Flughafen Wien: Eine Mehrheit für knapp 300 Euro
Für einen strategischen Zug war der move überaus preiswert. Nicht ganz 300 Euro. So wenig mussten das Land Niederösterreich und die Stadt Wien – gemeinsam – in die Hand nehmen, um eine österreichische Mehrheit an der börsennotierten Flughafen Wien AG (FWAG) zu begründen. Geschehen ist das zwischen dem 22. und 27. September.
Am 21. September hatten profil und der ORF die Ergebnisse einer aufwendigen Recherche zur nebulosen Eigentümerstruktur der Investorengruppe „IFM“ veröffentlicht, die seit 2014 immer mehr Einfluss am Flughafen Wien-Schwechat geltend macht. Die vorgeblich „australischen“ Investoren, die sich mit einer Treuhandfirma auf den Cayman Islands tarnen, kontrollieren über eine Luxemburger Zweckgesellschaft namens Airports Group Europe mittlerweile knapp mehr als 40 Prozent der FWAG – und greifen jetzt nach allen Aktien, die sie noch bekommen können.
Die Airports Group Europe bietet den verbliebenen Streubesitz-Aktionärinnen und Aktionären – sie halten gemeinsam nicht mehr ganz zehn Prozent an der FWAG – im Wege eines „öffentlichen Teilangebots“ nunmehr 34 Euro je Aktie. Das ursprüngliche Angebot hatte übrigens auf 33 Euro gelautet und wurde unmittelbar nach der Veröffentlichung der Recherchen „nachgebessert“, was gewiss nur ein Zufall ist (das Angebot läuft zudem unter Vorbehalt, da das Wirtschaftsministerium eine Prüfung nach dem Investitionskontrollgesetz eingeleitet hat, dazu später).
Daneben hat die FWAG einen Block österreichischer Großaktionäre, der seit einiger Zeit exakt 50 Prozent aller vorhandenen Aktien auf sich vereinigt: Das Land Niederösterreich und die Stadt Wien (jeweils genau 20 Prozent) sowie die Mitarbeiter Privatstiftung der Flughafen-Belegschaft (zehn Prozent).
Die Anteile der Bundesländer sind seit 1992 syndiziert, was bedeutet, dass deren Abgesandte in Hauptversammlungen stets miteinander stimmen. Die Anteile der Mitarbeiter Privatstiftung sind formell nicht Teil dieses Syndikats, das Verhältnis zwischen Landes- und Belegschaftsvertretern ist traditionell aber recht harmonisch (kleinere Verwerfungen ausgenommen).
In den vergangenen Tagen verschoben sich die Machtverhältnisse vorderhand nur marginal. Die dem Land Niederösterreich zuzurechnende NÖ Landes-Beteiligungsholding GmbH kaufte am 22. September vier Flughafen-Aktien über die Börse zu, die Wien Holding GmbH am 27. September noch einmal vier. Die Aktie bewegte sich an diesen Tagen stets nahe der 33 Euro, das ergibt für jede der beiden Tranchen einen Transaktionswert in einer Größenordnung von jeweils 132 Euro, dazu kommen jeweils ein paar Euro Spesen, insgesamt also ein Betrag knapp unter 300 Euro.
Nur 8 Aktien für eine Mehrheit – wie das?
Durch die Zukäufe änderte sich der prozentuelle Anteil der österreichischen Großaktionäre tatsächlich nur ab der sechsten Stelle hinter dem Komma, nämlich von 50,00 Prozent geradeaus auf 50,0000095238 Prozent – doch das ist mit Blick auf die künftige Stimmenverteilung in der Hauptversammlung von entscheidender Bedeutung.
