Geldwäsche: Die Regeln werden immer strenger, doch das Problem bleibt

Geldwäsche: Die Regeln werden immer strenger, doch das Problem bleibt

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Dieser Artikel ist Teil eines länderübergreifenden Rechercheprojekts, dessen Ergebnisse erst nach Drucklegung dieser Ausgabe öffentlich zugänglich gemacht werden. Auf Grundlage eines Datenlecks bei einer Privatbank in Osteuropa ist es einem internationalen Journalisten-Kollektiv rund um das Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) gelungen, Einblick in ein global operierendes Schattenfinanzsystem zu erhalten, das bis nach Wien reichte.

Aus Österreich waren profil und die Investigativ-Plattform "Addendum" beteiligt. Die Recherchen werden am 4. März 2019,16:00 Uhr, international abgestimmt veröffentlicht und auf profil.at zur Verfügung gestellt. Doch zunächst Grundsätzliches zum Thema:

GELDWÄSCHE, WAS IST DAS EIGENTLICH?

"Ich bin im Wäscherei-Business tätig", erklärte Al Capone bei seinem Prozess im Jahr 1931. Kaum eine schwere Straftat, die man dem legendären Chicagoer Gangsterboss nicht anlastete: illegales Glücksspiel, Schutzgelderpressung, illegalen Alkoholhandel, Prostitution, Morde. Vor Gericht stand Capone dann aber wegen einer vergleichsweise harmlosen Causa: Steuerhinterziehung in Höhe von 200.000 Dollar. Tatsächlich hatte sich Capone eine wachsende und florierende Kette von Waschsalons zusammengekauft. Damit versuchte er, die Herkunft seines durch illegale Betätigungen erworbenen Vermögens zu verschleiern. Wegen des Steuerdelikts wurde er zu elf Jahren Haft verurteilt. Für die Mafia und andere kriminelle Organisationen war damit klar: Das Interesse der Ermittler gilt nicht mehr nur ihren Taten, sondern auch ihren Finanzen. Sie benötigten fortan Erklärungen für die Unsummen, über die sie verfügten, und mussten dem illegalen Geld einen legalen Anschein geben. Geldwäsche bedeutet nichts anderes, als dass man Geld aus einer kriminellen Quelle in den legalen Wirtschaftskreislauf einspeist. Ob es nun aus einem Banküberfall, aus Drogen-oder Menschenhandel oder einem Korruptionsfall stammt -es will geweißt werden.

UND WIE GEHT DAS?

Erstens: Einspeisung. Zweitens: Verschleierung. Drittens: Integration. Diese drei Phasen des Geldwäscheprozesses unterscheidet UNODC, das Büro der Vereinten Nationen für Drogen-und Verbrechensbekämpfung. Zuerst geht es also darum, inkriminiertes, aus unterschiedlichen Vortaten stammendes (Bar-)Geld zu Buchgeld zu machen oder damit kurzfristig liquide Vermögenswerte wie etwa Schmuck, Unterhaltungselektronik oder Kunst zu erwerben. Im zweiten Schritt wird die Herkunft dieser Vermögenswerte verschleiert. Das Geld wird in einer Vielzahl von Transaktionen hin und her geschoben, um Spuren zu verwischen. Das ist der eigentliche Waschgang. Je häufiger dies geschieht, umso weniger nachvollziehbar wird die kriminelle Geldquelle. Nachdem die Herkunft des Geldes nicht mehr eruierbar ist, wird das nunmehr saubere Geld für rechtmäßige Geschäfte verwendet.

KONKRETER, BITTE!

Das Spektrum ist breit. Es beginnt beim Bankräuber, der das erbeutete Geld etwa für den Einkauf von Elektronikartikel verwendet und später von seinem Umtauschrecht Gebrauch macht. Das erstattete Geld ist somit sauber. Es gibt aber auch viel komplexere Formen, die mit internationaler Wirtschaftskriminalität in Zusammenhang stehen. In vielen Fällen der Vergangenheit handelte es sich um sogenannte Back-to-back-Treuhandgeschäfte. Dabei werden Kredite gewährt, denen Sicherheiten in Form von Kontoeinlagen gleicher Höhe gegenüberstehen, wobei Kreditnehmer und Kontoinhaber nicht notwendigerweise ident sind. Die Bank fungiert -gegen Provision -als Vermittlerin, ohne dabei ein Risiko einzugehen. Das Prinzip ist dem Grunde nach legal, gilt aber als modus operandi, um Gelder zweifelhafter Provenienz zu weißen. Denn so lassen sich schattige Vermögen in unverdächtige Bankkredite umwandeln (die nie zurückgezahlt werden).

