Wie?
Jelitzka
Das ist eine Aufgabe der Stadtplanung, und ich finde, das funktioniert in Wien sehr gut: Der frei finanzierte Wohnbau neben dem geförderten, die öffentliche Schule neben der Privatschule. Die Vielschichtigkeit der Menschen und ihrer Lebensumstände macht die Qualität einer Stadt aus. Ich sehe das auch, wenn ich Hausbegehungen mache. In einem Wiener Zinshaus sind in der Regel alle Lebenswelten: die Professorin, der Junggeselle, die Familie, die gerade so über die Runden kommt, oder eben auch der Messie.
Aus Sicht des Immobilienentwicklers könnte man sagen: Es gibt Optimierungspotenzial!
Jelitzka
Ich weiß, worauf Sie anspielen, aber das ist ein Irrtum. Wenn wir ein Haus kaufen, bleiben die Mietverträge ja unverändert aufrecht. Unser Prinzip ist es, durch Ausbau und Sanierung den Wert zu steigern. Das Zinshausgeschäft ist ein langsames Geschäft. Wer da auf Tempo geht, wird verlieren.
Zuletzt haben viele verloren. Von Signa abwärts hat eine ganze Reihe großer Immobilienentwickler Insolvenz anmelden müssen. Hat Sie das Ausmaß der Pleiten überrascht?
Jelitzka
Für mich waren zwei Dinge überraschend: dass die Zinsen innerhalb von nur 18 Monaten von null auf vier Prozent gestiegen sind. Das ist extrem schnell gegangen.
Und das zweite?
Jelitzka
Wie wenig Kapital einige der Kollegen hatten, die wirklich große Räder gedreht haben.
Das klingt so banal, dass man sich fragt: Wie kann so etwas passieren?
Jelitzka
Das ist natürlich verkürzt. Es gibt immer mehrere Ursachen, Managementfehler waren sicher auch dabei. Aber gerade die jüngeren Kollegen haben von 2009 bis heute in einer Nullzinspolitik gelebt. Die haben erst lernen müssen, dass Geld auch Geld kostet. Für meinen ersten Kredit habe ich neun Prozent Zinsen gezahlt. Aber man gewinnt schon den Eindruck, dass teilweise auch Menschen mit einem, sagen wir, komplexeren Psychogramm unterwegs waren. Die wollten um jeden Preis in der ersten Reihe mitfahren.
Zieht die Immobilienbranche Zocker an?
Jelitzka
Das ist in jeder Branche so, wo man glaubt, schnell viel Geld verdienen zu können. Es gibt leider viele schwarze Schafe in dem Geschäft.
Kann die Marktbereinigung so gesehen vielleicht sogar ein Gewinn sein?
Jelitzka
Ich glaube, dass die Bereinigung für die Branche extrem schlecht ist, weil sie einen riesigen Imageschaden erlitten hat. Vertrauen ist in unserem Geschäft ein wahnsinnig wichtiger Wert, wenn Sie jemandem eine Wohnung verkaufen oder vermieten und wenn Sie Finanzierungsgespräche mit Banken führen. Aber es ist mir schon wichtig zu sagen: Der überwiegende Großteil der Bauträger und Immobilienentwickler macht einen wirklich tollen Job.
Sie sind seit 30 Jahren im Geschäft, haben gemeinsam mit Ihrem Geschäftspartner Reza Akhavan Hunderte Häuser gekauft, umgebaut und verkauft. Verlieben Sie sich manchmal in ein Gebäude?
Jelitzka
Verlieben nicht, sonst könnte ich wahrscheinlich kein Immobilienkaufmann sein. Wenn der Preis passt, verkaufe ich alles. Außer mein eigenes Zuhause. Aber ich bemerke mit zunehmendem Alter, dass mir die gesellschaftliche Verantwortung wichtiger geworden ist. Es gibt Häuser, bei denen wir in erster Linie auf die Baukosten geschaut haben, an denen fahre ich heute nicht gern vorbei. Das sind zum Glück nicht so viele. Besondere Freude habe ich an unseren Hotelprojekten.
