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FPÖ-Landesrat Christian Ragger vergab Aufträge von fast 400.000 Euro an sein Kanzlei-Umfeld

Kärnten. FP-Landesrat Ragger vergab Aufträge von fast 400.000 Euro an das Umfeld seiner Kanzlei

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Architektonisch gesehen ist das Objekt an der Peripherie von Wolfsberg, Unterkärnten, Dutzendware. Ein schmuckloser Betonglaswürfel mit dem Charme einer Fabrikhalle. Es ist das Innenleben, das die Alte Straße Nummer 2 in St. Stefan im Lavanttal so interessant macht. Im Laufe der Zeit haben sich dort mehrere Unternehmen angesiedelt, die geschäftlich und teils auch gesellschaftsrechtlich untereinander verwoben sind.

Da wäre zum Beispiel eine visioworks GmbH, eine Unternehmensberatung mit, Zitat Homepage, „gebündelter, vielschichtiger Fachkompetenz … visioworks ist die All-In-One Unterstützung für alle Arten, Branchen, Organisationstypen, Entwicklungsstufen von Unternehmen“.

Oder eine BP Networks – business IT solutions GmbH & Co. KG. Diese „bietet eine Vielfalt von IT Dienstleistungen, Software-Lösungen, Infrastruktur sowie IT- und Telekommunikationskonzepten“.

Aber auch eine Leeb Event-Service & Produktions GmbH, spezialisiert auf Veranstaltungen und den Vertrieb von Werbemitteln aller Art. „Im Speziellen Konzeption, Planung und Realisierung von zielgruppengerechten und nachhaltig wirkenden Live-Kommunikationskonzepten.“

Und schließlich eine Convisio Wirtschaftsprüfung & Steuerberatung GmbH. „Convisio steht für ein modernes und persönliches Beratungskonzept, ,refining business‘ soll unseren Mandanten die Möglichkeit eröffnen, gemeinsam die Antworten von gestern und heute auf ihre Zukunftstauglichkeit zu untersuchen.“

Man teilt Adresse, Büroflächen, zuweilen auch Geschäftsführer und Gesellschaftsanteile. Aber eben nicht nur das. Diese vier Unternehmen unterhielten jedenfalls bis 2013 einträgliche Geschäftsverbindungen zur Kärntner Landesregierung, konkret: zu Christian Ragger. Zwischen März 2009 und März 2013 verantwortete er für die FPK die Referate für Gesundheit, Soziales und Wohnbau. Heute ist Ragger Landesparteiobmann der abgewählten FPÖ Kärnten und als Landesrat unter anderem für Jagd, Tier- und Naturschutz zuständig.

Nach einer profil zugespielten Dokumentation durften der Unternehmensberater, der IT-Dienstleister, die Veranstaltungsagentur und der Steuerberater zwischen 2010 und 2013 Aufträge für das Land Kärnten im Gegenwert von fast 400.000 Euro (brutto) abwickeln. Bezahlt aus Steuergeldern, politisch verantwortet von Ragger.
Ragger ist im Brotberuf Rechtsanwalt. Mit seiner Angelobung zum Landesrat stellte er seine Tätigkeit in der Wolfsberger Anwaltskanzlei Poganitsch, Fejan & Partner, vormals Poganitsch & Ragger, ruhend. Ebenso wie die Beteiligung an der Gesellschaft.
Das profil vorliegende Material belegt, dass Ragger in seiner Funktion als Landesrat Unternehmen mit öffentlichen Aufträgen ausstattete, die wiederum mit der Anwaltskanzlei, die einst seinen Namen trug, verbandelt waren oder sind. Diesem Magazin liegen sowohl Auszüge aus dem SAP-Buchhaltungssystem des Landes als auch diverse Verträge aus mehreren Jahren vor.

Diesen zufolge fakturierte etwa die Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Convisio mit Hauptsitz in Klagenfurt zwischen 2010 und 2013 in Summe fast 220.000 Euro inklusive Umsatzsteuer an das Land. Das ist deshalb bemerkenswert, weil Convisio so etwas wie die Haus-und-Hof-Steuerberatung von Poganitsch, Fejan & Partner, vormals Poganitsch & Ragger, ist. Convisio trat im geschäftlichen Verkehr früher auch als Slamanig & Neubert in Erscheinung, benannt nach den Gründern Franz Slamanig und Jochen Neubert. Über diese Herren stand noch am Freitag vergangener Woche auf der Homepage der Kanzlei (www.ragger.at) zu lesen: „Nachdem die Rechtsanwaltskanzlei Poganitsch & Ragger (sic!) von Anbeginn mit der Steuerberatungskanzlei Slamanig & Neubert auf das Engste Tür an Tür zusammenarbeitet, können wir den Klienten nicht nur in Rechtsfragen, sondern auch in steuerlichen Belangen umfassend betreuen.“

