Gaskonferenz: Klimaschutz als Überlebensfrage
Am zweiten Tag der Gaskonferenz war Greenpeace vor den meisten Konferenzteilnehmern da. Ein riesiges Banner mit „End Fossil Crimes“ prangte am Eingang des Wiener Marriotts, links und rechts hangen zwei Aktivisten am Seil. Wie am Vortag war das Hotel großräumig abgesperrt und viele Polizisten vor Ort. Die betrachteten allerdings in Ruhe das Banner, die Demonstrantinnen und Demonstranten waren währenddessen gute 15 Kilometer weiter weg und blockierten die OMV-Raffinerie in Schwechat.
Doch auch bei der Gaskonferenz ging es um Klimaschutz. Eine der wenigen Frauen auf der Konferenz meinte bei Kaffee und Kuchen, sie sei überrascht, wie viel über das Thema gesprochen werde: „Sogar die älteren Herren nehmen es ernst.“
Ein paradoxer Erfolg der Klimapolitik
Klimaschutz wird nämlich auch hier als Überlebensfrage gesehen – wenn auch anders als bei den Protestierenden. Wenn die EU-Staaten bis 2030 ihre Treibhausgasemissionen tatsächlich halbieren und bis 2050 wirklich klimaneutral werden, hat das gravierende Folgen für die anwesenden Unternehmen. Denn Gas ist zwar sauberer als Kohle, aber keine erneuerbare Energie. Es geht daher um die Zukunft von Pipelines, Unternehmen und Geschäftsmodellen. Im Gegensatz zur Goldgräberstimmung vom ersten Tag beim Ausbau der LNG-Kapazitäten, ging es am zweiten Tag kaum mehr um Versorgungssicherheit, sondern wie wird der Energiemix in der EU in ein paar Jahren ausschauen? Wird Gas überhaupt noch dabei sein?
Es mag nach all der Kritik paradox wirken, aber selten schien mir EU-weite Klimapolitik so erfolgreich wie auf dieser Konferenz. Denn kaum jemand würde hier aus Überzeugung das Geschäftsmodell umstellen, durch EU-weite Vorgaben, Grenzwerte, Richtlinien müssen sich Unternehmen aber an neue Rahmenbedingungen anpassen und danach ausrichten. Viele der anwesenden Unternehmen sind bereits jetzt nicht nur im Gasbusiness aktiv. Etwa der deutsche Energieriese RWE handelt mit Gas, produziert viel kritisieren Kohlestrom genauso wie Windenergie.
Mehrheit sieht 2035 Gas als Notlösung
Es wäre naiv zu glauben, dass nicht die Limits, Lücken und Möglichkeiten innerhalb der EU-weiten Regeln ausgelotet werden. Oder in Ländern des globalen Südens weiter wie bisher gemacht wird. Oder dass, wie etwa beim Verbrenner-Aus in letzter Sekunde noch gegen eine Einigung angekämpft wird. Eine (rhetorische) Verteidigungslinie ist etwa, dass Gas eine Übergangslösung zwischen Kohle und erneuerbaren Energien sei. Klimatechnisch ist Gas zwar besser als Kohle, die Frage, die Klimaaktivisten berechtigterweise stellen, ist warum man in eine Übergangslösung investiert und nicht gleich in Wind, Solar und Wasser?
Zurück zur Wiener Konferenz: Hier konnten die Konferenzteilnehmer bei einer Diskussion abstimmen – welche Rolle wird Gas ab 2035 in einem postfossilen Europa spielen? Zwei Prozent sagten gar keine mehr, 81 Prozent sehen Gas nur mehr als Sicherheit (back-up) für erneuerbare Energien. Eine Zukunftshoffnung der Branche ist dafür Wasserstoff – darum geht es am heutigen Konferenztag.
Einen feinen Mittwoch wünscht
Clara Peterlik