Im Pool mit Heinrich Treichl (1913-2014)
Da gibt es ein Bonmot von Heinrich Treichl, das sein Sohn Andreas vor Jahren im kleinen Kreis zitierte. An einem heißen Sommertag sei er einst mit seinem Vater beisammen gesessen und habe ihn gefragt: "Stört es dich, wenn ich mein Sakko ablege? Worauf sein alter Herr repliziert habe: "Keine Ahnung, das hat in meiner Gegenwart noch nie jemand gemacht.
Nun, ich kann vor mir behaupten, in Heinrich Treichls Gegenwart sehr viel mehr als nur ein Sakko abgeworfen zu haben. Und das kam so. Am 31. Juli 2003 beging Treichl, dem schon zu Lebzeiten das Epitheton "legendär anhaftete, seinen 90. Geburtstag, zeitgleich erschienen auch seine Memoiren ("Fast ein Jahrhundert - Erinnerungen, Paul Zsolnay Verlag). profil ersuchte um ein Interview - Treichl sagte zu, war geografisch allerdings unpässlich, da er den Sommer in der Toskana verbrachte. Also verfügten wir - Fotograf Manfred Klimek und ich - uns umstandslos ins liebliche Montepulciano. Als wir nach mehrstündiger Autofahrt aus dem nichtklimatisierten Automobil taumelten, empfing uns Treichl mit den Worten: "Die Herren wirken völlig dehydriert. Sie wollen sich sicher erfrischen. Lassen Sie uns doch gemeinsam eine Runde schwimmen. Und so plantschten der Grandseigneur des österreichischen Bankwesens (als er 1981 als Generaldirektor der CA abdankte, war ich gerade einmal elf Jahre alt) und die profil-Abordnung erst einmal ausgiebig im Pool - Klimek, geistesgegenwärtig, hatte seine Hasselblad-Kamera mit ins Becken genommen. Das teils in Badehosen geführte Interview erschien in Ausgabe 27/03 - unter dem im Lichte der späteren Finanzkrise nachgerade seherischen Titel "Nobody likes Bankers.
Heinrich Treichl entschlief am 2. November im Alter von 101 Jahren (siehe dazu auch den Nachruf von Peter Michael Lingens auf Seite 104). Österreich verliert einen seiner großen Söhne.
Foto: Manfred Klimek