Vereinsführung. Die Firma Kapsch ist damals auf EADS zugegangen, weil ein Sponsoring an Rapid Wien angedacht war. Es war außerdem von uns angedacht, ein Sponsoring im Fußball zu machen … Von oben kam dann die Info, Wir machen das.‘“
Am 26. September 2003 schlossen Rapid und EADS Deutschland den ersten von drei Verträgen, auf deren Grundlage dem Verein besagte 4,05 Millionen Euro zufließen sollten.
Jahre später kamen Rapid und Kapsch übrigens doch noch ins Geschäft. Die Kapsch BusinessCom AG, eine Schwestergesellschaft der TrafficCom, stattete die 2016 eröffnete neue Heimstätte des Vereins mit einem flächendeckenden WLAN sowie einem Informations- und Entertainment-System aus. Ganz ohne Sponsoring.