Immobilien

Grundstücksdeal zwischen Waffenindustrie und Kirche

Ein Haus am Wasser, zwei ältere Damen, ein katholischer Bischof und ein Waffenindustrieller: Die ungewöhnliche Geschichte einer Immobilie am Wörthersee.

Drucken

Schriftgröße

Pörtschach am Wörthersee, kurz vor Saisonbeginn. Ein rauer Wind weht um das Gewässer, Nebel liegt in der Luft. Das Ferienziel präsentiert sich noch ziemlich verschlafen. Bei der überwiegenden Zahl der Geschäfte, Restaurants und Hotels sind die Luken dicht. Kaum vorstellbar, dass der Ort im Sommer wieder aus allen Nähten platzen wird -wenn Gäste aus den unterschiedlichsten Ländern über die Blumenpromenade flanieren, sich die Sonnenhungrigen in den Bädern drängen und am Radweg Kolonnenverkehr herrscht. Im Jahr 1877 schrieb Johannes Brahms an Clara Schumann: "Erzählen will ich, dass ich hier in Pörtschach ausstieg, mit der Absicht, den nächsten Tag nach Wien zu fahren. Doch der erste Tag war so schön, dass ich den zweiten Tag durchaus bleiben musste. Der zweite war aber so schön, dass ich fürs erste weiter bleibe." Mehr als 140 Jahre später ist der Reiz, den der am Nordufer des Wörthersees liegende Ort auf Erholungssuchende ausübt, ungebrochen. Wenn nicht stärker. Diesen Schluss legt zumindest die Forderung von Touristikern nahe, die meinen, Pörtschach benötige in den nächsten Jahren 2500 neue Gästebetten.

Ein paar mehr dürften es in näherer Zukunft tatsächlich werden. Wie profil in Erfahrung bringen konnte, soll im Ortsteil Pritschitz eine Apartmentanlage errichtet werden. So weit, so gewöhnlich. Ungewöhnlich ist jedoch die Geschichte hinter der Liegenschaft, die nun bebaut werden soll. Ungewöhnlich sind die dahinterstehenden prominenten Protagonisten. Und ungewöhnlich sind auch die Verwerfungen, die ein an sich simples Immobiliengeschäft nach sich zog.

Das Grundstück ist traumhaft schön. Unverbaubarer Blick, direkter Zugang zum türkisblauen Wasser. Eine derart privilegierte Lage am Wörthersee ist keine Selbstverständlichkeit. Nachfrage und Angebot klaffen bei solchen Liegenschaften weit auseinander. Entsprechend groß ist das Griss, wenn eine solche auf den Markt kommt.

Im Sommer 2011 war es so weit. Da setzten ein Pörtschacher Baumeister und der Waffenindustrielle Gaston Glock ihre Unterschriften unter einen Kaufvertrag. Zur Veräußerung kamen eine Reihe von Wohnungen und Carports am Bootsbauerweg. Im Anschluss war der Baumeister um fünf Millionen Euro reicher und Gaston Glock Eigentümer des Objekts. Nun ja: fast. Drei Wohnungen und vier Carports in dem schon ziemlich abgewohnten Apartmenthaus hatten nämlich nicht im Besitz des Baumeisters gestanden. Sie gehörten weiterhin zwei älteren Damen aus Klagenfurt. Und die waren nicht bereit, ihr Sommerdomizil aufzugeben. Außer an einen ganz bestimmten Käufer. Und so wandten sich die Damen an den damaligen -inzwischen verstorbenen -Bischofsvikar der Diözese Gurk, Olaf Colerus-Geldern, und boten die Wohnungen der Kirche zum Kauf an. Nur sechs Monate, nachdem Glock die Anteile des Baumeisters an dem Apartmenthaus erworben hatte, wurden die Damen und der Klerus handelseins. Am 20. Februar 2012 veräußerten sie ihre Wohnungen und Carports an das Bistum Gurk. Unterschrieben wurde der Vertrag vom damaligen Kärntner Diözesanbischof Alois Schwarz. Kaufpreis: 1,3 Millionen Euro.

"Über die Diözese wäre dieser Kauf nicht zustande gekommen. Ein solches Geschäft passt nicht ins Aufgabenprofil. Zudem wäre es genehmigungspflichtig gewesen", heißt es aus ebendieser. Dazu muss man wissen, mit dem Erwerb durch das Bistum konnte Schwarz viel freier schalten und walten, als wenn er die Immobilien über die Diözese gekauft hätte. In den sogenannten bischöflichen Mensalgütern, in diesem Fall das Bistum Gurk, steckt zweckgewidmetes Vermögen, welches der Amtsausübung des jeweiligen Bischofs dient. Mit einem geschätzten Wert von 175 Millionen Euro gilt Gurk als das wohlhabendste Bistum Österreichs. Ihm gehören Forstbetriebe, die bischöfliche Residenz in Klagenfurt und etwa das im Gurktal gelegene Schloss Straßburg. Die katholische Kirche legt stets Wert darauf, zu betonen, dass es sich bei Mensalgütern nicht um das Privatvermögen eines Bischofs handelt, vielmehr stehe diesem ein Beratungs-und Kontrollrat zur Seite. Doch den sogenannten Vermögensverwaltungsrat des Bistums Gurk hatte Schwarz entgegen den Bestimmungen des Kirchenrats außer Kraft gesetzt.