Mit anderen Worten: Die Steuerberater, mit denen Raggers Partner „von Anbeginn“ und „auf das Engste“ kooperieren, wurden von ihm mit Landesaufträgen in der Höhe von 217.400 Euro bedacht. Was Convisio dafür geleistet hat? In einer profil übermittelten schriftlichen Stellungnahme hält der Landesrat fest: „Die Steuerberatungskanzlei Convisio (es gibt heute übrigens keine räumliche Nähe zwischen der Anwaltskanzlei und ihr) ging bei einer Ausschreibung als Bestbieter hervor und hat über drei Jahre die Kostenstruktur von 40 privaten und konfessionellen Pflegeheimen überprüft. Dank ihrer Analysen konnte etwa 2011 eine Anhebung der monatlichen Landesbeiträge um 21 Prozent, wie die Heimbetreiber sie gefordert hatten, abgewehrt werden. Land und Gemeinden hätten jährlich 26 Millionen Euro mehr bezahlen müssten.“
Wie schnell die Uhren in Kärnten gehen, wenn sie denn müssen, zeigt auch die Beauftragung der Wolfsberger Unternehmensberatung visioworks, Adresse: Alte Straße Nummer 2 in St. Stefan. Am 21. August 2012 schloss visioworks einen Beratervertrag mit dem Amt der Kärntner Landesregierung, Abteilung 4 „Kompetenzzentrum Soziales“, unterzeichnet von Christian Ragger. Laufzeit: vorerst ein Jahr. Vergütung: 3000 Euro im Monat exklusive Spesen, Sonderausgaben und Umsatzsteuer. Vertragsgegenstand: „Technische Beratung und Umsetzungsunterstützung im Bereich von technischen Lösungen und organisatorischen beziehungsweise marktbezogenen Innovationen in sozialen Bereichen für die Landesregierung – Abteilung 4.“

Eine umfangreiche Agenda für ein doch sehr junges Unternehmen. Denn visioworks existierte zu diesem Zeitpunkt erst neun Wochen. Der Gesellschaftervertrag datiert vom 14. Juni 2012. Andererseits: In Raggers Umfeld kannte man das Unternehmen ja bereits. Schließlich waren es Raggers Kanzleipartner, die das zwölfseitige Vertragswerk zur Gründung von visio-works aufgesetzt hatten. Das Dokument trägt den Briefkopf „Poganitsch & Ragger Rechtsanwälte GmbH“. In Summe bezahlte das Land in nicht einmal einem Jahr – zwischen September 2012 und Juli 2013 – inklusive aller Nebengeräusche 51.700 Euro brutto an visioworks. Wofür?

Die Zahlungen stehen in Zusammenhang mit einem von Raggers Prestigeprojekten: die technische Aufrüstung einer Pflegeeinrichtung im kärntnerischen Sittersdorf. 15 von einer gemeinnützigen Einrichtung betreute Wohneinheiten sollten auf die IT-Standards des 21. Jahrhunderts gebracht werden: mittels eines Alarmsystems und diverser Sensoren sollten Pflegebedürftige im Alltag unterstützt werden. Projektkosten: insgesamt 220.000 Euro verteilt auf mehrere Jahre, bezahlt vom Land. Das Projekt drohte am Geld zu scheitern. Zunächst. Am 11. September 2012 jedoch erteilte Raggers Büro via E-Mail die Weisung, Landesmittel „baldestmöglich“ intern umzuschichten – von der Abteilung „Wohnbau“ in Richtung „Soziales“. Abgesetzt wurde das E-Mail von seinem damaligen Büroleiter Georg Fejan, Bruder von Raggers Kanzleipartner Peter Fejan.

Der Vorgang dürfte Ragger nun auch politischen Erklärungsbedarf einbringen. Nach Ansicht von Vergabeexperten hätte das IT-Projekt aufgrund der schieren Höhe ausgeschrieben werden müssen, was so nicht geschah. Der Landesrat sieht das allerdings anders: „Der Schwellenwert für eine Ausschreibung wurde nicht erreicht.“

Die Unternehmensberatung visioworks ließ eine profil-Anfrage unbeantwortet. Diese war nicht der einzige Partner im Projekt „Technik unterstütztes Leben“. Da taucht auch eine BP Networks – business IT Solutions auf. Der EDV-Anbieter erhielt von Ragger einen „Werkvertrag“ zu gleichen Konditionen wie visioworks, also 3000 Euro monatlich zuzüglich Nebenkosten und Umsatzsteuer. In Summe verrechnete BP Networks – Firmenadresse: Alte Straße Nummer 2, St. Stefan – laut den SAP-Buchungsunterlagen zwischen Februar 2012 und August 2013 einen Betrag von 42.041 Euro. Das ist deshalb bemerkenswert, weil BP Networks einer der beiden Gründungsgesellschafter von visioworks ist. Die zweite Hälfte der Anteile hält bis heute – Zufall oder nicht – die Steuerberatungskanzlei Convisio. Und wo ein Zufall, da auch ein zweiter: Es war die Kanzlei „Poganitsch & Ragger“, welche 2006 den Gesellschaftervertrag für BP Networks aufgesetzt hatte. Kärnten ist halt klein.

