Noch-Verbund-Vizevorstand Michael Strugl

Hoher Gaspreis, viel Wasserkraft: Der verblüffende Verbund-Profit

Die Verbund AG erzeugt Strom aus Wasser und Wind, profitiert aber vom hohen Gaspreis. Klingt verrückt, ist es auch.

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Man kann der Verbund AG derzeit beim Gelddrucken zuschauen, an der Börse wird die Aktie dennoch abgestraft. Eben erst meldete der teilstaatliche Energiekonzern für das erste Quartal dieses Jahres absurd gute Ergebnisse. Die Umsatzerlöse stiegen in den ersten drei Monaten 2022 gegenüber dem Vergleichsquartal 2021 um 209,5 Prozent auf 2,5 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) stieg um 169,3 Prozent auf 814,9 Millionen Euro. Das Management um Vorstandschef Michael Strugl mussten dazu insgesamt wenig beitragen, der Strompreis hängt am Gaspreis, und der spielt bekanntlich verrückt.

Wenn man sich frühere Ergebnisse des Unternehmens anschaut, wird schnell deutlich, dass die Marktordnung die Ordnung verloren hat (wiewohl in Europa keine Stromknappheit herrscht, wiewohl der Verbund den Strom größtenteils aus Wasser- und Windkraft erzeugt). In den Jahren 2013 bis 2020 bewegte sich das EBITDA des jeweils ersten Quartals um die 300 Millionen Euro, also bei nur knapp mehr als einem Drittel des nunmehrigen Werts.

Es braucht schon viel Liebe zur Materie, um sich damit abzufinden, dass Kunden eines teilstaatlichen österreichischen Energiekonzerns für Strom aus Wasser und Wind  plötzlich dramatisch mehr bezahlen müssen, weil der Ukraine-Krieg den Gaspreis treibt. „Das ist den Leuten auch nicht vermittelbar“, sagt der frühere Verbund-Manager und SPÖ-Bundeskanzler a. D. Christian Kern, der die Marktkopplungsmechanismen kritisiert. „Letztlich geht es hier nur um ein Set von Algorithmen, die auf bestimmten Parametern basieren. Man könnte natürlich hergehen und dieses System zugunsten der Gemeinschaft optimieren. Stattdessen werden damit Profite optimiert." Für das Gesamtjahr rechnet das amtierende Verbund-Management mit einem EBITDA in einer Größenordnung von bis zu 3,5 Milliarden Euro. Das entspräche ziemlich genau dem Konzernumsatz (!) des Jahres 2020.

Die Verbund-Aktie? Ende Februar hatte sie noch bei 108 Euro gestanden, zu Redaktionsschluss am 13. Mai waren es knapp 78 Euro, der tiefste Stand seit August des Vorjahres. Seit Jahresbeginn hat die Verbund-Aktie rund 20 Prozent verloren. Die Verbund AG ist zwar eine große börsennotierte Firma, der Streubesitz ist allerdings eher klein. 51 Prozent hält die Republik Österreich via Staatsholding ÖBAG, knapp mehr als 30 Prozent halten die regionalen Energieversorger EVN, Wiener Stadtwerke und Tiwag (die ihrerseits im Einflussbereich der öffentlichen Hand stehen), für den Free float bleiben nicht ganz 20 Prozent.

Dass die Aktie fällt, darf sich ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer gutschreiben lassen. Dieser hatte ja jüngst laut über die Abschöpfung von „Zufallsgewinnen“ in der E-Wirtschaft nachgedacht, ohne  ins Detail zu gehen. Das sorgte bei Investorinnen und Investoren für  Verunsicherung (das bekamen auch die EVN-Titel zu spüren). Was da jetzt wie abgeschöpft werden soll, ist weiterhin unklar, ebenso, was mit dem Abgeschöpften geschähe. So oder so können die Aktionäre für 2022 mit einer höheren Verbund-Dividende rechnen – für 2021 bekam allein die Staatsholding ÖBAG 186 Millionen Euro. Die bisherige Rekordausschüttung für das Jahr 2009 (1,25 Euro je Aktie) könnte durchaus übertroffen werden. Damals gab es übrigens für das gesamte Aktionariat eine „Sonderdividende“, das ist zugleich eines der von Nehammer jüngst angedeuteten (wenn auch nicht explizit angesprochenen) Abschöpfungsmodelle. 

Sonderdividenden sind an sich nichts Ungewöhnliches. Seit der Verbund-Teilprivatisierung 1988 gab es deren vier, zuletzt für das Jahr 2013. Der Verbund hatte damals mit der deutschen E.On Kraftwerke getauscht. E.On übernahm im Wege eines „Asset Swaps“ das Türkei-Geschäft vom Verbund, der dafür Anteile an bayerischen Kraftwerken bekam. Daraus resultierten hauptsächlich buchmäßige Sondereffekte, ohne die der österreichische Konzern 2013 einen Verlust ausgewiesen hätte. Dennoch erhielten die Aktionäre eine Sonderdividende, die der  Rechnungshof später in einem Bericht kritisierte. Diese habe sich „negativ auf den Verschuldungsgrad sowie auf die liquiden Mittel“ ausgewirkt. 
Die nunmehrigen Verbund-Gewinne bestehen allerdings nicht bloß auf dem Papier. Sie sind echt. Man blicke auf die Stromrechnung.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.