UND WAS WIRD DAGEGEN UNTERNOMMEN?

Sagen wir so: Es muss erst etwas passieren, damit etwas passiert. Zwei wichtige Treiber für den Kampf gegen Geldwäsche waren die Anschläge vom 11. September 2001 und die Finanzkrise seit 2008. Nach 9/11 erzwangen vor allem die USA - teils mit Druck auf andere Staaten -ein internationales Anti-Geldwäsche-Regime, um Terrorfinanzierung einen Riegel vorzuschieben. Staaten mussten neue Gesetze einführen, sonst drohten Handelssanktionen. Bereits im Jahr 1989 war als Unterorganisation der OECD in Paris die "Arbeitsgruppe für finanzielle Maßnahmen gegen Geldwäsche" (FATF) gegründet worden, die sämtliche internationale Maßnahmen koordinierte. Die Empfehlungen der FATF bilden für die meisten Mitgliedsländer die Grundlage für nationale Gesetze. Innerhalb der EU ist mittlerweile die fünfte Geldwäscherichtlinie in Umsetzung. Auch Enthüllungen wie "Panama Papers" und "Paradise Papers" schlugen sich in strengeren Regeln nieder.

WIE WAR ES VORHER?

Vor 9/11 und Finanzkrise herrschte Wildwuchs in Sachen Geldwäschebekämpfung. Zwar galt sie, etwa in Österreich, als Straftat -aber es gab keine staatliche Stelle, die für den Kampf gegen Geldwäsche verantwortlich gewesen wäre. Mit wenig Aufwand konnten sich die Eigentümer fragwürdiger Vermögen hinter Treuhändern verstecken -die Chance, jemals herauszufinden, wer wirklich hinter Unternehmensbeteiligungen oder Immobilienbesitz steht, ging gegen null. Banken und Vermögensverwalter kannten ihre Kunden mitunter nicht einmal mit Namen, das lange Zeit blickdichte Bankgeheimnis tat sein Übriges. In der öffentlichen Debatte war das Thema Geldwäsche quasi inexistent.

UND HEUTE?

Zweifellos hat sich etwas getan. Für Banken und andere Berufsgruppen in der EU -vom Rechtsanwalt bis zum Versicherungsmakler - ist heute das Prinzip "Know Your Customer" gesetzlich festgeschrieben. Das bedeutet, sie müssen Informationen über ihre Kunden einholen, bevor sie Geschäfte mit ihnen tätigen. Besonders streng sind die Transparenzvorgaben, wenn es sich um "politisch exponierte Personen" (PEPs) handelt, also solche im politischen Umfeld. Auch bei Geschäften mit Bargeld herrscht Vorsicht: Barzahlungen ab 10.000 Euro darf nur noch tätigen, wer einen Ausweis vorlegt. Treuhandverhältnisse müssen ab bestimmten Schwellenwerten gegenüber den Behörden offengelegt werden. Und: Die Zuständigkeiten und Befugnisse von Behörden, die gegen Geldwäsche kämpfen, etwa der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA), wurden genauer definiert und zugleich ausgeweitet.

WIE VIELE GELDWÄSCHEFÄLLE GIBT ES EIGENTLICH IN ÖSTERREICH?

Die Geldwäschemeldestelle des Bundeskriminalamts (Financial Intelligence Unit, FIU) registrierte im Jahr 2017 3058 Verdachtsmeldungen. Zum allergrößten Teil kamen sie von Banken. 2309 der Meldungen mündeten in weiteren Ermittlungen. Viel Arbeit also für die FIU, die laut BKA-Sprecher Vincenz Kriegs-Au derzeit mit lediglich 13 Mitarbeitern auskommen muss. Man rechne aber mit mehr Personal. Immerhin 53 rechtskräftige Verurteilungen wegen Geldwäscherei sprachen Österreichs Gerichte zudem 2017 aus. Tendenz all dessen: steigend.

