Interessenskonflikt bei Hypo Tirol: Der Aufsichtsratschef und der umstrittene Millionendeal
Von Josef Redl
Schriftgröße
Im Jahr 2016 bot sich Josef Gunsch eine einmalige Gelegenheit. Der Tiroler Geschäftsmann hatte die Chance, seinen Kompagnon aus dem gemeinsamen Unternehmen rauszukaufen. Was ihm fehlte: 2,5 Millionen Euro. Was er dafür aber hatte: einen guten Steuerberater.
Eigentlich ist Wilfried Stauder viel mehr als nur ein guter Steuerberater. Wilfried Stauder ist einer der mächtigsten Männer in Tirol: Er war Landtagsabgeordneter für die ÖVP, sitzt als Eigentümervertreter im Aufsichtsrat des Medienkonzerns Moser Holding, der die Tiroler Tageszeitung herausgibt, und leitet als Aufsichtsratschef die Geschicke der Landesbank Hypo Tirol. Die vielfältigen Geschäftsbeziehungen, die Stauder pflegt, führen allerdings immer wieder zu Interessenskonflikten. Josef Gunsch hätte deswegen beinahe sein Unternehmen verloren, meint er heute.
Möglicherweise hätte Josef Gunsch seine Geschichte niemals erzählt, wäre da nicht Johannes Anzengruber gewesen. Der frühere Hüttenwirt eroberte als unabhängiger Kandidat im Mai 2024 überraschend das Bürgermeisteramt in Innsbruck – nachdem ihn ausgerechnet seine eigene Partei, die ÖVP, abserviert hatte. Anzengruber ging in einer Stadt, in der jeder jeden kennt, als Anti-Establishment-Kandidat gegen Freunderlwirtschaft und politische Packelei ins Rennen. Getragen wurde die Graswurzelbewegung vor allem von lokalen Unternehmern wie Josef Gunsch. Er ist Geschäftsführer und Eigentümer von Physiotherm, einem Hersteller von Infrarotkabinen, wie sie in den Wellnessbereichen von Hotels und Thermen zum Einsatz kommen. Den meisten Tirolern ist er als früherer Präsident des Fußball-Traditionsvereins Wacker Innsbruck bekannt. „Wir sind damals gewarnt worden, dass das politische Engagement für unsere Geschäfte nicht förderlich sein wird“, erzählt Gunsch. Gunsch wollte sich nicht einschüchtern lassen. Er kandidierte aus Solidarität auf dem 20. Listenplatz für Anzengrubers Liste. Unbemerkt von der Öffentlichkeit führte er noch einen zweiten Kampf gegen das Establishment. Er machte eine Aussage bei der Finanzmarktaufsicht (FMA), um seine persönlichen Erfahrungen mit dem Power-Play von Tirols Mächtigen zu dokumentieren. Die Zeugenvernehmung fand am 5. Dezember 2023 statt und liegt profil vor.
Die Vorgeschichte: 2016 kam ein Mann mit Beziehungen, wie Wilfried Stauder sie hatte, für Josef Gunsch wie gerufen. Damals war er nur mit 33 Prozent an der Physiotherm Holding GmbH beteiligt, sein Partner bot ihm die restlichen 67 Prozent zur Übernahme an. Operativ hatte Gunsch das 1995 als Drei-Mann-Betrieb gestartete Unternehmen ohnehin bereits geleitet. Steuerberater von Physiotherm und auch von Gunsch persönlich war damals Wilfried Stauder. Gemeinsam verhandelten sie eine Kaufoption über 2,5 Millionen Euro. „Mit dieser Option ging ich dann auf die Suche nach möglichen Investoren. Es war bald klar, dass Stauder mit dabei sein möchte, und deshalb suchten wir gemeinsam“, so Gunsch. Konkret sollte der 67-Prozent-Anteil an Physiotherm nach der Übernahme in eine neu gegründete Gesellschaft eingebracht werden. Stauder und zwei weitere Investoren waren bereit, insgesamt knapp 800.000 Euro einzubringen, es fehlten also immer noch 1,7 Millionen. Gespräche mit Banken waren ernüchternd. Zu wenig Eigenkapital, kaum Sicherheiten. Es sei denn, man heißt Wilfried Stauder. „Er hat die Leute in der Hypo intern gekannt und sich selbst eingesetzt“, erklärt Gunsch in seiner Aussage. Am 29. Februar 2016 erhält er eine Finanzierungszusage der Hypo Tirol im Konsortium mit zwei weiteren Banken. „Wer es ausverhandelt hat, weiß ich nicht, ich war nicht dabei. Ich habe den Kreditvertrag vorgelegt bekommen und ihn unterschrieben“, gibt Gunsch bei der FMA zu Protokoll.
