Felbermayr: „Festung Österreich ist Programm zur Verarmung und Verzwergung“
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Von Marina Delcheva
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Herr Felbermayr, kennen Sie das Lied „It’s the End of the World as We Know It“ der US-Rockband R.E.M.?
Felbermayr
Klar.
Eine Liedzeile lautet: „Save yourself, serve yourself“ – Rette dich selbst, bediene dich selbst. Sie und Ihre Forscherkollegen haben lange vor Handelskriegen, vor Wohlstandsverlust und Deindustrialisierung gewarnt. Sind wir jetzt in der Welt angekommen, vor der Sie jahrelang gewarnt haben?
Felbermayr
Ja, doch. Wir lassen die Vorteile der Kooperation, der Arbeitsteilung, der gemeinsamen Bewältigung von Krisen einfach liegen. Und damit lassen wir Wohlstand liegen. Das ist ein schleichender Prozess, der schon 15 Jahre dauert. Die US-Wirtschaft ist zum Beispiel gewachsen über die Jahre. Aber sie wäre wohl noch stärker gewachsen, wenn Trump nicht permanent Unsicherheit schüren würde.
Alle großen Wirtschaftsräume haben in den vergangenen Jahren sehr protektionistisch agiert, nicht nur die USA unter Trump. China fokussiert sich auf seinen Binnenmarkt, und das Investitionsklima für ausländische Unternehmen wurde deutlich rauer. Die EU betreibt mit den Ausgleichszöllen für E-Autos auch Protektionismus. Wer sieht denn jetzt noch Vorteile im freien Handel?
Felbermayr
Bob Lighthizer, das war Trumps Handelszar in seiner ersten Regierung, hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „No Trade Is Free“ (Es gibt keinen kostenlosen Handel, Anm.). Und er hat schon recht damit. Die Abkehr vom Freihandel ist – spieltheoretisch gesprochen – die dominante Strategie. Wenn die Chinesen davon abweichen und die Vorschriften der Welthandelsorganisation (WTO) ignorieren, zwingen sie auch uns zum Abweichen. Wenn sie ihre E-Autobranche massiv subventionieren, kann Europa nicht tatenlos zusehen, wie dort eine Monopolposition im Bereich E-Mobilität entsteht, die uns in eine Position der Erpressbarkeit bringt. Das ist wie beim Krieg: Die Ukrainer haben keinen Krieg gewollt, Russland ist eingefallen. Die Ukrainer sind jetzt gezwungen, sich mit kriegerischen Mitteln zu verteidigen.
Das ist typisch für Trump. Die Zölle sind Teil einer Drohkulisse, die jetzt aufgestellt wird.
Wifo-Chef Gabriel Felbermayr
über Trumps erratischer Zollpolitik
Eigentlich wollte Trump Einfuhren aus Mexiko und Kanada mit 25 Prozent hohen Zöllen belegen. Jetzt gibt es doch eine vierwöchige Galgenfrist, weil beide Staaten ihre Grenzen besser gegen Drogenschmuggel und Migration schützen wollen. Die Nächsten auf Trumps Zollliste sind die Europäer. Was bedeutet denn diese erratische Politik für uns?
Felbermayr
Das ist typisch für Trump. Er ist ein transaktionaler Politiker, der Geschäfte machen will. Die Zölle sind Teil einer Drohkulisse, die jetzt aufgestellt wird. Mexiko und Kanada sind gemeinsam der wichtigste Handelspartner der USA. 25 Prozent Zölle wären sofort an den Kassen im Walmart (US-Supermarktkette, Anm.) sichtbar. Er ist bereit, Poker zu spielen, Zug um Zug. In seiner ersten Amtszeit hat Trump mit Zöllen für europäische Autos gedroht, sie aber nie eingeführt. Allein die Drohung hat allerdings dazu geführt, dass europäische Unternehmen Produktion in die USA verlagert haben. Wenn man die Waffe auf den Tisch legt, führt das schon zu Zugeständnissen, ohne dass man schießen muss.
Das ist Erpressung.
