Sportwetten

Gefährliches Spiel: Die Tricks der Wettanbieter

Während der EURO 2024 buhlen die Sportwetten-Konzerne mit Gratistipps, Einzahlungsboni und hohen Quoten um neue Kunden. Ein Blick ins Kleingedruckte zeigt: Die Lockangebote halten selten, was sie versprechen.

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Wer sich nur ein bisschen für die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland interessiert, kann sich den aggressiven Lockangeboten der großen Sportwettenanbieter kaum entziehen. Ob auf den Bannern im Stadion, im TV oder in den Social Media – die Verführungen lauern überall.

Die Werbeversprechen wirken so, als ließe sich mit Wetten schnell viel Geld verdienen. Genau das wollen die Anbieter erreichen: Sie stellen ihren potenziellen Kunden hohe Gewinne in Aussicht, obwohl die ausgefuchsten Wettbestimmungen und die Gesetze der Mathematik dagegensprechen.

Der einst in Österreich gegründete Anbieter bwin warb diese Woche etwa mit einer Zehner-Quote für eine Wette auf den Sieg Deutschlands gegen Ungarn. Ist es wirklich möglich, aus zehn Euro hundert Euro zu machen – mit einem Tipp auf den klaren Favoriten? Man ahnt es schon: Die Sache hat natürlich einen Haken.

Eine Analyse der Teilnahmebedingungen der gängigsten Lockangebote zeigt: Die Wahrscheinlichkeit, mit Quoten-Boosts, Einzahlungsboni und Gratistipps tatsächlich Gewinne zu machen, ist äußerst gering. Denn die Wettanbieter wenden zahlreiche Tricks an. Ein Überblick.

Trick 1: Wir schenken dir einen Einzahlungsbonus

Der Anbieter bet-at-home lockt Neukunden mit einem Einzahlungsbonus von bis zu 300 Euro – dafür müssen Spieler zuvor insgesamt 500 Euro in ihr Wettkonto hochladen.

Wer glaubt, er könne mit dem Bonus von 300 Euro eine sichere Wette platzieren und sich dann den Gewinn auszahlen lassen, irrt. 

In den Teilnahmebedingungen von bet-at-home steht zu lesen: „Einbezahlter Betrag und Bonus müssen innerhalb von 60 Tagen 5x zu einer Mindestquote von je 1.70 eingesetzt werden, ehe eine Auszahlung möglich ist.“

Das heißt: Der Spieler muss mit dem vollen Einzahlungsbonus und dem eigens investierten Geld – in Summe bis zu 800 Euro – fünf Mal hintereinander eine Wette platzieren.

Die Kunden hoffen auf Glück. Der Anbieter braucht nicht zu hoffen. Die Wahrscheinlichkeiten sind auf seiner Seite: Nach fünf Wetten mit einer Quote von 1,70 werden im Schnitt nur sieben von 100 Spielern noch Geld übrighaben. Der Rest geht leer aus. Für viele Spieler beginnt an dieser Stelle eine verhängnisvolle Spirale nach unten: Beim Versuch, das verlorene Geld zurückzugewinnen, fahren sie immer größere Verluste ein.

Trick 2: Wir vervielfachen die Quote

„Quoten-Boost“ nennen mehrere Anbieter eines ihrer Lockangebote, das nur für neue Kunden gilt. Wer den Werbebanner auf Facebook oder Instagram anklickt und sich sofort registriert, kann bei ausgewählten Wetten deutlich höhere Quoten bekommen als dies normalerweise üblich wäre. Am Mittwoch bot bwin wie erwähnt beim Spiel Deutschland gegen Ungarn eine Zehner-Quote für den Sieg des Favoriten an – obwohl die Quote für Bestandskunden nur mickrige 1,27 ausmachte.

Die Teilnahmebedingungen muss man auf der Website länger suchen. Der Teufel liegt im Detail: Der maximale Einsatz darf nur zehn Euro betragen. Bei einem Sieg Deutschlands bekommt der Spieler aber nicht 100 Euro auf sein Konto aufgebucht, sondern nur 12,70 Euro (entsprechend der Quote für Bestandskunden) in Echtgeld. Der Restbetrag auf die 100 Euro, also 87,30 Euro, bekommt der Spieler in Form einer sogenannten „FreeBet“ gutgeschrieben. Dieses Geld kann sich der Spieler nicht auszahlen lassen, sondern muss damit neuerlich eine Wette platzieren. Er muss den gesamten Betrag einsetzen und darf ihn nicht aufsplitten. Gewinnt der Spieler auch die zweite Wette, wird der Betrag der eingesetzten „FreeBet“ vom Gewinn abgezogen. Ein Beispiel zur Erklärung: Setzt der Spieler die 87,30 Euro auf ein Ergebnis mit der Quote von 1,50, so kommt folgende Rechnung zur Anwendung: 87,30 mal 1,50 minus 87,30. Ergibt: 43,75 Euro.

