Gutes Geld

Gamestop-Aktie: Stoppt das Spiel!

Wie sich Millionen Kleinanleger im Internet verabredeten, um den Casino-Kapitalismus mit seinen eigenen Waffen zu schlagen.

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Erinnert sich noch jemand? Nach der internationalen Bankenkrise 2007 machten sich in New York junge Leute daran, mittels Druck auf der Straße für strenge Reformen von Großbanken und fragwürdigen Börsengeschäften zu kämpfen. Sie gründeten die Bewegung Occupy Wall Street und besetzten einen Park in Manhattan. Heute ist die Initiative längst graue Vergangenheit, ohne dass nennenswerte Reformen stattgefunden hätten. Doch was sich seit einigen Tagen in den USA abspielt, darf durchaus als eine Art Neuauflage von Occupy Wall Street gelten. Wenn auch auf völlig andere Weise.

Spontan hat sich ein Aufstand junger Menschen entwickelt. Sie kämpfen gegen jene Wall-Street-Eliten, die mit Wettgeschäften Milliarden scheffeln, ohne dass dabei etwas von Wert entstehen würde. Doch diesmal gehen die Millennials nicht demonstrieren, sondern schlagen die Börsen-Magnaten mit ihren eigenen Waffen: mittels Anlagegeschäften im Internet.

Konkret geht es um Wertpapiere von Unternehmen, die ihre besten Tage hinter sich haben. Da wären beispielsweise der Telekommunikationskonzern Nokia, das Smartphone-Unternehmen Blackberry und vor allem GameStop, eine angejahrte US-Handelskette für Videospiele. Die Aktien solcher Unternehmen sind bevorzugt Objekt sogenannten Shortsellings, einer Praxis, wie sie häufig von großen Hedgefonds angewandt wird. Dabei wetten sie gewissermaßen auf fallende Kurse. Shortselling geht oft - auch wenn das illegale Marktmanipulation darstellt - mit gezieltem Schlechtreden der Unternehmen einher, zum Beispiel, indem man in Internet-Foren und willfährigen Medien Gerüchte über eine bevorstehende Pleite streut.

Das Motiv dahinter: Je mehr Anleger infolge schlechter Presse ihre Aktien verkaufen, desto weiter sackt der Kurs ab. Desto mehr lukriert am Ende der Shortseller. An dieser Stelle der Geschichte kommen Millionen junger, onlineaffiner Hobby-Anleger ins Spiel. Im Forum "wallstreetbets" des sozialen Netzwerks Reddit tauschen sie sich regelmäßig über Anleger-Themen aus. Dabei war ihnen aufgefallen, dass US-Hedgefonds über enorme Mengen an Short-Positionen verfügen. Mitunter handelt es sich gar um einen Großteil des Aktienbestands. Das New Yorker Investmenthaus Melvin Capital etwa wettete darauf, dass die Kurse von GameStop fallen werden.


In den vergangenen Wochen schließlich machten die User Stimmung dafür, Aktien von GameStop und anderer Unternehmen zu erwerben. Wenn nämlich deren Kurse steigen, verlieren die "Suits" (die "Anzüge", wie die Reddit-Nutzer die Hedgefonds-Manager nennen) ihre Wetten. Außerdem kommt die Aktion (sehr mittelbar) Unternehmen zugute, zu denen viele der jungen Online-Aktivisten eine romantisch-nostalgische Beziehung pflegen.

Keiner der Kleinanleger hatte viel Geld zum Investieren. Doch dass im Reddit-Forum mehr als drei Millionen Menschen versammelt sind, wirkte sich letztlich massiv aus. Viele zogen mit. Die Kurse der Unternehmen schossen in die Höhe. Die Aktie von GameStop legte einen Wertzuwachs hin, wie er laut der Nachrichtenagentur Bloomberg seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr stattgefunden hat. Vor wenigen Tagen noch lag der Wert einer GameStop-Aktie bei 18 US-Dollar; vergangene Woche hob er bis 350 Dollar ab. Ebenso erfreute sich etwa Blackberry enormer Kursgewinne. Und die Hedgefonds? Melvin Capital etwa verlor beinahe drei Milliarden Dollar, weil die Wette auf fallende Kurse nicht aufgegangen war und man sich derart übermäßig mit Short-Positionen eingedeckt hatte.

Die jungen Leute haben mit ihrer Aktion übrigens ihrerseits eine Aktien-Blase konstruiert. Manche von ihnen sind reich geworden. Viele andere jedoch - vor allem Späteinsteiger - werden Geld verlieren, sobald die Kurse wieder auf normales Niveau sinken. Tatsächlich stürzte der Kurs von GameStop Ende vergangener Woche wieder auf knapp 200 Dollar ab, ehe er erneut abhob. Der Handel wurde teilweise ausgesetzt.

Trotz alledem: Nie zuvor konnte eine Graswurzel-Initiative einigen der mächtigsten Akteure der Wall Street zwei blaue Augen verpassen. Nicht einmal Occupy Wall Street.