ES WIRD ALSO HINGESCHAUT, UND DIE REGELN SIND AUCH STRENGER. IST DOCH GUT!

Es klingt leider viel besser, als es ist. Die Universitätsprofessorin Brigitte Unger -eine Österreicherin, die an der niederländischen Universität Utrecht zum Thema Geldwäsche forscht -geht davon aus, dass das weltweite Volumen an Geldwäsche trotz aller Bemühungen nicht gesunken ist. Es habe lediglich Verschiebungen gegeben. "Beispielsweise verliert die Geldwäsche im Zusammenhang mit Drogendelikten an Bedeutung, während sie bei Betrugsdelikten steigt. Außerdem deutet vieles darauf hin, dass die Geldwäsche im traditionellen Bankensektor weniger wird, während die sogenannten Schattenbanken und der Immobiliensektor an Bedeutung gewinnen." Insgesamt, so Unger, sei die bisherige Geldwäschebekämpfung "kein Bombenerfolg".

WARUM NICHT, BEI ALL DEN MASSNAHMEN?

Etwa, weil die Geldwäschebekämpfung häufig an der eigenen Grenze endet. Vor allem wenn es sich um großangelegte internationale Wirtschaftskriminalität handelt, versanden Ermittlungen häufig ergebnislos, weil Staatsanwälte mehrerer Länder nicht ausreichend kooperieren. Auch sind viele Details der Anti-Geldwäsche-Regeln von Staat zu Staat unterschiedlich.

WÄRE ES NICHT KLUG, EINE STARKE ANTI-GELDWÄSCHE-EINHEIT AUF EBENE DER GESAMTEN EU ZU GRÜNDEN?

Absolut! Tatsächlich plant die EU-Kommission derzeit, die Europäische Bankenaufsicht (EBA) mit EU-weiten Kompetenzen auszustatten. Langfristig soll eine einzige starke EU-Behörde für die Angelegenheit verantwortlich sein. Aber der Weg ist weit. Bislang gibt es nur vage Bekenntnisse der Mitgliedsstaaten für eine bessere Zusammenarbeit. Sie schaffen es nicht einmal, sich auf eine schwarze Liste jener 23 Staaten und Gebiete zu einigen, welche die EU-Kommission "mit hohem Risiko" für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung einschätzt. Das zeigte eine Probeabstimmung vergangene Woche. Das Problem erinnert an das vieldiskutierte Thema der Steuervermeidung durch Konzerne: Jedes Land kocht sein eigenes Süppchen. Das ist problematisch, weil gewisse Staaten gern als Einfallstore für fragwürdige Gelder nach Europa dienen. Haben die Gelder einmal die Prüfung in jenem Land überstanden, in dem sie erstmals die EU erreichten, können sie relativ frei in der Union zirkulieren. Dieses System bedingt, dass die Erstprüfung sorgfältig erfolgt -und genau hier tun sich Mängel auf. Vor einem Jahr beispielsweise geriet der amtierende Zentralbankchef Lettlands unter Korruptionsverdacht. Der Mann soll Schmiergeld verlangt haben, um Geldwäscheermittlungen zurückzuhalten. Ausgerechnet Lettland gilt als Drehkreuz für russisches Schwarzgeld, das in Europa gewaschen wird.

WAS KONKRET TUT ÖSTERREICH IM KAMPF GEGEN GELDWÄSCHE?

In den vergangenen Jahren galt Österreich zumeist als Nachzügler. Mehr Transparenz bei Bankkonten etwa wurde hierzulande erst spät eingeführt -und erst auf Druck aus Brüssel. "Gemeinsam mit Luxemburg hat Österreich in der EU einen schlechten Ruf in Sachen Geldwäschebekämpfung", so Expertin Unger. Der letzte Geldwäsche-Länderbericht der FATF zu Österreich 2016 fiel kritisch aus: So falle die Beweisführung bei Ermittlungen zu schwer, und die Aufklärung komplexer Fälle müsse reformiert werden. "Dieser FATF-Bericht kam zu einem Zeitpunkt, als Österreich gerade mitten im Reformprozess war. Er konnte die jüngsten Verbesserungen deshalb nicht berücksichtigen", hält Stefan Wieser dagegen, Geldwäsche-Experte im heimischen Finanzministerium . Wieser verweist darauf, dass das schlechte Zeugnis von damals in mittlerweile zwölf Punkten revidiert sei. Allerdings erwog im Sommer 2018 die schwarz-blaue Regierung auch noch, die Berufsgruppe der Immobilienmakler von bestimmten Anti-Geldwäsche-Vorsorgepflichten, zum Beispiel Schulungen, auszunehmen (profil berichtete). Der Grund für die geplante Ausnahme ist bis heute nicht klar; das Vorhaben liegt derzeit auf Eis. Fest steht jedenfalls: Gerade in Österreich wäre höchste Umsicht in Geldwäsche-Fragen vonnöten. Das Land ist als Brückenkopf zwischen West-und Osteuropa stark betroffen. Viel Geld aus Staaten wie Russland und Ukraine fließt nach und über Wien.

