Die Voestalpine in Linz ist Österreichs größter Industriebetrieb und immerhin der viertgrößte Arbeitgeber im Land. Am Mittwoch stellte der Konzern vor Journalisten seine Halbjahresbilanz vor. Auch die ehemals verstaatlichte Voest bekommt die Industriekrise massiv zu spüren. Der Gewinn ist im Vergleich zum Jahr davor um 43 Prozent eingebrochen. Nachdem man jahrelang händeringend nach Fachkräften gesucht hat, gibt es heuer einen Aufnahmestopp.
Neue Verbündete
Nichts in Herbert Eibensteiners Körpersprache deutet darauf hin, dass der Voest-Chef derzeit gern über den Konflikt zwischen den USA und China spricht. Die Voest hat Werke sowohl in den USA als auch in China. Welche Auswirkungen könnten die Importzölle und der Handelsstreit mit China auf die heimische Voest haben? „Wir produzieren derzeit schon lokal. Also in den USA für den US-Markt und in China für den chinesischen Markt“, erklärt der CEO. Über alles weitere wolle man nicht spekulieren.
Beide Märkte sind essenziell für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, während die Nachfrage und der Absatz in Europa merklich schwächeln. Die Aufträge der deutschen Autobauer sind zurückgegangen, die Stahldivision der Voest bekommt das am stärksten zu spüren. Dort betrug der Rückgang acht Prozent. Gerade weil Deutschland derzeit wirtschaftlich zu kämpfen hat, suchten zahlreiche heimische Zulieferer zuletzt die Nähe zu den chinesischen E-Autoherstellern. BYD eröffnet ein Werk in Ungarn und war in Österreich auf Roadshow und auf der Suche nach neuen Zulieferern. „Wir sind das nächstgelegene Stahlwerk, und BYD wird Stahl brauchen“, sagte Eibensteiner dazu lapidar.
Die gesamte heimische Industrie verharrt das dritte Jahr in einer Rezession, und zahlreiche Unternehmen schreiben schmerzliche Verluste. KTM hat einen Finanzbedarf im dreistelligen Millionenbereich. Der Zuckerkonzern Agrana muss 80 bis 100 Millionen Euro sparen. Und fast im Wochentakt schreiben Industriebetriebe landesweit Mitarbeiter zur Kündigung aus. Ein Handelskrieg zwischen den zwei mächtigsten Volkswirtschaften der Welt kommt zur Unzeit.
Die USA sind Österreichs zweitwichtigster Handelspartner nach Deutschland. Wobei wir deutlich mehr dorthin exportieren, als wir von dort einführen. Laut Wirtschaftskammer betreiben 800 heimische Betriebe Handel mit den USA, circa 250 haben eine Niederlassung dort – darunter Kapazunder wie Red Bull, Magna, Glock oder Schoeller-Bleckmann.
China rangiert knapp dahinter auf Platz 5 unserer wichtigsten Handelspartner. Hier ist unser Handelssaldo aber klar negativ – wir importieren mehr aus China, als wir dorthin verkaufen. Rund 400 heimische Firmen haben außerdem ein Werk, eine Fabrik, eine Niederlassung in China – vom Tiroler Kristallkonzern Swarovski bis zum Leiterplattenhersteller AT&S.
„Wenn sich die zwei größten Volkswirtschaften der Welt jetzt mit Zöllen überhäufen, müssen wir mit einem deutlichen Rückgang des globalen Wirtschaftswachstums rechnen“, sagt Harald Oberhofer. Er ist Professor für internationale Wirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und forscht am Wirtschaftsforschungsinstitut. Und: „Wo bringt China seine Ware dann unter? Es werden dann wohl noch mehr billigere Güter in die EU importiert.“ Was für die Verbraucherpreise und Konsumentinnen verlockend ist, könnte heimische Betriebe aber massiv unter Druck setzen, die mit der billigeren Konkurrenz aus China sowieso nicht mehr mithalten können. Sie könnten dann noch mehr Mitarbeiter kündigen oder Werke schließen.
Sollte Trump seine Drohungen wahrmachen und chinesische Importe mit 60 Prozent hohen Zöllen belegen und alle weiteren Importe (mit Ausnahme der Staaten mit Freihandelsabkommen, Anm.) mit zehn Prozent, dann leidet auch das heimische BIP, also unsere Wirtschaftsleistung, darunter. Sie könnte um 0,2 Prozent geringer ausfallen als ohne Zölle. Das errechneten WIFO und das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) kürzlich. In China und den USA wären die Einbrüche übrigens noch größer. Und: Zölle werden jedenfalls die US-Inflation befeuern.
Die erste Schlacht
Den ersten so richtig chinafeindlichen Akt setzte Trump 2017. Der private chinesische Tech-Konzern Huawei war damals im Begriff, dank 5G-Technologie zum globalen Player zu werden und fischte immer aggressiver in den Gewässern der US-Big-Tech. Trump versuchte die Nutzung von US-Patenten in China zu verbieten und setzte den Konzern damit massiv unter Druck. Die USA wetterten weltweit massiv gegen Chinas 5G-Technologie und warfen dem kommunistisch geführten Land Spionage vor. Der Huawei-Konflikt gipfelte darin, dass die Finanzchefin von Huawei und Tochter des CEO, Meng Whanzou, 2018 auf Geheiß der USA in Kanada verhaftet wurde. Wegen Lieferungen an den Iran, die einen Sanktionsverstoß darstellten. Rückblickend betrachtet war das wohl die erste große Schlacht im aktuellen Handelskrieg zwischen beiden Weltmächten.
