Warum der Anwalt Gabriel Lansky Einreiseverbot in Kroatien hat
Von Josef Redl
Schriftgröße
Saif Markhan Alketbi lächelt milde, während er seine Besitztümer aufzählt: die Investmentgesellschaft mit Beteiligungen an Technologie-Start-ups, die Veranlagungen in Wertpapieren, die Immobilienprojekte in Abu Dhabi und Dubai, das Netzwerk an Apotheken, die Zuchtfarm für Rennkamele. Er hat sogar einen Wirtschaftsprüfer damit beauftragt, sein Vermögen zu bewerten. 276.425.602 US-Dollar waren es laut einem Gutachten zum Stichtag 31.12.2022, mehr als eine Viertelmilliarde. Aber wozu das alles?
Alketbi will etwas beweisen: „Ich bin kein Strohmann. Weder für die Sberbank noch für sonst jemanden“, sagt er in einem Videocall mit profil am Dienstag vergangener Woche. Alketbi hat im Jahr 2022 um 400 Millionen Euro 42 Prozent an Kroatiens größtem Lebensmittelkonzern Fortenova von der russischen Sberbank gekauft. Damals glaubte er, ein Schnäppchen zu machen. Die Sberbank verkaufte die Anteile unter großem Zeitdruck, kurz bevor die EU-Sanktionen Geschäfte mit dem staatlich-russischen Finanzinstitut unmöglich machten. Heute, zwei Jahre später, beurteilt Alketbi den Deal wohl nicht mehr ganz so positiv. Inzwischen wurde er selbst mithilfe der EU-Sanktionen aus dem Unternehmen gedrängt. Der Fall beschäftigt nicht nur Gerichte in Malta, den Niederlanden und Luxemburg, er hat dem Wiener Rechtsanwalt Gabriel Lansky sogar ein Einreiseverbot in Kroatien eingebracht.
Antonio Gerovac ist kein Mann der vielen Worte. In einem gerade einmal zwei Sätze umfassenden Schreiben vom 29. Oktober 2024 informiert der Chef der kroatischen Geheimpolizei den Wiener Rechtsanwalt Gabriel Lansky, dass eines der europäischen Grundrechte für ihn nicht mehr gilt: die Personenfreizügigkeit. Gegen Lansky bestehe „aus Gründen der nationalen Sicherheit“ seit 4. September 2024 ein Einreiseverbot in Kroatien, heißt es lapidar. Welche Behörde genau dieses Einreiseverbot verhängt hat, auf Basis welcher Beweise und wie man möglicherweise gegen diese Entscheidung berufen könnte, steht da nicht. „Das ist ein beispielloser Einschüchterungsversuch“, sagt Gabriel Lansky zu profil. Seine Kanzlei vertritt den arabischen Investor Saif Markhan Alketbi im Kampf um dessen kroatisches Investment. Geht es nach Lansky, dann wurde Alketbi unter dem Deckmantel der Russland-Sanktionen eiskalt enteignet.
Er ist nicht allein mit dieser Meinung. „Die Übernahme ist kriminell. Das hat mit einem rechtsstaatlichen Verfahren nichts zu tun“, sagt Karolina Vidović Krišto. Die bekannte kroatische Journalistin hat den Fall in den vergangenen vier Jahren als Oppositionsabgeordnete kritisch begleitet, jetzt kandidiert sie für das Präsidentenamt. Fortenova ist in Kroatien nicht bloß ein Lebensmittelkonzern, sondern ein volkswirtschaftlicher Faktor. Die Unternehmensgruppe ist mit 45.000 Mitarbeitern der größten Arbeitgeber in Südosteuropa und setzte im Jahr 2023 5,8 Milliarden Euro um. Zum Vergleich: Die gesamte Wirtschaftsleistung Kroatiens in diesem Jahr betrug 76 Milliarden Euro.