Ich habe den Kreditvertrag vorgelegt bekommen und ihn unterschrieben.
Win-win-Situation
Geht es nach Wilfried Stauder, dann hat er seine Funktionen stets säuberlich getrennt. „Ich vermittle als Aufsichtsratschef keine Kredite“, sagt Stauder auf profil-Anfrage. Aber: „Ich führe Gespräche über Finanzierungen für Klienten.“ Profitierte er dabei von seiner Rolle als Dealmaker? Zumindest bekam Stauder seine Physiotherm-Anteile deutlich günstiger als die anderen Investoren.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein möglicher Interessenskonflikt von Wilfried Stauder Fragen aufwirft. Im Jahr 2013 kritisierte der damalige SPÖ-Landtagsabgeordnete Klaus Gasteiger ein Immobiliengeschäft der Hypo Tirol. Die Bank hätte ein Grundstück zu günstig verkauft – an einen Klienten von Steuerberater Wilfried Stauder. „Die Hypo hat mir damals mit einer Klage gedroht. Dazu ist es aber nicht gekommen“, erinnert sich Gasteiger gegenüber profil.
Der Tiroler Blogger Markus Wilhelm berichtete 2020 über einen „waghalsigen Millionenkredit“ der Hypo für ein Hotel im Außerfern, das zu den Klienten von Steuerberater Stauder zählt. „Es riecht stark nach Unvereinbarkeit“, resümierte der Blogger damals.
„Ich sage Ihnen Folgendes: Die Hypo Tirol und der Stauder im Speziellen schauen ganz genau, dass alle Gesetze und Formalitäten eingehalten werden“, sagt Stauder. Dazu gehört auch, dass Kredite über 500.000 Euro dem Aufsichtsrat vorgelegt werden müssen. Er selbst sei aber gar nicht Mitglied im dafür zuständigen Kreditausschuss. Die FMA will sich zu dem Verfahren, das Gunsch angestoßen hat, nicht öffentlich äußern. Wenn die Finanzierung für die Physiotherm-Anteile ordnungsgemäß dem Aufsichtsrat vorgelegt wurde und der befangene Stauder dabei nicht involviert war, ist der Vorgang nach dem Gesetz sauber.
Inzwischen ist er auch nicht mehr an der Physiotherm-Gruppe beteiligt. Nachdem es zwischen Gunsch und zwei der Investoren ständig Konflikte gab, kam es Ende 2018 zum Showdown. Am 16. November 2018 unterzeichnen die Gesellschafter einen Abtretungsvertrag, der über die Zukunft der Besitzverhältnisse entscheiden sollte. Der Inhalt: Josef Gunsch kann Stauder und den zweiten Investor gegen eine Zahlung von 675.000 Euro aus der Gesellschaft herauskaufen. Damit wäre den beiden ihr Einsatz samt Zinsen abgegolten gewesen. Die Summe mag gering wirken, aber Gunsch war zu dem Zeitpunkt bereits hohe persönliche Haftungen für das Unternehmen eingegangen. Er hatte in den Jahren zuvor viel Geld in den Wachstumskurs samt neuem Headquarter in Tirol und neuer Produktionsstätte in Deutschland investiert.