„Huawei war davor ein rein privater Konzern, den Trump damals direkt in die Hände des chinesischen Staates trieb“, erklärt die Sinologin und Politikwissenschafterin Susanne Weigelin-Schwiedrzik. Während Donald Trump aggressive Töne anschlägt, ist Peking um Contenance bemüht – noch.
Feindlicher Akt
Trump begann seinen Handelskrieg gegen die USA schon 2017. Damals versuchte er, die Nutzung von US-Technologiepatenten in China zu verbieten und traf damit den Mobilfunk-Riesen Huawei. „Huawei war davor ein rein privater Konzern, den Trump damals direkt in die Hände des chinesischen Staates trieb“, erklärt die Sinologin und Politikwissenschafterin Susanne Weigelin-Schwiedrzik.
„Wir werden die Beziehungen zwischen China und den USA weiterhin auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts, der friedlichen Koexistenz und der Zusammenarbeit zum Vorteil beider Seiten handhaben“, sagte Mao Ning, Sprecherin des chinesischen Außenministeriums. Dialog statt Drohung also?
China kämpft selbst mit wirtschaftlichen Problemen – die Jugendarbeitslosigkeit steigt, der Immobiliensektor ist in einer massiven Krise, einzelne Immo-Firmen müssen immer wieder vom Staat gestützt werden, die Bevölkerung altert rasant. Die Folge? Der Konsum ist eingebrochen. Aber weil sich die kommunistische Führung keine Massenarbeitslosigkeit und damit Unzufriedenheit in der Bevölkerung leisten kann, wird weiter produziert – Stahl, E-Autos. Zur Not auf Halde und mit milliardenschweren Zuschüssen.
„Ich glaube nicht, dass die Führung Vergeltungszölle mit der gleichen Härte einführt“, meint die Expertin. Aber machtlos ist China nicht. Die USA exportieren sehr viel Reis, Soja und Weizen nach China. China könnte schlicht aufhören, bestimmte Güter von den USA zu kaufen und sich neue Handelspartner suchen. Und China hat auch das Potenzial, den US-Dollar zu schwächen und mit ihm das US-Finanzsystem. Denn immer mehr Handelsverträge schließt China in der Landeswährung Renminbi Yuan ab. Und es hat in den vergangenen Jahren seine staatlichen Währungsreserven in US-Dollar sukzessive abgebaut.
Ob Trumps Administration die Zölle tatsächlich in der angedrohten Höhe einführt, ist freilich noch unklar. Aber allein das Säbelrasseln wirkt. „Die Androhung von Zöllen könnte dazu führen, dass einzelne Länder jetzt beginnen könnten, den USA Angebote zu machen“, meint Ökonom Oberhofer. Eines dieser Angebote und Gegenangebote liegt quasi schon auf dem Tisch.
Gas statt Zölle?
„Drill baby, drill!“ Donald Trump holte mit der Ankündigung, die Gas- und Ölförderung wieder massiv zu verstärken, die fossile Industrie aus dem Tiefschlaf der letzten Jahre hervor. Am Tag nach seiner Wiederwahl feierten die Aktienkurse der großen fossilen US-Konzerne wie Exxon Mobil oder Chevron Börsenparty. Auf der anderen Seite braucht Europa nach wie vor billiges Gas. „Es ist gut möglich, dass die USA hier und da auf Zölle verzichten, wenn wir uns verpflichten, mehr Öl und Flüssiggas zu importieren“, meint Oberhofer. Für die Wirtschaft wäre das gut, weil die Energiepreise sinken, wenn die USA den Weltmarkt mit Öl und Gas fluten. Für das Klima wäre das allerdings verheerend. Aber von Klimazielen hält Trump ohnehin nichts. Der designierte US-Präsident könnte aber auch die Hilfen für die Ukraine oder eine Abkehr von China zur Verhandlungsmasse mit der EU machen.
„Wir sind nicht so machtlos, wie wir glauben“, erklärt Oberhofer. Die EU-Länder heben seit rund zwei Jahren eine Digitalsteuer ein, die sich in der Ausgestaltung gegen die großen Tech-Konzerne der USA richtet wie die Google-Mutter Alphabet, Amazon oder die sozialen Netzwerke. 2023 spülten die Digitalsteuern 103 Millionen Euro in Österreichs Staatskassen. Ein Hebel, der sich jetzt als nützlich erweisen könnte. Denn die EU könnte den Steuersatz in allen Ländern vereinheitlichen oder ihn sogar erhöhen. Für den Tech-Milliardär, X-Besitzer und neuerdings Trump-Berater und besten Freund Elon Musk wäre das jedenfalls ein Verlustgeschäft.
Zurück nach Österreich. „Es sind natürlich alle angespannt, aber wir warten einmal ab, was tatsächlich kommt“, sagt ein Industrievertreter. Trump II trifft jedenfalls diesmal weder China noch Europa völlig unerwartet. Und wenn sich zwei Große streiten, könnten plötzlich neue Partnerschaften erstarken.