Gasliefervertrag
Ex-OMV-Chef Roiss: „Das wird vor dem Schiedsgericht landen“
Ex-OMV-Chef Gerhard Roiss über mögliche Ausstiegsszenarien aus dem Gasliefervertrag mit Russland und norwegische Gasfelder.
Von Julian Kern
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Herr Roiss, zu Jahresende läuft der Transitvertrag der Ukraine mit der Gazprom aus. Die Ukraine hat mehrfach angekündigt, diesen nicht zu verlängern. Sie sagen, das sei das günstigste Ausstiegsszenario aus dem Langzeitvertrag der OMV mit Gazprom – warum?
Roiss
Wenn ich einen Vertrag bis 2040 habe, wo ich weiß, dass mir diese sechs Milliarden Kubikmeter (Gas pro Jahr; Anm.) langfristig niemand mehr in vollem Umfang abnimmt, weil der Markt sie nicht mehr braucht, ich aber aufgrund der Take-or-pay-Klausel 98 Prozent bezahlen muss, kostet mich das in Summe Milliarden. Jetzt habe ich aber die Chance, dass mir der Lieferant nicht mehr frei Haus bis Baumgarten liefern kann und somit seinerseits den Vertrag nicht mehr erfüllen kann.
Womit man der Vertragsauflösung ein Stück näher käme.
Roiss
Wenn man das Ziel verfolgt, aus dem Vertrag auszusteigen, und das mit der Regierung koordiniert ist, ja. Ungeachtet dessen wird es aber trotzdem am Schiedsgericht in Stockholm landen (am Schiedsgerichtsinstitut der Stockholmer Handelskammer SCC werden seit Jahrzehnten Ost-West-Streitigkeiten ausgefochten; Anm.).
Wenn man das Ziel verfolgt, aus dem Vertrag auszusteigen, und das mit der Regierung koordiniert ist, ja. Ungeachtet dessen wird es aber trotzdem am Schiedsgericht in Stockholm landen.
Welche Auswirkungen wird das Ende des Transitvertrages am 31.12.2024 auf den europäischen Markt haben?
Roiss
Es wird sicher Händler geben, die über diese Route Gas einkaufen. Ich gehe zwar nicht davon aus, dass irgendjemand Gas im Ausmaß von sechs Milliarden Kubikmeter kaufen wird, aber geringere Mengen russisches Gas könnten weiterhin über die Ukraine kommen. Es sind aber auch andere Szenarien denkbar, nämlich dass gar kein Gas mehr durch die Ukraine kommt.
Wann wäre das der Fall?
Roiss
Es kann genauso gut auch die Infrastruktur beschädigt oder zerstört werden. Es sind zwei Stränge, die durch die Ukraine verlaufen, eine ist nahe dem Kriegsgebiet. Dort eine Pipeline zu sprengen, ist nicht das Thema, die ist schnell wieder repariert. Eine Verdichterstation wiederaufzubauen, würde hingegen lange dauern.
Wenn die Durchleitung riskant ist, welche Alternativen haben wir? Die OMV hat ja Gasfelder in Norwegen.
Roiss
Das Gute ist, dass die OMV auch noch Norwegen im Portfolio hat. Das ist ein No-risk-Thema, da müssen nur die Leitungen gebucht sein, damit das Gas auch durchkommt, und Engstellen (zwischen Oberkappel und Bad Leonfelden im oberösterreichischen Mühlviertel; Anm.) ausgebaut werden. Die größte Gefahr ist, wenn unvorbereitet wieder weniger Gas kommt, als wir brauchen. Dann geht der Börsenkurs nach oben – und Österreich zahlt wieder den höchsten Preis.
Zur Person
Gerhard Roiss, 71, war von 2011 bis 2015 Aufsichtsratsvorsitzender der teilstaatlichen OMV. Von 2001 bis 2011 war er stellvertretender Vorsitzender. Er wurde von Rainer Seele als Konzern-Spitze abgelöst - unliebsam, wie es heißt.
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Julian Kern
ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.