Ein Fall und ein Aufstieg
Als der Konzern 2017, damals noch unter dem Namen Agrokor, nach Jahren des Wachstums unter der Last milliardenschwerer Verbindlichkeiten zu kollabieren drohte, löste das in Kroatien eine Staatskrise aus. Die Lösung war ein eigens verabschiedetes Gesetz zur Rettung systemrelevanter Unternehmen, genannt „Lex Agrokor“. Der Konzern wurde unter staatliche Verwaltung gestellt. Mit dem Gesetz wurden aber auch gänzlich neue Eigentumsverhältnisse geschaffen: Statt in einem Konkursverfahren zumindest einen Teil ihrer Forderungen zu erhalten, wurden die Gläubiger – vom kleinen Blumenlieferanten bis hin zu den finanzierenden Banken – gemäß der Höhe ihrer Forderungen an dem in Fortenova umgetauften Konzern beteiligt. Und der größte Kreditgeber war plötzlich mit 42,5 Prozent der Anteile der größte Gesellschafter: die staatlich russische Sberbank.
Unter den kleineren neuen Teilhabern ist auch Pavao Vujnovac. Der stiernackige Unternehmer aus Osijek hat es innerhalb weniger Jahre zu immensem Reichtum gebracht: Als Eigentümer eines kleinen, defizitären Gasversorgers namens PPD war es ihm gelungen, exklusive Lieferverträge mit der russischen Gazprom einzufädeln. Das russische Gas verkaufte er insbesondere an Unternehmen der öffentlichen Hand, die mit Vujnovac langfristige Verträge mit garantierten Abnahmemengen abschlossen. „Der Aufstieg von Vujnovac zum Wirtschaftstycoon ist eng mit der Regierungspartei HDZ verknüpft“, sagt Politikerin Karolina Vidović Krišto. Eine Beziehung zu beiderseitigem Nutzen: Die Staatsunternehmen sorgten für sichere Milliardenumsätze bei PPD. Umgekehrt finanzierte PPD beispielsweise 2015 den Präsidentschaftswahlkampf der HDZ-Kandidatin Kolinda Grabar-Kitarović.
Mit den Gewinnen aus den Gasgeschäften expandierte Vujnovac: Er kaufte Chemiekonzerne, Häfen, Logistikunternehmen. Und nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine im Jahr 2022 erkannte er seine Chance bei Fortenova. Mit dem ersten Sanktionspaket der EU im Februar 2022 begann die große wirtschaftliche Entflechtung von Russland und Europa. Auch die Sberbank kappte ihre Taue. Sie übertrug ihre Anteile an der Fortenova in eine russische Gesellschaft mit Namen SBK Art und suchte dafür einen Käufer. Ein Deal mit der ungarischen Investmentgesellschaft Indotek war bereits unterzeichnet, musste jedoch auf politischen Druck abgeblasen werden. Kroatiens Premierminister Andrej Plenković hatte sich persönlich gegen den Verkauf an die Ungarn stark gemacht.
Die Übernahme
Im Juli 2022 landete schließlich die Sberbank auf der EU-Sanktionsliste, von da an musste es schnell gehen.
Die EU hatte eine Frist bis 31. Oktober eingeräumt, damit die Sberbank-Geschäfte in Europa abgewickelt werden konnten. Da gab es nur ein Problem: Die Fortenova-Gruppe hatte kurzerhand erklärt, ihrem größten Gesellschafter, der russischen Sberbank-Tochter SBK Art, die Stimmrechte zu entziehen.
Pavao Vujnovac war in der Zwischenzeit nicht untätig gewesen. Über eine Gesellschaft in Malta hatte er Anteile früherer Fortenova-Gläubiger aufgekauft und war mit 28 Prozent* nach der russischen SBK Art der zweitgrößte Aktionär geworden. Die reichten zur Machtübernahme. Nur ein Bruchteil der unzähligen kroatischen Klein- und Kleinstgesellschafter, die im Rahmen der Fortenova-Sanierung an dem Konzern beteiligt werden waren, nahm überhaupt an den Gesellschafterversammlungen teil. Es wurde ihnen auch nicht leicht gemacht: Der Sitz der Fortenova-Holding lag nicht in Kroatien, sondern in den Niederlanden. Nachdem der russischen SBK Art das Stimmrecht entzogen worden war, reichten Vujnovac 28 Prozent, um Mehrheitsbeschlüsse zu fassen.