Warum das?
Jelitzka
Wenn ich eine Wohnung verkaufe, sehe ich den Kunden bei der Schlüsselübergabe das letzte Mal. In den Hotels sehe ich Leute, die Urlaub machen, die lächeln, gut drauf sind. Das gibt mir auch etwas für mein Seelenwohl.
Ihre Gruppe besitzt inzwischen 20 Hotels, in Wien etwa das Hoxton und das 25hours Hotel. Ist das noch ein Wachstumsmarkt?
Jelitzka
Eigentlich sehe ich die Hotelindustrie als einzige boomende Branche in Europa. Auf der ganzen Welt übernachten jedes Jahr 1,4 bis 1,5 Milliarden Menschen in Hotels jedes Jahr, davon mehr als die Hälfte in Europa. Und das mit weiterhin fünf bis sieben Prozent Zuwachs pro Jahr. Leider ist der Tourismus das Einzige, wofür Europa ökonomisch derzeit steht.
Ist das nicht sehr pessimistisch?
Jelitzka
Vor 25 Jahren war Europa noch eine Wirtschaftsmacht: Die Deutsche Bank war die größte Bank der Welt, die Autoindustrie war führend in der Welt, die Stahlindustrie stark. Das ist alles nicht mehr so. Wir haben es geschafft, mit Airbus einen Gegenpol zu Boeing aufzubauen, aber das war es auch schon. Was sind denn sonst die Zukunftsbranchen in Europa? Elektromobilität? Künstliche Intelligenz? Das glaube ich nicht. Aber ich bin kein Pessimist. Ich glaube daran, dass Europa sich neu aufstellen kann, aber ich bin mir nicht sicher, wie schnell das passiert.
Sie haben kürzlich ein Haus um 150 Millionen Euro gekauft. Schlafen Sie seitdem besser oder schlechter?
Jelitzka
Ich schlafe gut, weil ich weiß, was wir können. Der Kärntner-Ring- Hof mit seiner Lage gleich bei der Wiener Oper ist eine Bluechip-Immobilie (ein Synonym für unzerstörbare Werte, Anm.), die nicht an Wert verlieren wird. Der Bau von Wilhelm Holzbauer ist wahnsinnig schön, hat aber im Shopping-Bereich nie richtig funktioniert. Es gibt kaum Verweilzonen, die Zufahrt zur Tiefgarage ist katastrophal, die Schaufenster sind wenig einladend. Wir haben sehr konkrete Ideen, wie wir es besser machen können.
Unleistbares Wohnen?
"Wenn man Wohnraum braucht, der so leistbar sein muss, dass ein frei finanzierter Bauträger den nicht bauen kann, dann ist das aus meiner Sicht Aufgabe des Staates", meint Daniel Jelitzka. Er investierte erst vor kurzem in ein 150 Millionen Euro teures Haus am Ring.
Die Immobilienpreise sind in den vergangenen 20 Jahren extrem stark gestiegen. Vor allem in den Ballungsräumen beklagen Menschen, dass sie sich die Miete nicht mehr leisten können. Welchen Anteil hat die Immobilienbranche an dem Problem?
Jelitzka
Sprechen wir über Wien. Hier gibt es ungefähr 900.000 Wohnungen. Davon sind 75 Prozent entweder Gemeindewohnungen, geförderte Wohnungen oder es gilt der Richtwert.
Der Richtwert ist ein gesetzlicher Mietpreisdeckel, der insbesondere im Altbau gilt.
Jelitzka
Genau. 75 Prozent der Wohnungen in Wien sind also ohnehin dem freien Markt entzogen. Hier spüren die Menschen neben der Inflation auch die gestiegenen Betriebskosten, vom Kanal bis zur Müllabfuhr. Aber wenn Sie die Menschen fragen, wird jeder sagen, dass die Bauträger gierige Ungeheuer sind.