Das Regulativ der „FreeBet“ verleitet Spieler dazu, auf höhere Quoten – also tendenziell unwahrscheinlichere Ergebnisse – zu wetten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spieler beide Wetten gewinnt, hängt stark davon ab, zu welchen Quoten die zwei Wetten platziert werden. Sie kann aber leicht unter 50 Prozent liegen. Und selbst wenn der Spieler beide Wetten hintereinander gewinnt, wird er am Ende in Summe weniger Geld gewinnen, als die Zehner-Quote in der Werbeanzeige ihn glauben machte.

Trick 3: Wir vertrauen dir – solange du zahlst

„Ich bin 18 Jahre alt“ – ein Klick auf diesen Button genügt den meisten Sportwettenanbietern. Die Registrierung ist bewusst einfach gestaltet, Kunden können sofort Geld auf ihr Wettkonto einzahlen, ohne dass sie einen Altersnachweis oder eine Bonitätsauskunft liefern müssen.

Will sich ein Spieler allerdings Geld auszahlen lassen, werden die Wettanbieter plötzlich peinlich genau: Sie verlangen einen Personalausweis oder einen Reisepass und einen Beleg für die Wohnanschrift. Wenn die übermittelten Daten von den Angaben beim Registrierungsprozess abweichen, behalten sich die Anbieter vor, das Geld nicht auszubezahlen.

Das heißt: Spieler – theoretisch auch Minderjährige – können problemlos so viel Geld verspielen, wie sie möchten. Wenn sie allerdings auf „Auszahlen“ klicken, werden die Anbieter streng.

Für potenzielle Spieler empfiehlt sich daher, die Nachweise gleich nach der Anmeldung hochzuladen und auf eine Bestätigung des Anbieters zu warten, um allfällige Probleme bei der Auszahlung zu vermeiden.

Trick 4: Hier bitte, eine Gratis-Wette

Im Gespräch mit profil verrät ein Wettbereiter, dass die Neukundenaktionen im Zuge der EURO 2024 darauf abzielen, die Spieler langfristig zu binden. Denn lukrativ seien für die Betreiber vor allem Kunden, die das ganze Jahr über – etwa während einer Bundesliga-Saison – Wetten platzieren.

Um die Kunden bei Laune zu halten, haben sich die meisten Anbieter auch Angebote für Bestandskunden überlegt. Immer wieder spendieren sie ihnen eine Gratiswette. Für sogenannte „Highroller“, also Spieler, die regelmäßig Beträge von 1000 Euro oder mehr platzieren, setzen die Anbieter auf perfide Methoden: Sie stellen „VIP-Betreuer“ dafür ab, die Kunden über WhatsApp, telefonisch und per Mail zu bombardieren. Immer dann, wenn ein „Highroller“ die Lust am Spiel zu verlieren scheint, locken sie ihn mit neuen Gratisguthaben von mehreren hundert Euro – oder laden die umsatzstarken Spieler sogar zu Spielen der Champions League ein. 

Ein Ausstieg aus dem Spiel mit hohem Suchtpotenzial wird dadurch erschwert. Mit purer Absicht.

Trick 5: Sofort!

Wettanbieter wissen, wie sie psychologische Prinzipien für ihre Zwecke nutzen. Mit kurzfristigen Angeboten erzeugen sie ein Gefühl der Dringlichkeit, das ihre Kunden dazu bringt, schnell zu handeln, um das Angebot nicht zu verpassen. Dazu setzen sie gezielt visuelle Effekte und Sounds in ihren Apps ein, um die Erregung und das Engagement der Spieler zu erhöhen.

Die Angebote ermutigen oft zu impulsivem und unüberlegtem Spielen, ohne ausreichende Warnungen vor den Risiken.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv. Derzeit in Karenz.