Während die Sberbank weiterhin nach einem Käufer für ihre Anteile suchte, baute der kroatische Oligarch Forte-nova von innen heraus um. Vujnovac installierte seine Vertrauensleute im Management und ließ die Satzungen so abändern, dass er die restlichen Aktionäre noch leichter überstimmen konnte. Und er sorgt dafür, dass das auch so bleibt. Vujnovac selbst hat eine profil-Anfrage unbeantwortet gelassen. „Das Fortenova-Management hat sich stets darum bemüht, alle Gesellschafter unter Berücksichtigung des Sanktionsrechts fair zu behandeln“, heißt es aus dem Unternehmen selbst.
Am letzten Tag der EU-Frist, dem 31. Oktober 2022, kann die Sberbank ihre Tochtergesellschaft SBK Art mitsamt den Fortenova-Anteilen doch noch verkaufen. Ein ehemaliger Fortenova-Manager mit Wohnsitz in Dubai hat in den Emiraten nach Investoren gesucht und Saif Markhan Alketbi gefunden. 400 Millionen Euro für 42 Prozent an einem – inzwischen profitablen – Konzern mit rund sechs Milliarden Euro Umsatz seien eine Okkasion gewesen, beteuert Alketbi gegenüber profil. Allein durch eine Refinanzierung der ungünstigen Kreditlinien von Fortenova hätte man die Summe im Handumdrehen zurückverdienen können. Die Gelegenheit dazu hat er nie bekommen.
Auf der roten Liste
Auf Betreiben des kroatischen Außenministeriums landet die von Alketbi übernommene Gesellschaft SBK Art Ende 2022 ebenfalls auf der Sanktionsliste. Die Begründung: Der arabische Investor habe die Übernahme durch einen Kredit bei der russischen Gazprombank finanziert. Das sei ein Indiz dafür, dass SBK Art immer noch unter russischer Kontrolle stehen könnte. „Der Rat der Europäischen Union beharrt darauf, dass die Sberbank weiterhin die Kontrolle über SBK Art ausübt, ohne Beweise dafür vorzulegen“, sagt Anwalt Gabriel Lansky. Und legt selbst vor: eine Übersicht über das Vermögen von Saif Markhan Alketbi, Fotos von dessen Fuhrpark und der Kamelzucht. Lansky hat sie selbst besucht. Gelegenheit dazu hat er öfter, seine Kanzlei hat voriges Jahr eine eigene Filiale in Dubai aufgemacht, spezialisiert auf Sanktionsrecht. Er koordiniert eine ganze Reihe von Verfahren: Vor dem Europäischen Gericht in Luxemburg will er erreichen, dass SBK Art von der Sanktionsliste genommen wird. In Malta und den Niederlanden zieht er durch die Instanzen, um den Entzug der Stimmrechte zu bekämpfen. Inzwischen wurden bei Fortenova Entscheidungen getroffen. Während der größte Gesellschafter kein Stimmrecht hatte, hat das Management einen Verkaufsprozess eingeleitet – auch über die Anteile der sanktionierten SBK Art. Den Zuschlag bekam Pavao Vujnovac für eine Gesamtsumme von 660 Millionen Euro. Man hätte gar keine andere Wahl gehabt, heißt es von Fortenova auf profil-Anfrage, weil SBK Art „ganz offensichtlich weiterhin von russischen Staatsinteressen kontrolliert“ gewesen sei.
„Das ist eine De-facto-Enteignung, die nichts mit der Intention von Sanktionen zu tun hat und einen schwerwiegenden Missbrauch des Europäischen Rechts darstellt“, sagt Gabriel Lansky. Das Einreiseverbot des Rechtsanwalts in Kroatien beschäftigt nun auch die Diplomatie. Die österreichische Botschaft in Zagreb hat am 25. November eine schriftliche Verbalnote an das kroatische Außenamt geschickt und ersucht, die „Echtheit und Richtigkeit“ des Schreibens von Geheimdienstchef Antonio Gerovac an Lansky zu überprüfen.
Eine Antwort steht noch aus.
* In einer früheren Version hieß es hier irrtümlich 18 Prozent. Wir bedauern.
Josef Redl
Wirtschaftsredakteur. Davor Falter Wochenzeitung.