Haftbefehl gegen KTZ-Geschäftsführer Dietmar Wassermann
Ein imposantes Bergpanorama und saftige Wiesen, im Vordergrund zwei weiß-braun gescheckte Kühe. Das ist der Blick aus meinem Wohnzimmer, kommentiert Dietmar Wassermann das Foto auf Facebook. Gott möge es Ihnen niemals missen. So ein schöner Blick in die Freiheit, antwortet ein Freund.
Für den 53-jährigen Unternehmer, der seit seinem Einstieg bei der Kärntner Tageszeitung (KTZ) Anfang 2013 auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt ist, dürfte das vergangene Jahr kein ganz einfaches gewesen sein. Bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt stapeln sich Anzeigen und Sachverhaltsdarstellungen eingebracht von seinen Gegnern, die in der Übernahme der KTZ und anderen Unternehmungen Wassermanns gröbere Unregelmäßigkeiten orten. Die Vorwürfe reichen von Untreue über schweren gewerbsmäßigen Betrug bis hin zu Geldwäsche (profil berichtete ausführlich). Bisher blieb dies jedoch ohne Konsequenzen. Doch nun hat sich auch die deutsche Justiz eingeschaltet.
profil liegt ein im August 2013 vom Amtsgericht München ausgestellter Haftbefehl gegen Wassermann vor. Für die Staatsanwaltschaft München I ist er dringend verdächtig, Steuerhinterziehung in großem Ausmaß betrieben zu haben. Mit dem Ziel, sich eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Gewicht zu verschaffen. Die deutschen Behörden sehen Wassermann als Mastermind einer zwölfköpfigen Bande, die in 28 Fällen gemeinschaftliche (bandenmäßige) Steuerhinterziehung begangen hat.
Die Beschuldigten haben grenzüberschreitende Bandenstrukturen geschaffen und sind wohlorganisiert, heißt es im Haftbefehl. In dem Dokument wird detailliert ausgeführt, wie die Gruppe vorgegangen sein soll. Demzufolge hat sie einen schwunghaften Handel mit Zeitschriftenabos getätigt. Zuerst wurden diese von türkischen Callcentern an Personen in Deutschland verkauft. Anschließend wurden die Abos von Wassermanns Kärntner Firma HMS angekauft. Diese wiederum veräußerte sie an Unternehmen in Deutschland (u. a. NTMS, InOne Media, News Express). Die anderen Beschuldigten fungieren formal als Geschäftsführer dieser Gesellschaft, die nach Ansicht der Staatsanwaltschaft München allesamt Briefkastenfirmen sind. Diese zwischengeschalteten Unternehmen verkauften die Abos an die VSR GmbH mit Sitz in München. Und da wird es spannend: Während sich die VSR die Vorsteuer vom Finanzamt rückerstatten ließ, führten die die Abos verkaufenden Unternehmen die Umsatzsteuer nicht ab. Diese würden sodann in der überwiegenden Anzahl der Fälle (...) in die Insolvenz geführt, so dass eine Betreibung der Steuerforderungen durch das Finanzamt vereitelt wird.
Mit dieser Masche allgemein Umsatzsteuerkarussell genannt sollen Wassermann und seine Kompagnons zwischen März 2010 und August 2012 den deutschen Staat um mindestens 3,790.235,22 abgezockt haben.
Wie die Sprecher der Staatsanwaltschaft und des Landesgerichts Klagenfurt bestätigen, haben die deutschen Behörden ein Übergabeverfahren also die Auslieferung Wassermanns beantragt. Denn: Der Beschuldigte hat aufgrund der immensen Schadenshöhe und seiner erheblichen Vorstrafen im Falle einer Verurteilung mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Es sei nicht zu erwarten, dass sich der Beschuldigte dem Verfahren freiwillig stellen werde.
Offensichtlich haben Sie einen Wissensvorsprung, meint Wassermann, von profil um eine Stellungnahme zu den schweren Vorwürfen gebeten. Er habe Deutschland seit Jahren nicht mehr betreten, sei dort nicht geschäftlich tätig und habe auch keinen Steuerbescheid erhalten. Ganz so ahnungslos dürfte er jedoch nicht sein. Laut Auskunft der Kärntner Behörden hat Wassermann Beschwerde gegen das Verfahren eingebracht. Deshalb liegt der Ermittlungsakt nun seit Dezember beim Oberlandesgericht Graz, welches demnächst über seine Auslieferung zu entscheiden hat.