Weshalb der Bischof die Wohnungen namens des Bistums überhaupt erwarb, ist nicht ganz nachvollziehbar. "Wir wollten sie mit dem Stift St. Georgen vermarkten", erklärte er einst gegenüber Medien. Das im Besitz des Bistums stehende Stift betreibt am Kärntner Längsee ein Bildungshaus mit angeschlossenem Hotel. Doch auch dem Bischof musste zu diesem Zeitpunkt klar sein, dass mit dem übermächtigen Mehrheitseigentümer Gaston Glock als Gegenüber eine wie auch immer geartete Nutzung der Liegenschaft stark eingeschränkt sein würde. Und so wechselten die drei Wohnungen und vier Carports in Pörtschach knapp eineinhalb Jahre später abermals den Besitzer. Diesmal für 1,5 Millionen Euro. Käuferin ist die in Velden domizilierende IGVG Privatstiftung von Gaston Glock. Die katholische Kirche und die Waffenindustrie: Das sind dann doch eher ungewöhnliche Geschäftspartner, die da aufeinandertreffen. Ebenso bemerkenswert ist, wie profil-Recherchen ergaben, dass das Bistum nie im Grundbuch stand. Üblicherweise ist jeder Immobilienkäufer darauf erpicht, seine Erwerbung möglichst schnell dokumentiert zu wissen. Nicht so das Bistum. Stattdessen wurden die Wohnungen nach dem Verkauf grundbücherlich der IGVG Privatstiftung einverleibt. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Sprungeintragung. Eine solche wird gemeinhin dann durchgeführt, wenn ein zwischenzeitlicher Besitzer weiß, dass er die Immobilie nicht behalten will. Häufig ist dies etwa bei Erbschaften der Fall. Man erspart sich dadurch die Eintragungsgebühr von 1,1 Prozent des Kaufpreises. Hatte das Bistum respektive Schwarz etwa von Anfang an vor, die Wohnungen an Glock zu verkaufen? profil hat den Bischof, der im vergangenen Sommer nach St. Pölten versetzt wurde, um Stellungnahme gebeten. "Ihre Anfrage betrifft den Gegenstand eines laufenden Prüfverfahrens durch die zuständigen Behörden. Bischof Alois Schwarz ist dankbar für die Untersuchungen, die zur Prüfung und Klärung beitragen werden. Bis zu deren Abschluss kann dazu leider nicht mehr gesagt werden", lässt die bischöfliche Medienreferentin Katharina Brandner wissen.

Auffällig ist jedenfalls, dass der Vertrag zwischen Bistum und den beiden Damen nur eine Sammelformulierung hinsichtlich der mit dem Vertrag verbundenen Gebühren enthält, während jener zwischen Bistum und IGVG die Grundbucheintragungsgebühr explizit erwähnt und sie auch mit 16.500 Euro ausweist.

Evident ist auch, dass das Glock-Umfeld ein vitales Interesse an dem Areal am Pörtschacher Bootsbauerweg hatte. Bereits einen Monat, bevor Glock selbst mit dem Baumeister handelseins wurde, kaufte die IGVG Privatstiftung für in Summe über fünf Millionen Euro drei angrenzende Grundstücke samt Einfamilien-und Bootshäusern. Dabei handelte es sich quasi um Family- Business: Verkäufer war Glocks Sohn Robert.

Für Bischof Schwarz jedenfalls zeitigte der Wohnungskauf unangenehme Nachwehen: Anfang 2019 erstattete die Diözese Gurk Selbstanzeige bei der Finanz. Weil "in engem zeitlichen Zusammenhang" mit dem Immobiliendeal bei der Diözese eine Großspende einer weiteren Glock-Stiftung eingelangt sei. Sollte ein Kausalzusammenhang mit dem Wohnungskauf bestehen, wären damit Steuern "gespart" worden. Zudem führt die Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue. Denn in einem kircheninternen Prüfbericht wurden dem Bischof Misswirtschaft und Millionenverluste im Bistum Gurk vorgeworfen. Wie WKStA- Sprecherin Elisabeth Täubl bestätigt, ist auch der Pörtschacher Immodeal Gegenstand der Prüfung.

Die Wellen des Wörthersees branden indes ziemlich unbeeindruckt an das Ufer am Bootsbauerweg. Das Gebäude, in dem sich die inkriminierten Wohnungen befanden, wurde Anfang dieses Jahres abgerissen. Was Glock mit der Liegenschaft vorhat, darüber haben die Pörtschacher jahrelang spekuliert. profil vorliegende Einreichpläne bringen nun Licht ins Dunkel. Das Projekt mit dem Namen "Seechalets Pritschitz" sieht zwei Baukörper vor. Das "Haus Süd" mit Pool soll direkt am See errichtet werden, "Haus Nord" dagegen jenseits des Bootsbauerwegs -mit Parkflächen Richtung Norden. "Auf der Liegenschaft ist die Errichtung eines touristischen Projekts mit Apartments im gehobenen Bereich geplant. Nach Fertigstellung werden sie an Urlaubsgäste vermietet", teilt eine Sprecherin der IGVG Privatstiftung mit. Die Glock Immobilienmanagement GmbH hat bereits einen Antrag auf "Neuerrichtung Seechalets Pritschitz" mit Ferienwohnungen und einer Strandbar bei der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt Land eingebracht. Derzeit liegt der Akt beim Landesverwaltungsgericht, wie dessen Präsident Armin Ragoßnig bestätigt. Nachbarn haben gegen das Bauvorhaben Einspruch erhoben. Ein Verhandlungstermin sei jedoch noch nicht anberaumt. Dennoch ist absehbar: Wer auch immer künftig wie einst Brahms in Pörtschach aussteigt und ein oder zwei Tage oder doch länger verweilt, wird bald eine neue Luxusbleibe zur Auswahl haben.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

war bis Oktober 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.