WARUM IST DAS PROBLEMATISCH?

Bei den Staaten der ehemaligen Sowjetunion hanPrivatisierungen und Diebstähle öffentlichen Eigentums durch organisierte Kriminelle -also jede Menge Geld zum Waschen. Bis heute befinden sich delt es sich um Transformationsgesellschaften. In den vergangenen Jahrzehnten gab es fragwürdige etwa in Wladimir Putins Russland ganze 52 Prozent der Privatvermögen nicht im eigenen Land, sondern sind offshore versteckt, errechnete der französische Ökonom Gabriel Zucman. Die Eliten bringen ihr -mitunter kriminell erworbenes -Geld in sichere Häfen im Westen. Aus der beispiellosen Kapitalflucht resultiert, dass die innenpolitische Entwicklung die Reichen im eigenen Land weniger betrifft: Sie haben ja ihre Schäfchen bereits im Trocknen. Das betoniert die Machtposition der Herrschenden und schadet Demokratie und Rechtsstaat. Umgekehrt ist es auch für den Westen nicht die reine Wonne, als Hafen für schmutziges Geld zu dienen. In manchen Städten, beispielsweise in London, schießen die Wohnkosten hoch, weil mit Offshore-Kapital massiv Immobilien gekauft werden. Zudem bilden sich fragwürdige Branchen von Helfershelfern heraus, ob spezialisierte Anwälte oder Anbieter von Scheinfirmen, die den Oligarchen beim Verstecken ihres Geldes zur Hand gehen.

EIN PROBLEM, DAS AUCH ÖSTERREICH BETRIFFT?

Definitiv, vor allem aufgrund besagter Brückenkopffunktion. Zahlreiche Geschäftsleute aus dem Osten, oft mit Polit-Konnex, halten hierzulande Bankkonten, Unternehmensbeteiligungen und Immobilien. Wie mit den daraus resultierenden Gefahren der Geldwäsche umzugehen ist, dafür gibt es keinen Generalplan vonseiten heimischer Politiker und Behörden. Man begnügt sich mit Einzelmaßnahmen. Im Zuge der Affäre um die "Panama Papers" 2016 etwa sprach die FMA mehrere Strafen wegen Verstößen gegen Geldwäsche-Bestimmungen in Bezug auf Ost-Geschäfte aus. Dazu ermittelt in mehreren Causen die Staatsanwaltschaft: Das Spektrum reicht von umstrittenen Ost-Geschäften der Meinl Bank bis zu möglichen Malversationen rund um den in Wien lebenden ukrainischen Oligarchen Dmytro Firtasch.

WAS BRÄUCHTE ES?

Geldwäsche-Expertin Unger plädiert für ein lückenloses und möglichst öffentlich einsehbares Verzeichnis über die Eigentümer von Unternehmen - und zwar europa-, wenn nicht weltweit. "Man muss wissen, wem welches Unternehmen -und letztlich Geld - an welchem Ort gehört." In den derzeitigen Regeln -konkret der Pflicht zur Offenlegung des wirtschaftlichen Eigentümers unter bestimmten Bedingungen - klaffen noch gewaltige Schlupflöcher, so Unger. Beispielsweise müssen Unternehmensanteile unter 25 Prozent gar nicht erst offengelegt werden. Außerdem können Geldwäscher leicht die Offenlegungspflichten umgehen, wenn sie sich hinter Briefkastenfirmenkonstruktionen in mehreren Staaten verstecken.