Für Michael Tojner gilt die Unschuldsvermutung
Wirtschaft

Heumarkt-Mails: „Kurz weiß Bescheid“

Wie Hochhaus-Investor Tojner an ÖVP-Chef Sebastian Kurz herankommen wollte – und weitere Funde in der Causa Chorherr.

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Wer ein derart umstrittenes Projekt wie das geplante Hochhaus am Wiener Heumarkt um- und auch durchsetzen will, steht vor großen Herausforderungen. Immobilieninvestor Michael Tojner und seine Crew waren offenbar wild entschlossen, dafür eine Menge Hebel in Bewegung zu setzen – auch politisch. Darauf deuten jedenfalls E-Mails hin, die in anderem Zusammenhang bei Tojner und in seiner Firmengruppe sichergestellt worden waren, und nun auch im Ermittlungsverfahren gegen den früheren Grünen Politiker Christoph Chorherr ausgewertet wurden – profil berichtete vergangene Woche ausführlich. Doch es gibt noch mehr.

9. November 2017. ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat die Wahl gewonnen und verhandelt gerade mit der FPÖ über eine Koalition. Eine Tojner-Mitarbeiterin hat Nachrichten für ihren Chef: „da ich glücklicherweise jetzt einen sehr guten Draht direkt zu Kurz und sein (sic!) Büro habe, habe ich erfahren, dass er die Kultur und damit die Welterbe-Agenden zu sich ins Ressort holen wird“. Der Unesco-Welterbestatus von Wien gilt als große Hürde für das Heumarkt-Projekt. Die Mitarbeiterin schrieb weiter: „Hilfreich wäre sicher, wenn Dichand wieder mal Kurz in unserer Sache darin bestärkt, dass er den HEUMARKT nicht zum Thema machen soll bzw., dass das Thema nicht als Mittel zur Polarisierung zwischen Bund und dem roten Wien hergenommen wird.“

Lobbying auf Umwegen?

Tojner leitete das Mail an mehrere Personen weiter – darunter offenbar an einen bekannten Wiener Restaurantbetreiber. Tojner schrieb: „Bitte um hilfe, ihr kennt ihn ja besser. Thx. …“ Noch am selben Tag antwortete der Gastronom: „Kurz weiß Bescheid… am besten wäre, wenn Eva mit ihm essen geht!!!!“. Bei „Eva“ könnte es sich um Eva Dichand handeln. profil fragte bei der „Heute“-Herausgeberin nach, eine Antwort war zu Redaktionsschluss ausständig. In ihrem Büro hieß es, sie wäre auf Urlaub.

Milliardärs-Lobbying beim Kanzler in spe über einen Gastro-Unternehmer und eine Zeitungsherausgeberin? Aus dem Kanzleramt heißt es, dass ein „derart polarisierndes und intensiv öffentlich  diskutiertes Projekt sicherlich in aller Munde und Gesprächsstoff in den unterschiedlichsten Gesprächskonstellationen“ gewesen sei. Das ändere aber „selbstverständlich nichts an der kritischen Haltung der Volkspartei zum Projekt, die hinlänglich öffentlich dokumentiert“ sei. Der damalige Kulturminister Gernot Blümel habe per Brief eine Klarstellung vom Wiener Bürgermeister gefordert, dass das Heumarkt-Projekt in der damaligen Form nicht realisiert werden dürfe und in weiterer Folge sogar eine Weisung in den Raum gestellt.

„Chorherr … für sich zu gewinnen“

Der Name „Dichand“ wiederum taucht auch noch auf anderen sichergestellten Mails auf – nicht zuletzt auf einem Mail-Fragment mit dem Betreff „Einladung Ithuba Charity Autkion 5.11.2014“. Ithuba hieß ein Schulprojekt des früheren Planungssprechers der Wiener Grünen, Christoph Chorherr. Ermittelt wird wegen des Verdachts, Immobilienunternehmer hätten Chorherr mit Spenden bestechen wollen.  Im Mail-Fragment heißt es: „Erwin treibt ein geld für Christoph chorherrs schule in Südafrika auf. ... und chorherr machen das Projekt seit beginn gemeinsam. Und Erwin versucht chorherr (Planungschef der grünen) für sich zu gewinnen.“

Wer das an wen geschrieben hat, ist aus dem Fragment nicht erkennbar. Fest steht: Es muss bei Tojner beziehungsweise in dessen Unternehmensgruppe sichergestellt worden sein. Und es finden sich zwei Namen darauf: neben jenem Tojners auch „Dichand C“ – offenbar Eva Dichands Ehemann, „Krone“-Herausgeber Christoph Dichand. Die Dichands und Tojner sind geschäftlich über das Auktionshaus Dorotheum miteinander verbunden – wie auch mit dem Immobilienunternehmer Erwin Soravia. Ist er der erwähnte „Erwin“?.