Felbermayr
Natürlich. Und zwar Erpressung mit einem sehr unklaren Ausgang. Selbst wenn Mexiko jetzt 10.000 Soldaten an seiner Grenze stationiert, wird dann tatsächlich weniger Fentanyl in den USA konsumiert?
Seit der Pandemie und dem Krieg Russlands in der Ukraine haben wir viel über Diversifikation der Lieferketten und über Friend-Shoring, also Handel mit Gleichgesinnten, gesprochen. Unser bester Freund auf der anderen Seite des Atlantiks wird aber gerade zum Feind. Was tun wir also?
Felbermayr
Feind würde ich nicht sagen. Trump will sich nicht an die Spielregeln halten, aber das bedeutet nicht, dass Amerika unser Feind wäre. Wir werden wohl einen Deal mit ihm machen müssen, der uns nicht in jeder Hinsicht schmecken wird. Es sind unfreundliche Gesten, die da kommen, aber wenn gute Geschäfte in beidseitigem Interesse weiterhin stattfinden, kann man nicht von Feindschaft sprechen. Das würde auch von den wahren Feinden ablenken, die unseren Wohlstand und die europäische Sicherheit sehr konkret bedrohen und sich nicht an einen Verhandlungstisch setzen wollen. Ich habe 2018 erhoben, wie hoch der Zollschutz in den USA und in der EU ist. In der EU sind die Zölle deutlich höher. Trump hat auch recht, wenn er sagt, dass sich die Europäer in der NATO wie Freerider verhalten. Der größte Freerider aller Freerider ist übrigens Österreich. Wir sind rundherum durch NATO-Länder abgesichert. Mich wundert es, dass wir noch nicht in den Fokus des Trump’schen Zorns geraten sind. Und jetzt verweigern wir uns vielleicht sogar noch der gemeinsamen europäischen Luftraumüberwachung (die FPÖ fordert den Ausstieg aus Sky Shield, Anm.)? Die niedrigen Rüstungsausgaben sind seit Jahren ein Thema zwischen den USA und Europa. Das Freihandelsabkommen TTIP wollten wir wegen angeblicher Gefahren durch Chlorhühner nicht, bei Zöllen für Autos und Agrarprodukte sind wir unbeugsam. Und jetzt legt Trump eben die Keule auf den Tisch.
Hätte denn TTIP an der aktuellen Situation irgendetwas geändert?
Felbermayr
Fundamental wahrscheinlich nicht. In Nordamerika gibt es ja ein Freihandelsabkommen mit Mexiko und Kanada. Trotzdem setzt Trump die Zollwaffe ein. Ohne Zugeständnisse hätten die 25 Prozent Zölle die Mexikaner mehr als vier Prozent ihrer Wirtschaftsleistung gekostet. Aber wir haben etwas, worüber sich die USA zu Recht aufregen können – nämlich zehn Prozent Importzölle für US-Autos, die Amerikaner verzollen unsere Autos nur mit 2,5 Prozent.
Freund oder Feind?
"Wir werden wohl einen Deal mit ihm machen müssen, der uns nicht in jeder Hinsicht schmecken wird. Es sind unfreundliche Gesten, die da kommen, aber wenn gute Geschäfte in beidseitigem Interesse weiterhin stattfinden, kann man nicht von Feindschaft sprechen", meint Gabriel Felbermayr.
Er führt immer wieder die negative Leistungsbilanz der USA gegenüber Europa ins Treffen. Und bei der Güterproduktion stimmt das auch, weil wir deutlich mehr in die USA exportieren als umgekehrt. Aber wie sieht der Saldo aus, wenn wir die Dienstleistungen der US-Techriesen einrechnen, oder die Gewinne, die US-Unternehmen hier erwirtschaften?
Felbermayr
In der ersten Amtszeit Trumps war der Saldo der Leistungsbilanz, die eben auch den Dienstleistungshandel und Erträge aus Investitionen einrechnet, für die USA positiv. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Im Jahr 2023 hatten die USA gegenüber Europa ein Defizit von ungefähr 90 Milliarden US-Dollar. Aber auch das ist angesichts der Größe dieser Volkswirtschaften nicht gigantisch. Dass die US-Firmen bei uns aktuell weniger Geschäft machen, ist darauf zurückzuführen, dass Europa ein schwaches Wachstum hat.
