Jahresrückblick

Das war 2024: Die lange überhörte Budget-Warnung des Fiskalrat-Chefs

Die prägenden Stunden des Jahres. Mittwoch, 17. April, 10 Uhr: Der Fiskalrat warnt, dass das Budgetdefizit die Maastricht-Grenze von drei Prozent übersteigen wird.

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Es gibt Nachrichten, deren Überbringer man nicht gerne ist. Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrats und damit der Watchdog über die öffentlichen Finanzen, wurde am 17. April ein paar Minuten vor zehn Uhr zu einem solchen Boten. „Dringender Handlungsbedarf: Budgetdefizit über 3%-Maastricht-Grenze“, schrieb das Büro des Fiskalrats in einer Aussendung. Es dauerte weniger als eine Stunde, bis die Nachricht alle großen News-Portale des Landes erreicht hatte. Und es bedurfte nicht einmal viel Tamtam, um eine kleine bis mittlere Staatskrise auszulösen. Bloß diese zweiseitige Pressemeldung. Badelt wusste schon drei Wochen davor, was die Zahlen aus seinem Büro bewirken würden. Und der Finanzminister war alles andere als glücklich damit. Badelt ließ die Zahlen mehrmals überprüfen, aber es half nichts. Sie stimmten. Und es sollte noch viel schlimmer kommen.

Heute wissen wir: Das Budgetdefizit sprengt 2024 die von der EU vorgegebene Maastricht-Grenze von drei Prozent Neuverschuldung des BIP. Der Fiskalrat rechnet in seiner jüngsten Prognose mit 3,9 Prozent für heuer und 4,1 Prozent für 2025. Die neue Regierung erbt einen massiven Schuldenberg. Es droht ein EU-Budgetverfahren. Und je nachdem, auf welchen Sparpfad man sich mit Brüssel einigt, müssen in den nächsten fünf bis sieben Jahren zwischen 15 und 28 Milliarden Euro im Staatshaushalt eingespart werden. Allein 2025 sollen es zwischen drei und sechs Milliarden werden. Das ÖVP-geführte Finanzministerium brauchte trotzdem bis nach der Nationalratswahl Ende September, um die Probleme öffentlich einzugestehen.

Badelt und seine Kollegen warnten aber schon im April. profil sprach mit dem Präsidenten des Fiskalrats und Universitätsprofessor über diese und weitere schwere Stunden der heimischen Fiskalpolitik. Eine Badelt’sche Betrachtung der Budgetmisere:

"Ich kann mich gut daran erinnern, als mir die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Fiskalratsbüros ihre Budgetzahlen das erste Mal gezeigt haben. Die Erstellung einer solchen Prognose ist ein längerer Prozess, und man spricht natürlich immer wieder darüber. Ich habe gesagt: „Liebe Leute, das wird Aufmerksamkeit erregen. Das ist nicht irgendeine Zahl, das muss wirklich stimmen.“ Aber meine Kollegen waren sich absolut sicher, dass diese Entwicklung so bevorsteht."

Marina Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".