„Rechtmäßig beantrag und abgewickelt“

Betont sei, dass Soravia sämtliche Vorwürfe in der Causa Chorherr immer bestritten hat. Ein Sprecher der Soravia-Gruppe teilte auf Anfrage mit: „Die von Ihnen zitierte E-Mail-Kommunikation ist Herrn Soravia nicht bekannt.“ Es sei „mit unserem Wissensstand“ nicht möglich festzustellen, wie der Inhalt des Mails zu verstehen sei. Aus Unternehmen der Soravia-Gruppe seien keine Zahlungen an Chorherr oder ihm nahestehende Projekte geleistet worden. Private Spendenaktionen seien „ausschließlich aus der Überzeugung erfolgt“, ein sinnvolles Schulprojekt in Afrika zu unterstützen. Sämtliche Bauvorhaben seien „rechtmäßig beantragt und abgewickelt“ worden.

Ein Anwalt Tojners teilte auf Anfrage mit, Zitate wären aus dem Zusammenhang gerissen, unter anderem deshalb nehme man dazu keine Stellung. Grundsätzlich bestreitet Tojner vehement jedes Fehlverhalten. Chorherr selbst weist sämtliche strafrechtlichen Vorwürfe zurück, erkennt aber an, dass seine politische Tätigkeit gleichzeitig mit seiner Obmannschaft im Schulprojekt-Verein „ein Fehler war“. Er hat eine Diversion beantragt.

Gegen Christoph Dichand wird nicht ermittelt. Er ging auf profil-Anfrage nicht auf das erwähnte E-Mail-Fragment ein: Jedenfalls könne er ausschließen, jemals etwas zugunsten von Ithuba gespendet oder ersteigert zu haben.

„Eine Hand wäscht die andere“

Im Tojner-Imperium wurden – wie sich aus sichergestellten Mails ergibt – Spenden und Sponsorings in diversen Zusammenhängen diskutiert. Etwa im Juni 2015 in Bezug auf eine bevorstehende Charity-Gala im Arkadenhof des Wiener Rathauses. Dort sollten Spenden für einen Verein gesammelt werden, der ebenfalls Bildungsprojekte in Afrika mitfinanziert – ein Verein, bei dem die damalige Wiener SPÖ-Stadträtin Renate Brauner Präsidentin ist. Tojner selbst war sich laut Mailverkehr nicht sicher, ob er die Gala unterstützen wollte. Eine Mitarbeiterin verwies darauf, dass es ein Vorschlag des eingangs erwähnten Gastronomen gewesen sei, gemeinsam einen Tisch für 900 Euro zu nehmen, da „Renate Brauner sich direkt an Euch gewendet hat (,Eine Hand wäscht die andere…‘)“.

Betont sei, dass im vorliegenden Mailverkehr nichts auf den erwähnten direkten Kontakt mit Brauner hindeutet. Die Einladung gelangte demnach stattdessen über andere Unterstützer der Gala an eine Tojner-Mitarbeiterin. Brauner selbst teilte auf Anfrage mit, dass es sich um keine Veranstaltung ihres Vereins gehandelt hatte, sondern um eine Künstler-Initiative, die sich „freundlicherweise bereit erklärt hatte, den Reinerlös dieses Abends ‚unseren‘ Projekten zukommen zu lassen“. Daher sei ihr auch nicht bekannt, wer Karten für diese Veranstaltung erworben und bezahlt hat. Sie sei in der Stadt Wien auch nie für Planungs- oder Widmungsfragen zuständig gewesen. Die Veranstalterin der Charity-Gala ließ eine Anfrage bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

„Nicht so offensichtlich“

Ebenfalls keine Antwort erhielt profil vom Architekturzentrum Wien (AzW). Und zwar auf die Frage, ob Tojner oder eine seiner Firmen die seinerzeitige Abschiedsfeier des früheren AzW-Leiters Dietmar Steiner im November 2016 gesponsert hatte. Hintergrund der Anfrage war ein Mail einer Tojner-Mitarbeiterin vom 28. April 2016 an ihren Chef mit Betreff „Architekturkongress und großes Fest für Steiner-Abschied 19 November 2016“. Darin war unter anderem die Rede davon, dass man die Location („Säulenhalle“) zur Verfügung stellen und einen Teil des Caterings (erwartete Kosten von rund 18.000 Euro) übernehmen könnte. Tojner antwortete: „wir machen das in der Säulenhalle. Vielleicht gibt es jemand anderen, der mitsponsort, damit das nicht so offensichtlich wird“.