Gilt das für alle EU-Länder?
Felbermayr
Wenn man sich die Zahlen im Detail anschaut, sieht man etwa, dass Deutschland 100 Milliarden US-Dollar Überschuss gegenüber den USA hat. Wie kann ein Mitgliedsland mehr Überschuss als die ganze EU haben? Irland hat ein Defizit mit den USA. Die Niederlande auch, und zwar im Ausmaß von 110 Milliarden! Weil dort, etwa an den Frachthäfen, die Güter aufschlagen, die dann in die ganze EU verteilt werden. Oder weil dort die steuerlichen Sitze der US-Konzerne sind. Trump sieht Deutschland besonders kritisch, und er mag Audi und BMW nicht, Mercedes ist ihm egal, weil den fährt er selbst. Aber die Deutschland-Importe aus den USA laufen über die Niederlande. Deshalb sollten wir als Zollunion und als gemeinsamer Wirtschaftsraum aufhören, für jeden Mitgliedstaat eigene bilaterale Zahlen zu melden. Weil sie nicht viel aussagen. Wenn wir als EU einen Handelskrieg führen, sollten wir der Gegenseite auch die Grundlagen des divide et impera – teile und herrsche – entziehen.
Würden Sie das schon einen Handelskrieg nennen?
Felbermayr
Ja. Krieg ist die glaubwürdige Androhung von Gewalt. Der Wirtschaftskrieg ist vielleicht die höhere Zivilisationsform, immerhin gibt es keine Todesopfer. Aber dort wie da tritt ein Aggressor auf und droht mit höchst unangenehmen Konsequenzen, außer man lässt sein Börserl rüberwachsen. Was wir sehen, ist beinharte Erpressung und der Einsatz von blanker Macht.
Was wir sehen, ist beinharte Erpressung und der Einsatz von blanker Macht.
Gabriel Felbermayr
über Trumps Erpressung durch Zölle.
Was ist denn unsere Verhandlungsmasse?
Felbermayr
Die Amerikaner hätten gern, dass wir Zölle reduzieren. Und dass wir in den USA Sojabohnen und Flüssiggas einkaufen statt in Brasilien und Katar. Das war schon der Forderungskatalog vor sieben Jahren. Jetzt hat Trump seine Liste aber erweitert. Jetzt setzt er noch stärker auf den Agrarbereich. Vor sieben Jahren war ihm auch die Digitalwirtschaft egal. Das ist jetzt fundamental anders, weil die Tech-Bosse mit ihm ins Weiße Haus eingezogen sind. Und sie haben schon im Vorfeld massiv gegen die europäische Regulierung, zum Beispiel bei der künstlichen Intelligenz, mobilisiert. Aber weil die Amerikaner hier bei uns sehr viel Geld verdienen, haben wir Europäer auch einen mächtigen Hebel, etwa die Digitalsteuer.
Inwiefern?
Felbermayr
Man könnte die Digitalsteuer, die in manchen EU-Staaten schon existiert, in Österreich etwa, europäisieren, erhöhen und gegenüber den großen Tech-Firmen diskriminierender gestalten. 2018 hat der ehemalige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker noch mit Trump eine schärfere Digitalsteuer, eine „digital sales tax“, wegverhandelt im Abtausch um die Autozölle. Jetzt könnte man das wieder auf den Verhandlungstisch bringen. Aber heute sind wir leider auch sicherheitspolitisch massiv erpressbar, und das wird Trump mit aller Brutalität ausnutzen.
Höhere Zölle bedeuten auch immer eine höhere Inflation und unter Umständen ein geringeres Wachstum. Müssen wir uns wieder auf hohe Inflationsraten, ein noch stärkeres Abwandern der Industrie, auf Arbeitsplatzverlust einstellen?