Sind Sie?
Jelitzka
Nein! Die Wahrheit ist: Als Bauträger können wir uns leistbares Wohnen nicht leisten. Neben den Grundstückspreisen sind auch die Baukosten stark gestiegen, dazu kommen jetzt auch noch höhere Finanzierungskosten. Wenn wir ein Projekt in Wien bauen, dann ist die Kostendeckung bei etwa 5500 bis 6000 Euro pro Quadratmeter erreicht. Da haben wir kein Risiko abgebildet, keine Reserve drin und keinen Gewinn. Der durchschnittliche Kaufpreis liegt in Wien inklusive gefördertem Wohnbau bei 6100 Euro pro Quadratmeter. Da ist es kein Wunder, dass wir in eine massive Wohnungsunterproduktion rutschen.
Derzeit finden Regierungsverhandlungen statt. Sagen wir, Sie werden Wohnbauminister. Wie würden Sie die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass wieder mehr gebaut wird?
Jelitzka
Ich würde versuchen, möglichst viel zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Das Förderwesen ist überall in Österreich anders, es gibt neun verschiedene Bauordnungen, etliche unterschiedliche Behörden mit unterschiedlichen Kompetenzen. Außerdem müssen wir die Baubewilligungsverfahren beschleunigen, die dauern bei uns viel zu lange. Da läuft für den Bauträger die ganze Zeit der Taxameter, ohne dass er losfahren kann. Die Zinsen müssen ja trotzdem gezahlt werden. Das geht relativ einfach.
Wie zum Beispiel?
Jelitzka
In Österreich werden Umwidmung und Baueinreichung nacheinander gemacht. In Deutschland kann man das in Parallelverfahren gleichzeitig machen.
Mitte 2025 läuft die sogenannte KIM-Verordnung aus, die für strengere Kreditvergabestandards bei Häuslbauern gesorgt hat. Ich nehme an, der trauern Sie nicht nach.
Jelitzka
Richtig. Durchschnittsverdiener, die in günstigeren Lagen Eigentum erwerben wollten, haben einfach keine Finanzierung mehr bekommen. Die Wohnbaufinanzierung ist innerhalb kürzester Zeit um knapp 50 Prozent eingebrochen. Es ist nun einmal so: Wenn du jung bist, hast du in der Regel wenig Eigenmittel, aber gerade dann macht es wirtschaftlich am meisten Sinn, eine Wohnimmobilie zu kaufen. Es spricht aus meiner Sicht auch einiges dafür, Kredite mit einer Laufzeit von über 40 Jahren zuzulassen. Das nimmt ein wenig Druck vom Käufer und löst das Wohnproblem über mehrere Generationen.
Und was würden Sie gegen die steigenden Mieten unternehmen?
Jelitzka
Wenn es nach mir geht, würde ich den kompletten Wohnungsmarkt liberalisieren. Aber: Wenn man Wohnraum braucht, der so leistbar sein muss, dass ein frei finanzierter Bauträger den nicht bauen kann, dann ist das aus meiner Sicht Aufgabe des Staates. Analog zum Bildungssystem, dem Gesundheitssystem oder dem Pensionssystem muss dann die öffentliche Hand auch für leistbares Wohnen sorgen.
Zur Person
Daniel Jelitzka (55) studierte Jus in Graz und Immobilienökonomie in Frankfurt. Bevor er sich selbstständig machte, arbeitete er zwei Jahre in der Vorgängergesellschaft der Immofinanz. Er gründete JP Immobilien 1996 mit seinem Kompagnon Reza Akhavan. Die Unternehmensgruppe hat bis heute mehr als 500 Zinshäuser und mehr als 20 Hotels entwickelt, rund 60 Projekte als Bauträger realisiert und als Maklerin circa 15.000 Wohnungen vermittelt.