Handelsschiffe schützen sich mit allem, was sie an Board haben, gegen mögliche Angriffe durch Piraten.
Konflikt im Roten Meer

Handelsschiff-Kapitän berichtet: „Wir spielen Katz und Maus mit den Piraten“

Der Welthandel im Roten Meer ist unter Beschuss. Hristo Papukchiev ist Schiffskapitän und befördert seit 30 Jahren Waren um die ganze Welt. profil erzählt er, wie man Piraten entwischt, wie sich Panik auf hoher See anfühlen und wieso Europa ohne die großen Handelsschiffe wirtschaftlich am Ende wäre.

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Der Alarm ertönt ohrenbetäubend laut. Piraten! Acht bewaffnete und vermummte Männer versuchen mit zwei Schlauchbooten das Handelsschiff zu entern. Der voll beladene Frachter San Marco transportiert 113.000 Tonnen Mais von Brasilien in den Iran. Das Schiff wendet und dreht sich mit scharfen Manövern. Es versucht, den Angreifern zu entkommen. Irgendwann schießt jemand in die Luft – ein, zwei, drei Mal. Die Schüsse sollen die Angreifer nur erschrecken, nicht verletzen. Die somalischen Piraten ziehen ab und verschwinden wieder in der Dunkelheit der Nacht. Um diese Tageszeit verschwimmt die Farbe des Wassers mit der Farbe des Himmels. Man sieht niemanden kommen, man sieht niemanden gehen. Das war 2012, irgendwann im November, um vier Uhr morgens vor dem Horn von Afrika.

Es ist der zweite Piratenangriff, den Kapitän Hristo Papukchiev abwenden kann. Dieses Mal waren er und seine Besatzung besser vorbereitet: Bewaffnete Sicherheitskräfte bewachten Crew und Ware in den gefährlichen Gewässern vor Somalias Küste. Seit Jahrhunderten greifen Piraten Handelsschiffe an, um Ware zu stehlen oder Schiffe in Geiselhaft zu nehmen und Lösegeld zu erpressen.

Die Angriffe mit Schlauchbooten und neuerdings mit Drohnen, Raketen oder sogar per Helikopter haben massiv zugenommen. Und neben den ökonomischen spielen auch geopolitische Interessen mit. Seit November 2023 greifen Huthi-Rebellen vom Jemen aus Schiffe im Roten Meer an. Aktuell sind zwei Handelsfrachter samt Besatzung in Geiselhaft. Die vom Iran unterstützen Huthis wollen mit den Angriffen ein Ende des Krieges in Gaza erzwingen.

Der bulgarische Kapitän und Schiffs-Sicherheitsoffizier Hristo Papukchiev führt seit 30 Jahren Handelsschiffe durch alle Weltmeere und ist für deren Sicherheit auf See verantwortlich. Er hat unzählige Frachter durch das Rote Meer und den Suezkanal navigiert – voll beladen mit Autoersatzteilen, Bekleidung oder Rohstoffen, die für den europäischen Markt bestimmt sind. Er kennt die Gewässer und er kennt die Angreifer.

Marina  Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".