Felbermayr
Ja. Ein Handelskrieg ist für Europa in der aktuellen konjunkturellen Lage besonders schlecht. In Trumps erster Amtszeit hatte Europa ein vergleichsweise gutes Wachstum. Jetzt sind wir viel verletzlicher. Und Zölle müssen gar nicht kommen, um uns zu schaden. Allein die Androhung führt dazu, dass europäische Unternehmen darüber nachdenken, noch mehr in den USA zu investieren als in Europa. Die Vorzeichen sind klar: Für Europa wird es teurer als für die USA. Aber die Anstiege spielen sich, je nach Szenario und Höhe der Zölle, im Zwei-Drittel- bis Drei-Viertel-Prozentbereich ab. Dass es nicht viel mehr ist, hat mit dem Umlenken von Handelsströmen zu tun. Solange der Konflikt nicht den gesamten Welthandel erfasst, können wir unsere Güter eben verstärkt nach Indien oder Australien exportieren. Aber wenn die Amerikaner die WTO niederbrennen, tauchen auch in anderen Märkten verstärkt Unsicherheiten auf.
Sie beschreiben die WTO, die ja eigentlich für die Einhaltung internationaler Handelsregeln zuständig ist, in Ihrem aktuellen Buch „Der Freihandel hat fertig“ als „hirntot“. Sind wir in der Handelsanarchie angekommen, wenn alle machen, was sie wollen?
Felbermayr
Das kann man so sagen. Die Politikwissenschafter meinen, dass der natürliche Zustand des internationalen Systems die Anarchie ist, weil es keine Weltpolizei gibt. Ab und zu taucht in der Geschichte ein Hegemon auf, eine Großmacht, die quasi als Polizist agiert. Die WTO selbst hat keine Rechtsdurchsetzung. Wenn ein Land vor dem Schiedsgericht verurteilt wird, weil eine Subvention oder ein Zoll gegen internationales Handelsrecht verstößt, dann kann das einfach ignoriert werden, selbst wenn natürlich für das Vergehen Ausgleichszölle verlangt werden. Die WTO war ein geniales Instrument, solange die USA dahintergestanden haben. Wenn man sie jetzt zerstört, ist man wieder bei den Naturgesetzen.
Also bei der Macht des Stärkeren?
Felbermayr
Ja. Das ist nicht schön, aber das passiert, wenn niemand wirksam über die Einhaltung von Regeln wacht.
Machen wir es mal konkreter: Was bedeutet es für eine so kleine und offene Volkswirtschaft wie Österreich, wenn sich die großen Wirtschaftsblöcke USA, China und die EU gegenseitig mit der Zollkeule beflegeln?
Felbermayr
Bad News, das ist nicht gut! Gott sei Dank gibt es die EU. Diese ist unsere beste Versicherung. Wir sollten unbedingt danach trachten, dass unser Heimatmarkt, und das ist nun mal der EU-Binnenmarkt, möglichst gut läuft. Er sollte auch in Richtung Westbalkan wachsen. Außerhalb dieses Binnenmarkts gilt nämlich das Recht des Stärkeren, und wir kleine Österreicher sind selten die Stärkeren. Solche Tendenzen sehen wir auch in der EU. Die Deutschen haben scheinbar null Probleme, wieder eine Grenzmauer aufzuziehen und Schengen außer Kraft zu setzen. Das schadet dem kleinen Österreich mehr als dem großen Deutschland. Ein fragmentiertes, zerstrittenes Europa schadet mit Sicherheit unserer Wirtschaft. 70 Prozent unserer Exporte gehen eben in die EU.
Öffnung oder Abschottung?
Im profil-Interview warnt der Wifo-Chef vor einer Festung Österreich und einer Verzwergung des Landes: "Ich kann etwas mit der Idee einer Festung Europa anfangen. Aber eine Festung Österreich ist in jeder Hinsicht ein Programm zur Verarmung und Verzwergung. Aus einer Verzwergung erwächst weder Sicherheit noch Wohlstand."
Jetzt verhandeln ÖVP und FPÖ ein neues Regierungsprogramm, und es kommen auch Forderungen wie ein Ausstieg aus Sky Shield, ein Ausstieg aus Bologna (einheitlicher europäischer Hochschulraum, Anm.), aus der WHO und einiges mehr, das nach Abschottung und Festung Österreich klingt. Wie beurteilen Sie das?