Die Sache hatte einen Haken: Kann Gunsch bis 31. Dezember keine Bankgarantie über die volle Summe vorlegen, wird ein Verkaufsprozess für das gesamte Unternehmen eingeleitet. Und zwar zu sehr ungünstigen Konditionen für Mehrheitseigentümer Gunsch. „Für den Fall, dass zumindest einer der Gesellschafter beabsichtigt, seinen Geschäftsanteil an einen Kaufinteressenten zu übertragen, sind die übrigen Gesellschafter „… zur Mitveräußerung ihres gesamten Geschäftsanteils zu denselben Bedingungen verpflichtet“, heißt es unter dem Punkt „Mitveräußerungspflicht“ im Abtretungsvertrag.
Die 1,4-Millionen-Euro-Zwickmühle
In anderen Worten: Nimmt einer der Gesellschafter ein Angebot an, müssen alle anderen zu denselben Konditionen verkaufen. Ein Mindestverkaufspreis wurde dabei explizit nicht vereinbart. Außerdem hätte Gunsch laut Vertrag einen im Vergleich zu den Investoren reduzierten Anteil am Verkaufserlös erhalten. „Das war der Versuch einer feindlichen Übernahme von innen heraus“, sagt Gunsch. Mit unfreundlicher Unterstützung der Hypo Tirol. Zwei Wochen, nachdem Gunsch den Abtretungsvertrag mit der Kaufoption unterzeichnet hatte, erhielt er ein Schreiben von seiner Bank. Der Kreditbetreuer der Hypo Tirol machte Gunsch darauf aufmerksam, dass im Kreditvertrag eine „Change of control“-Klausel vereinbart sei: Jede Veränderung bei den Besitzverhältnissen müsse der Bank mitgeteilt werden und kann dazu führen, dass die Bank den Kredit fällig stellt.
FMA-Whistleblower
"Meine Anwälte waren der Meinung, dass die Kündigung des Kreditvertrags rechtlich nicht hält", sagt Physiotherm-Chef Josef Gunsch.
Eine Doppelmühle: Zahlt Gunsch die Investoren nicht aus, können diese das gesamte Unternehmen zu einem Spottpreis verkaufen. Kauft er die Anteile der Investoren, muss er den gesamten Kredit – von den ursprünglich 1,7 Millionen Euro waren noch 1,4 Millionen Euro offen – auf einmal aufbringen. „Ich habe bei einer deutschen Bank das Geld bekommen, um die Investoren rauszukaufen. Meine Anwälte waren der Meinung, dass die Kündigung des Kreditvertrags rechtlich nicht hält, weil ich ja zuvor schon Mehrheitseigentümer der Physiotherm-Gruppe war. Ich habe es dann drauf ankommen lassen“, sagt Gunsch.
Am 12. Februar 2019 erhält er per Einschreiben Post von seiner Bank. „Eine Zustimmung der Hypo Tirol Bank AG – wie in der als Kreditbedingung im Kreditvertrag vom 7.3.2O16 formulierten Change of Control Klausel gefordert – wurde nicht erteilt. Aufgrund des Bruches der Kreditvereinbarung ist unsere Forderung zur Rückzahlung fällig und wir fordern Sie auf, den genannten Betrag mit Valuta 28.02.2019 zur Einzahlung zu bringen“, heißt es darin. Und weiter: „Wir ersuchen um termingerechte Erledigung, widrigenfalls werden wir weitere Maßnahmen zur Eintreibung unserer Forderung in die Wege leiten.“ Hypo-Aufsichtsratschef Wilfried Stauder bestreitet, damit etwas zu tun gehabt zu haben. „Der Stauder ist also hingegangen und hat der Hypo gesagt, dass sie den Kredit fällig stellt? Dann unterstellen Sie, dass wir alle Gauner sind“, sagt er hörbar wütend zu profil.
Die Anwälte von Josef Gunsch haben die Kündigung des Kreditvertrags erfolgreich bekämpft. Das Letzte, was er von seinem ehemaligen Geschäftspartner Wilfried Stauder gehört hat, war eine Zahlungsaufforderung. Stauder hatte noch eine Rechnung für seine Leistungen als Steuerberater offen.
Josef Redl
Wirtschaftsredakteur. Davor Falter Wochenzeitung.