Frag die Millionäre: Was halten die Reichsten von Vermögenssteuern?
Sie werden diesen Brief vermutlich nicht bekommen, aber in den Briefkästen der Reichsten des Landes findet sich dieser Tage ein Kuvert: „Wussten Sie, dass Sie gemeinsam mit den anderen 99 Reichsten etwa gleich viel Vermögen haben wie 5,5 Millionen Menschen in Österreich zusammen?“, schreibt darin Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer.
Sie fordert diese wenigen Menschen mit sehr viel Vermögen auf, mehr zum allgemeinen Wohlstand beizutragen. Denn derzeit sei das in Österreich nicht der Fall: Der Staatshaushalt, der Schulen, Verwaltung, medizinische Versorgung etc. finanziert, besteht zu gut 85 Prozent aus Massensteuern auf Konsum und Arbeit, die vom Großteil der Bevölkerung bezahlt werden. Vermögensbezogene Steuern hingegen tragen gerade einmal 1,4 Prozent dazu bei. Das war früher anders: Vermögenssteuern wurden in Österreich 1993 abgeschafft, Erbschaftssteuern 2008.
5,5 Millionen Österreicherinnen und Österreicher haben 200 Milliarden Euro. Die 100 reichsten Österreicherinnen und Österreicher haben 200 Milliarden Euro.
Die Arbeiterkammer fordert die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer – sprich eine jährliche Steuer auf Vermögen ab einem Freibetrag von einer Million Euro pro Haushalt. Das würde etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr einbringen. „Damit könnte man unter anderem auf einen Schlag die Kinderarmut in Österreich abschaffen oder das Pflegesystem nachhaltig absichern, so Anderl im Brief.
Ein Blick auf die Daten zeigt: Grundsätzlich sind in Österreich Einkommen zwar gerechter verteilt als im EU-Durchschnitt, die Vermögen aber ungerechter. Der Gini-Koeffizient vergleicht weltweit Ungleichheit. Je näher dieser bei 1 liegt, desto ungerechter ist die Verteilung. Je näher bei 0, desto gerechter. Laut den Zahlen der Europäischen Zentralbank kommt er bei den Einkommen in Österreich auf unter 0,3, bei den Vermögen allerdings auf 0,7. Das ist eindeutig über dem EU-Durchschnitt. „Aus diesem Grund würde ich mich sehr freuen, wenn Sie öffentlich und gegenüber der Politik erklären, dass Sie es gerecht finden, wenn Reiche künftig mehr Steuern bezahlen als bisher“, schreibt die AK-Präsidentin in ihrem Brief.
Doch was sagen die Empfängerinnen und Empfänger dazu? Auf der Liste der 100 Reichsten des Landes des Wirtschaftsmagazins trend, das die Grundlage für Anderls Brief war, steht klar an erster Stelle die Familie Porsche-Piëch mit einem Stiftungsvermögen von 41,6 Milliarden Euro. Dahinter steht noch der kürzlich verstorbene Dietrich Mateschitz mit 24,9 Milliarden Euro, gefolgt von der Familie Schäffler vom gleichnamigen Autozulieferbetrieb, den Erben des Billagründers Karl Wlaschek, dem Bauunternehmer Georg Stumpf und René Benko.
profil hat österreichische Multimillionäre und Milliardäre nach Antworten gefragt. Jürg Zumtobel vom gleichnamigen Vorarlberger Lampenunternehmen befindet sich auf Platz Nummer 99 des Rankings mit einem Stiftungsvermögen zwischen 180 und 400 Millionen Euro. Er sagt: „Ich bin der Ansicht, dass ein objektiver Beitrag zu dieser Frage am besten von einer neutralen Position aus betrachtet werden soll. Ich schlage vor, die Agenda Austria mit diesem Thema zu befassen.“ (Der wirtschaftsliberale Thinktank lehnt Vermögenssteuern ab.) Auf Platz 83 der Liste steht der ehemalige SPÖ-Vizekanzler Hannes Androsch. Erbschafts- und Vermögenssteuern stehe er skeptisch gegenüber, sagte er in Medienberichten. Vom Stiftungsverband, der die Interessen heimischer Stiftungen vertritt und dessen Vorstand Franz Mayr-Melnhof-Saurau ist (seine Familie liegt auf Platz 12 mit 3,5 Milliarden Euro Vermögen), heißt es: „Unsere Mitglieder sind mehrheitlich der Meinung, dass das Steuerniveau in Österreich im internationalen Vergleich bereits sehr hoch ist und daher neue Steuern nicht gerechtfertigt sind. Ganz generell möchte ich anmerken, dass eine Vermögenssteuer, die die Substanz und nicht den Ertrag belasten würde, ein erheblicher Schaden für den Wirtschaftsstandort wäre, da Unternehmenszentralen abwandern würden.“
Die Arbeiterkammer sagt dazu: Dass „eine Vermögenssteuer nicht viel bringen würde oder dem Standort schaden oder zur Abwanderung führen könnte, gehört zu den Mythen, die sich leicht durch Fakten widerlegen lassen können“. Technische Fragen wie jene der Bewertung unterschiedlicher Vermögenselemente seien heute leichter lösbar. Anderls Brief landet dieser Tage in den Postkästen, und die Arbeiterkammerpräsidentin schließt mit den Worten: „PS: Ich freue mich natürlich auch über eine Antwort Ihrerseits auf diesen Brief.“