Felbermayr
Es ist schon müßig, das überhaupt zu kommentieren. Ich kann dem nichts Gutes abgewinnen. Ich kann etwas mit der Idee einer Festung Europa anfangen. Aber eine Festung Österreich ist in jeder Hinsicht ein Programm zur Verarmung und Verzwergung. Aus einer Verzwergung erwächst weder Sicherheit noch Wohlstand.
Der nunmehrige Ex-Kanzler Karl Nehammer hat den Wirtschaftsforschern die Schuld für das hohe Budgetdefizit gegeben. Hat Sie das geärgert?
Felbermayr
Nein. Außerdem hat der Kanzler einen sehr angesehenen Wirtschaftsforscher in der eigenen Regierung als Wirtschaftsminister gehabt. Es ist schon richtig, dass wir in den letzten zwei Jahren unsere Prognosen laufend zurückgenommen haben. Aber wir machen keine Budgets. Wir liefern die Daten, und wir haben ausdrücklich vor Risiken gewarnt. Und wenn man ein Budget ohne Sicherheitspolster plant, liegt das schon in der eigenen Verantwortung der Regierung.
Ich bin für eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten. Wenn man aber gleichzeitig sagt, es darf nirgendwo eine Steuererhöhung geben, dann wird das Projekt an der Gegenfinanzierung scheitern.
Gabriel Felbermayr
Ganz unabhängig davon, wer uns bald regiert: Sparen müssen wir sowieso, allein heuer über sechs Milliarden. Sie haben kürzlich davor gewarnt, das nur einnahmenseitig zu tun. Wo sehen Sie Konsolidierungspotenziale?
Felbermayr
Die Debatte über Einnahmenseite versus Ausgabenseite ist reine Semantik. Fakt ist, egal wie man spart, man entzieht dem volkswirtschaftlichen Kreislauf Geld; kurzfristig sechseinhalb Milliarden, langfristig 18 Milliarden. Wir wissen aus der Literatur, dass Konsolidierungen, die nur auf eine einzige Karte setzen, selten erfolgreich sind. Wenn man sagt, es wird nur gekürzt und nichts eingesammelt, auch nicht dort, wo der Schaden durch höhere Belastung klein wäre, ist das politische Verständnis für Einschnitte nicht sehr groß. Daher werbe ich dafür, das Budget nicht nur auf Kosten der Einkommensschwächsten zu sanieren. Gleichzeitig stimmt schon: Die Abgabenlast ist in Österreich zu hoch. Aber wer jede Steuererhöhung ablehnt, verunmöglicht wichtige Strukturreformen. Ich bin für eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten. Wenn man aber gleichzeitig sagt, es darf nirgendwo eine Steuererhöhung geben, dann wird das Projekt an der Gegenfinanzierung scheitern.
Wo sind denn die Steuern zu niedrig?
Felbermayr
Bei vielen Dingen, die schädlich sind. Man könnte die klimaschädlichen Subventionen streichen, das Diesel-Privileg kippen, die Mineralölsteuer sollte inflationsindexiert sein. Außerdem sollten wir uns über eine Reform der Besteuerung von Grund und Boden Gedanken machen. Aber all das mit dem Ziel, andere – volkswirtschaftlich schädlichere – Steuern zu senken. Wenn wir schon ein Budget konsolidieren müssen, dann sollten wir am Ende des Tages mit einem besseren Steuersystem dastehen. Deutschland hat während Angela Merkels erster Amtszeit die Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte erhöht und dadurch die Lohnnebenkosten reduziert. Das hat Deutschland zehn gute Jahre beschert. Das ist aktuell kein gutes Rezept für uns. Aber die österreichische Debatte wird zurzeit zu dogmatisch geführt.
Wir haben mit einem Lied begonnen, also beenden wir das Gespräch doch auch mit einem. Ihr Soundtrack für 2025?
Felbermayr
Mit Blick aufs Weiße Haus drängt sich natürlich Falco auf: „Die ganze Welt dreht sich um mich, denn ich bin nur ein Egoist.“
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Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".