Inflation und Wohnen: Das eine bremsen, das andere fördern
Österreich ist ein Land der automatischen Inflationsanpassung. Einmal da, zieht die Teuerung schnell in nahezu alle Lebensbereiche ein und verfestigt sich dort. Mit den Folgen kämpft das Land bis heute. Die neue schwarz-rot-pinke Bundesregierung hat dem Thema Inflation und Wohnkosten ein elfseitiges Kapitel im neuen Regierungsprogramm gewidmet. Mit durchaus überraschenden Wendungen und ein paar Maßnahmen, die schon unter schwarz-grün beschlossen wurden, die aber erst jetzt ihre Wirkung entfalten. Und das nicht unbedingt zum Nachteil der neuen Regierung. Eine Übersicht:
Billigeres Wohnen
Die wohl größte Überraschung im Unterkapitel Wohnen im neuen Regierungsprogramm ist die Zweckwidmung der Wohnbauförderung. Was jahrelang von der Bauwirtschaft gefordert und von der Politik galant überhört wurde, soll nun doch umgesetzt werden. Die Wohnbauförderung beträgt nicht ganz drei Milliarden Euro pro Jahr, für alle Bundesländer. In den vergangenen Jahren ist sie aber nicht ausschließlich in das Bauen von Wohnungen und Häusern geflossen, sondern oft in Kreisverkehre, Spielplätze oder in die Landesbudgets, um Budgetlöcher zu stopfen.
Während etwa 1990 das Fördervolumen 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung betrug, waren es im Jahr 2022 nur mehr 0,4 Prozent. Österreichweit wurden 2022 nur noch 18.500 Wohneinheiten gefördert. Zum Vergleich: 2018 waren es noch 27.600. Der Förderungsdurchsatz – das Verhältnis von baubewilligten zu geförderten Bauten – sank bei Eigenheimen österreichweit auf unter 15 Prozent.
Jetzt sollen die Fördermittel für den Wohnbau zweckgewidmet werden und tatsächlich in den Bau von Wohnraum fließen. Einziger Wermutstropfen: Im Regierungsprogramm steht weder, dass sie valorisiert werden soll, noch wie hoch sie künftig sein wird. Durch die Inflation und die gestiegenen Immobilienpreise wurde sie vor allem in den vergangenen drei Jahren massiv entwertet.
Nicht nur die Wohnbauförderung, sondern auch die Wohnbauoffensive soll die strauchelnde Baubranche wieder ankurbeln und die Wohnungsnot ein Stück weit lindern. Die Wohnbaumilliarde wurde eigentlich von der Vorgängerregierung paktiert – 780 Millionen fließen in den Neubau, 220 in Sanierungen. Jetzt entfaltet sie allmählich auch ihre volle Wirkung, weil es naturgemäß einige Monate dauert, bis neue Bauprojekte umgesetzt und die Bundesmittel dafür abgeholt werden. An diesem Instrument wird offenbar nicht gerüttelt, es wird lediglich evaluiert.
Geplant ist auch eine „Prüfung der Abschaffung der staatlichen Nebengebühren sowie der Grunderwerbsteuer (GrESt) beim Erwerb des ersten Eigenheims“, heißt es im Regierungsprogramm – diese machen rund zehn Prozent der Kaufsumme aus. Nur: Eine „Prüfung der Abschaffung“ ist eben noch keine Abschaffung und wie vieles im bestehenden Regierungsprogramm, dürfte diese Maßnahme stark von der budgetären Situation abhängen.
Mietpreisbremse
Streng genommen plant die Regierung keine Mietpreisbremse, sondern eine Deckelung der Indexierung. 2025 sollen demnach die Mieten gar nicht an die Inflation angepasst werden. 2026 um höchstens ein Prozent und 2027 um zwei Prozent. 2028 soll der Index dann neu evaluiert werden. Aber: Wie schon bei der bestehenden Mitpreisbremse gilt all das nur für den regulierten Mietmarkt. Also für den Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes, für Kategoriemieten und dem Bereich der Gemeinnützigen. Eingriffe beim freien Mietzins sind nicht geplant. Damit profitieren auch nur rund die Hälfte der Mieterinnen und Mieter direkt von dieser Maßnahme.
Preise und Wettbewerb
Ende 2022 kam es infolge der Ukraine-Krise auf den Energiemärkten zu massiven Verwerfungen. Die Energiepreise schossen in die Höhe und trieben damit die Verbraucherpreise und die Inflation massiv an. Die damalige Regierung beschloss, erst ganz spät in die Strompreise einzugreifen und stattdessen zunächst mit Einmalzahlungen die Kaufkraft der Bürger und Bürgerinnen zu stabilisieren. Letzten Endes ließ man die Inflation so durchrauschen. Im Windschatten der explodierenden Energiepreise steigen auch die Preise in den Geschäftsregalen und in den Gasthäusern massiv.
Die höheren Verbraucherpreise führten zu besonders hitzigen Lohnverhandlungen und in fast allen Branchen zu Lohnsteigerungen rund um die rollierende Inflation. Auch die Mieten und eine Reihe kommunaler Gebühren wurden automatisch an die hohe Inflation angepasst, was die Teuerung nochmal antrieb.
Sollte die Inflation wieder deutlich steigen, sollte diese Dynamik durchbrochen werden, wünscht sich die neue Regierung. Und tatsächlich kletterte die Teuerung im Jänner wieder auf 3,4 Prozent, nach rund zwei Prozent im Dezember. Im Kampf gegen Marktkonzentration und hohe Preissprünge sollen etwa die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), das Kartellgericht und die Wettbewerbskommission gestärkt werden. In Branchen mit geringem Wettbewerb soll es zudem Ansiedelungsförderungen geben.
Das Thema Freihandel taucht im aktuellen Regierungsprogramm nicht mehr als Schreckgespenst auf, sondern ausgerechnet als Maßnahmen gegen die Teuerung. „Förderung des Freihandels bei gleichzeitiger Sicherstellung, dass Handelsabkommen mit internationalen Partnern soziale und ökologische Standards einhalten und fördern“, steht dort wörtlich. Mechanismen für Preiseingriffe oder Preiskontrollen in Krisenzeiten finden sich aber nicht im neuen Koalitionspapier. Stattdessen will man offenbar auf mehr Kontrollen, Transparenz und Freiwilligkeit setzten. „Das Leben in Österreich muss für die Menschen leistbar sein“, steht in Einleitungstext dieses Kapitels. Mal sehen.