Geschäftsführer von BP Networks ist ein Patrick Bardel. Das Ersuchen um Stellungnahme zu Art und Umfang des Landesauftrags quittiert dieser wie folgt: „Zu meinen Auftraggebern zählen viele renommierte private Unternehmen, aber auch zahlreiche Gebietskörperschaften, so auch das Land Kärnten. Richtig ist, dass unser Unternehmen auch von der Sozialabteilung des Landes Kärnten, unter Führung von Mag. Ragger, Aufträge erhalten hat.“ Sämtlichen Rechnungen lägen „umfangreichst dokumentierte Leistungsverzeichnisse zugrunde, welche von der jeweiligen Fachabteilung kontrolliert und dann freigegeben worden sind“.

Bardel wiederum ist Geschäftspartner eines gewissen Marcus Leeb, der an der Adresse Alte Straße Nummer 2, St. Stefan, eine Veranstaltungsagentur samt Werbemittelvertrieb unterhält: die Leeb Event-Service & Produktions GmbH. Auch dieses Unternehmen stand in geschäftlicher Beziehung zum Referat Ragger. Zwischen 2011 und 2013 verrechnete Leeb dem Land Kärnten 80.507 Euro inklusive Umsatzsteuer. Hauptsächlich für Give-aways. So etwa: „2480 Stück Feuerzeug blau“ (1011,84 Euro), „Schlüsselbänder für Pflegeelternfest“ (2832 Euro), „Schulstartpaket 1 Klassen VS“ (22.986 Euro), „Regenschirme u. Knirpse, Familienmesse“ (3588 Euro), „Teddybären m. Sweater“ (2122,80 Euro), „Fußbalsam 50 ml. Tube – Pflegeheimbewohner“ (1140 Euro), „Familienmesse Handwärmer Schneemann“ (1290 Euro). Marcus Leeb will darauf angesprochen nicht allzu sehr ins Detail gehen: „Sie werden verstehen, dass wir im Rahmen unserer generellen Kundenpflege nicht in der Lage sind, zu den von Ihnen gestellten Fragen konkret Stellung zu nehmen. Wir können bestätigen, dass wir von verschiedenen Referaten des Landes Kärnten, unabhängig davon welcher Partei der politische Referent angehört, Aufträge erhalten haben.“

Und weiter: „Es entzieht sich unserer Kenntnis, wie Sie zu den von Ihnen angeführten Buchungsauszügen aus dem SAP-Buchungsprogramm der Landesregierung gekommen sind, weshalb wir Sie darauf hinweisen, dass wir eine objektive Berichterstattung erwarten und davon ausgehen, dass Sie nur die Aufwendungen des Referates Ragger für Werbemittel ohne namentliche Erwähnung unseres Unternehmens anführen werden, da uns sehr wohl bekannt ist, dass auch andere Mitbewerber aus der Werbemittelbranche Aufträge erhalten haben.“

In Summe sind allein diesen Unternehmen – Convisio, visioworks, BP Networks und Leeb Event – zwischen 2010 und 2013 Landesmittel in der Höhe von 391.600 Euro brutto zugeflossen. Es gibt zwar keinen Hinweis, dass die Leistungen unsauber abgerechnet worden wären. Auffallend sind aber neben der räumlichen Nähe vor allem die Verflechtungen der Akteure. Die Steuerberatungskanzlei Convisio (die sich gegenüber profil nicht äußerte) ist eng mit der Sozietät Poganitsch, Fejan & Partner, vormals Poganitsch & Ragger, verbandelt. Die Anwälte waren für jedenfalls zwei Unternehmen – visioworks und BP Networks – tätig, indem sie etwa die Gründungsverträge aufsetzten. Der Landesrat hat dazu eine erstaunliche Erklärung parat: „Ich habe mit meinem Eintritt in die Landesregierung meine Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter der Kanzlei und meine Anwaltstätigkeit ruhend gestellt. Ich bin daher nicht mehr im operativen Geschäft tätig und in dieses involviert. Die Kanzlei führt daher auch den Namen Poganitsch, Fejan & Partner, Rechtsanwälte GmbH. Wenn die Kanzlei Firmengründer bei der Erstellung ihrer Gesellschafterverträge berät, kann ich Ihnen hierzu keine Auskünfte geben.“

Auf der Homepage der Kanzlei wird Ragger übrigens bis heute als Mitglied des „Teams“ gelistet.