Glücksritter auf der Suche nach Rendite rund um Signa-Pleite
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Wer heute einen Schuldschein, also eine Anleihe der mittlerweile insolventen Signa Development, um 9000 Euro kauft, hält bildlich gesprochen eine Forderung von 100.000 Euro in der Hand. Seit die Signa-Gruppe ins Wanken geraten ist, ist auf den Anleihenmärkten das große Wetten ausgebrochen, ob und zu welchem Preis sich die Signa-Schuldscheine noch zu Geld machen lassen.
„Beobachtet man die Kursentwicklung der Anleihe der Signa Development, kriegt man einen guten Eindruck, wie nervös Eigenkapital- und Fremdkapitalgeber momentan sein müssen, wenn es um die Beurteilung der Werthaltigkeit der Immobilienprojekte geht“, sagt Gerald Zmuegg vom Finanzombudsteam. Konkret geht es um eine 300 Millionen Euro schwere Anleihe der Signa Development Finance, die eigentlich erst 2026 zur Rückzahlung fällig ist, samt 5,5 Prozent Zinsen. Unter den Anleihezeichnern finden sich laut Daten des Finanz-Informationsdienstes Bloomberg prominente Geldgeber wie die heimische Erste Group, die Deutsche Bank aber auch der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock.
Spätestens seit der Pleitewelle rechnen die Anleihegläubiger aber nicht mehr damit, dass mit ihren Schuldscheinen noch Geld zu machen ist. Einige von ihnen vertraten auch schon vor der Insolvenz der Signa Development die Rechtsansicht, dass ein Zahlungsausfall vorliege, und forderten am 18. Dezember mittels Anwaltsbrief ihr Geld zurück – profil berichtete. Auch die großen internationalen Rating-Agenturen Fitch und Standard & Poors stuften die Bonität der Signa Development und damit auch ihre Fähigkeit, die Anleihe zu den versprochenen Konditionen zu bedienen, als hoch spekulativ mit einer hohen Wahrscheinlichkeit des Zahlungsausfalls ein. Nun passiert auf den Anleihemärkten aber etwas, das in solchen Fällen oft zu beobachten ist, auf den ersten Blick jedoch irrational erscheint.
„Jeder Hedgefonds dieser Welt schaut sich diese Anleihe jetzt sehr genau an.“
„Jeder Hedgefonds dieser Welt schaut sich diese Anleihe jetzt sehr genau an“, sagt ein Trader, der nicht namentlich genannt werden möchte. Die Hauptfrage: Ist aus dieser Anleihe noch etwas zu holen, nachdem die Bankkredite, die grundbücherlich besichert sind, bedient wurden? Immerhin verfügt Signa noch über eine Reihe besonders werthaltiger Immobilien, die jetzt nach und nach zu Geld gemacht werden sollen. „Hier gehen die Meinungen aber sehr weit auseinander.“ Denn es ist noch völlig offen, ob und wie viel für die Anleihegläubiger nach dem Verkauf und den Kredittilgungen überhaupt noch übrig bleibt.
Derzeit dürften jedenfalls besonders viele Glücksritter im Signa-Umfeld auf Renditen-Jagd sein. Beim Verkauf der Schuldscheine halten sich die Gläubiger aber dem Vernehmen nach noch zurück. Denn im Sanierungsverfahren wird allen Gläubigern eine Quote von 30 Prozent ihrer offenen Forderungen versprochen. Also weit mehr als das, was sie bekommen würden, wenn sie die Schuldscheine jetzt zum aktuellen Kurs verkaufen würden.
Die Phantom-Anleihe
Weniger Aufregung, aber ähnlich hohe Verbindlichkeiten gibt es übrigens bei einer zweiten, gut 200 Millionen Euro schweren Anleihe im Signa-Reich. Sie wurde am 30. November fällig und wird der Signa Prime Selection, die kurz vor Neujahr ebenfalls Insolvenz anmelden musste, zugerechnet. Bei dieser Anleihe handelt es sich aber, im Gegensatz zu jener der Signa Development Finance, um eine sogenannte Selbstemission. Das Wertpapier wurde also nicht via Banken, sondern von Signa selbst bei den Anlegern platziert, und es ist nicht bekannt, wer der oder die Anleihezeichnerin ist – wer also seit 30. November des Vorjahres auf 200 Millionen Euro wartet.
Die Anleihe dürfte jedenfalls ihren Beitrag zur Insolvenz der Signa Prime geleistet haben. Im Insolvenzantrag, der profil vorliegt, steht, dass die „Refinanzierung einer mit 30.11.2023 fällig gewordenen Anleihe über 200 Millionen Euro“ nicht möglich gewesen sei. Daher trat eine „materielle Insolvenz“ ein. Auf profil-Nachfrage beim zuständigen Sanierungsverwalter, der Wiener Rechtsanwaltskanzlei Abel, wollte man dazu keinen Kommentar abgeben. Ebenso wenig wie auf die Frage, wer denn der Anleihegläubiger überhaupt ist. Vorerst also: ein Phantom.
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.