Mit der „Säulenhalle“ dürfte es nichts geworden sein, die Veranstaltung fand im Semper-Depot statt. Ob ein sonstiges Sponsoring geleistet wurden, ist allerdings offen. Bemerkenswert scheint auch Tojners augenscheinliche Sorge, etwas könnte „offensichtlich“ werden. Steiner ist mittlerweile verstorben. Die damalige Grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou sagte als Zeugin im Chorherr-Ermittlungsverfahren aus, Steiner sei eine jener Personen gewesen, „auf deren fachlichen Input ich sehr vertraut habe“. Nicht lange nach der AzW-Abschiedsfeier sagte Steiner in einem Zeitungsinterview mit Blick auf das Heumarkt-Projekt zum Thema Weltkulturerbe: „Man braucht das eigentlich nicht.“

Ein prominenter Wohnungsinteressent aus der ÖVP

Sosehr die ÖVP den Kampf für das Weltkulturerbe auch betont, nicht alle hochrangigen ÖVPler schienen diesen mitzutragen. Eine Tojner-Mitarbeiterin schrieb am 16. Februar 2017 intern folgendes Mail: „Lieber Michael, mich hat gerade Parlamentspräsident Karlheinz Kopf angerufen. Ihm gefällt das Heumarkt-Projekt so gut – er interessiert sich für eine Wohnung. Entbehrt auch nicht einiger Komik: schließlich ist die ÖVP Wien ja so um das Welterbe besorgt. Just for info! … - bitte ganz oben auf unserer langen Interessentenliste reihen!“ Darunter angeführt war die Parlaments-Mailadresse des nunmehrigen Nationalratsabgeordneten und Wirtschaftskammer-Generalsekretärs.

Auf Anfrage ließ Kopf wissen: „Ich hatte im Februar 2017 Interesse am Erwerb einer Wohnung in zentraler Lage in Wien und war aus diesem Grund unter anderem auch mit der Wertinvest-Gruppe (Anm.: ein Teil des Tojner-Imperiums) in Kontakt. Ich habe das Vorhaben allerdings nicht weiter verfolgt.“

„Absurder Vorwurf“

profil hat zuletzt mehrfach zu den diversen E-Mails und zu den Vorwürfen in der Causa Chorherr bei Tojners Anwalt Karl Liebenwein nachgefragt. An dieser Stelle geben wir einen wesentlichen Teil seiner jüngsten Stellungnahme im Wortlaut wieder:

Zur Absurdität des erhobenen Vorwurfs

Das Projekt „Heumarkt Neu“ begann im Herbst 2012 mit einem kooperativen städtebaulichen Expertenverfahren. Im Frühjahr 2013 wurde das Ergebnis des Expertenverfahrens der Stadtentwicklungskommission vorgelegt. Im Sommer 2013 wurde ein internationaler Architekturwettbewerb mit 24 Teilnehmern durchgeführt; das Wettbewerbsprojekt wurde dann im Mai 2014 dem Fachbeirat der Stadt Wien vorgelegt und diesem vorgestellt. In den folgenden Monaten wurde das Wettbewerbsprojekt weiterentwickelt und daran gemeinsam mit den Projektpartnern weitergearbeitet. Der Vorentwurf der Flächenwidmung (so genannter „Gründruck“) erfolgte im Sommer 2015; rund 3 Jahre nach Projektstart - im Herbst 2015 - wurde das Wettbewerbsprojekt samt allen Weiterentwicklungen dann neuerlich dem Fachbeirat der Stadt Wien vorgelegt. Beginnend mit dem Jahresanfang 2016 prüfte der Fachbeirat das Projekt eingehend und die Stadt Wien nahm zudem eine strategische Umweltprüfung vor. Die Überprüfung durch den Fachbeirat führte dazu, dass in der zweiten Jahreshälfte 2016 ein so genanntes „Vermittlungsverfahren“ durchgeführt wurde, in welchem die strikten Vorgaben der Stadt Wien und sämtliche Anmerkungen zum Projekt eine Umsetzung erfuhren. Erst mit Dezember 2016 wurde der Fachbeirat neuerlich befasst, und zwar mit dem „Rotdruck“ der Flächenwidmung, die im Juni 2017 im Gemeinderat der Stadt Wien rund 100 Gemeinderäten zur Abstimmung vorgelegt wurde. 

Anschuldigungen, es sei im Zusammenhang mit dem Projekt „Heumarkt Neu“ im Jahr 2017 zu unzulässigen Spendenzahlungen oder sonstigen Unregelmäßigkeiten gekommen, sind jedenfalls unzutreffend; dies insbesondere auch im Zusammenhang mit den durchgeführten Verfahren und den damit einhergehenden Verantwortlichkeiten. Unser Mandant, aber auch die Unternehmen seiner Unternehmensgruppe haben keinerlei Handlungen gesetzt, die strafrechtlich in irgendeiner Form relevant wäre, geschweige denn unzulässige Einflussnahmen, in welcher Art auch immer. Die Umsetzung des Projektes „Heumarkt Neu“ wurde vielmehr bis zum heutigen Tag ordnungsgemäß und unter Einbindung aller entscheidungsrelevanter Stellen entwickelt und umgesetzt!

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.