Niederösterreich, Wien und die Mitarbeiter Privatstiftung haben nun gemeinsam eine Mehrheit, so hauchzart sie auch sein mag. Das bedeutet umgekehrt, dass die Investorengruppe IFM rechnerisch nicht mehr auf 50 Prozent kommen kann, selbst wenn sie am Ende alle noch freien Aktien aufgekauft hätte (wirklich frei sind ohnehin nicht alle. Die Flughafen Wien AG hält selbst rund 120.000 Stück eigener Aktien, die sie zumindest bisher nicht an IFM zu verkaufen gedachte).
Auf Anfrage übermittelte die niederösterreichische Beteiligungsholding folgende Stellungnahme: „Die Länder Niederösterreich und Wien, die gemeinsam 40 Prozent der Aktien der Flughafen Wien Aktiengesellschaft halten, haben weitere acht Aktien zugekauft. Da die Flughafen Wien Mitarbeiterbeteiligung Privatstiftung zehn Prozent der Aktien der Flughafen Wien Aktiengesellschaft hält und diese gemäß Stiftungsurkunde auch nicht veräußern soll, ist durch den nun erfolgten Zukauf sichergestellt, dass die Mehrheit der Aktien dieses österreichischen Schlüsselunternehmens stets in österreichischer Hand bleibt.“
Seitens der Wien Holding hieß es dazu am Mittwochnachmittag nur: „Die Wien Holding hat ihre Anteile an der Flughafen Wien AG um vier Aktien aufgestockt. Die Beteiligungsmeldung hierzu ist heute erfolgt."
Es wird interessant sein zu sehen, ob und wie die Übernahmekommission zum Erwerb der Flughafen-Aktien durch Wien und Niederösterreich steht. Es mögen nur acht Stück die Besitzer gewechselt haben, aber mit ein bisschen Fantasie könnte man hier auch einen Kontrollwechsel hineininterpretieren (unter der Annahme, dass Wien, Niederösterreich und die Mitarbeiter Privatstiftung sich neuerdings als „österreichische Aktionärsgruppe“ von IFM abgrenzen und jetzt „gemeinsam“ mehr als 50 Prozent halten).
Das österreichische Übernahmerecht sieht vor, dass im Falle eines solchen Kontrollwechsels allen anderen Aktionären ein Kaufangebot zu unterbreiten wäre. Wien, Niederösterreich und die Mitarbeiter Privatstiftung haben allerdings weder diese Absicht, noch hätten sie die dafür erforderlichen Mittel locker.
Der Anlegerschützer: „Abwarten“
Wie viele Flughafen-Aktien die intransparente IFM-Gruppe schlussendlich halten wird, hängt maßgeblich von zwei Faktoren ab: dem Verhalten des Wirtschaftsministeriums und dem Verhalten der Streubesitz-Aktionäre. Das Ressort von Minister Martin Kocher (ÖVP) könnte den Erwerb weiterer Titel untersagen, immerhin handelt es sich um eines des bedeutendsten Infrastrukturunternehmen des Landes (abgesehen davon wirkt die Form der Anteilsverwaltung über eine Offshore-Kaskade nur bedingt vertrauensbildend).
Doch auch die derzeit umworbenen Kleinaktionäre könnten sich zieren. Geht es nach dem Vorstand des Anlegerschutzverbandes IVA Florian Beckermann, dann sind die gebotenen 34 Euro je Aktie ohnehin nicht brüllend, die vorangegangenen 33 Euro waren es umso weniger. Dies auch vor dem Hintergrund, dass eine Firma ohne Streubesitz – und darauf läuft das Angebot hinaus – nicht an der Börse notieren kann, so sind die Regeln.
„Die Flughafen Wien AG gehört erstens an die Börse und zweitens in das Portfolio eines jeden österreichischen Aktiensparers. Niemand in Österreich kann ein Interesse daran haben, dass dieses Unternehmen vom Kurszettel verschwindet“, sagt Beckermann. Abgesehen davon seien die gebotenen 34 Euro je Aktie „viel zu bescheiden“. Beckermanns Empfehlung an die Anlegerschaft: „Abwarten“.