EU-Kommissar Johannes Hahn über die Russland-Sanktionen

Interview: EU-Kommissar Johannes Hahn über die Russland-Sanktionen

Bestrafen und verhandeln: EU-Kommissar Johannes Hahn über den Spagat der Europäischen Union im Umgang mit Wladimir Putin.

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profil: Sie sind als EU-Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik im Zentrum der Ukraine-Krise. Ihr Urteil zu den Sanktionen der EU? Johannes Hahn: Die EU war gezwungen, die Sanktionen zu beschließen, da Russland die europäische Friedens- und Sicherheitsarchitektur der letzten zwei Jahrzehnte massiv unterminiert. Mit der illegalen Annexion der Krim und der russischen Einmischung im Osten der Ukraine hat Putin eine rote Linie überschritten. Die Sanktionen sind Ausdruck der uneingeschränkten und einstimmigen Unterstützung der EU und aller Mitgliedsstaaten für die Souveränität, territoriale Integrität und Unabhängigkeit der Ukraine. Es ist Russland nicht gelungen, uns auseinanderzudividieren.

profil: Waren die Sanktionen wirklich wirksam? Hahn: Die Sanktionen sind nicht Selbstzweck, sondern ein Politikinstrument. Daher haben wir gleichzeitig die Tür für Verhandlungen mit Russland immer offengelassen. Das zweite Minsker Abkommen, das auf europäischer Seite von Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Hollande ausgehandelt wurde, ist von der gesamten EU ausdrücklich mitgetragen und unterstützt worden. Es liegt an Russland, das Angebot für eine langfristige und nachhaltige Lösung des Konflikts aufzugreifen. Nun geht es um die vollständige Umsetzung des Abkommens. Ich begrüße in diesem Zusammenhang die Entscheidung, die OSZE-Beobachtermission zu verlängern, die auch eine Aufstockung von bis zu 1000 Beobachtern möglich macht.

Die Sanktionen bleiben so lange am Tisch, so lange es nötig ist, Druck zu erzeugen.

profil: Putin hat sich von den EU-Strafmaßnahmen bis jetzt nicht beeindrucken lassen. Hahn: Dieser zweigleisige Ansatz - Sanktionen und Verhandlungen - hat sich als äußerst wirksam erwiesen. Immerhin haben wir einen Waffenstillstand im Interesse der leidgeprüften Bevölkerung in der Ostukraine erreicht, der weitgehend hält. Doch die Sanktionen bleiben so lange am Tisch, so lange es nötig ist, Druck zu erzeugen. Dass unsere Wirtschafts- und Finanzmaßnahmen, im Verein mit dem Ölpreisverfall, wirksam waren, daran besteht nicht der geringste Zweifel. Sie haben Moskau deutlich gemacht, dass sein inakzeptables Verhandeln einen hohen wirtschaftlichen Preis hat. Die Vorgangsweise Präsident Putins ist auch nicht dazu angetan, bei ausländischen Investoren Vertrauen in die Verlässlichkeit von Vereinbarungen zu erzeugen.

profil: Was kann die EU konkret für die Ukraine tun? Hahn: Das beste Rezept gegen Interventionen von außen ist eine stabile, demokratische und wirtschaftlich erfolgreiche Ukraine, die selbst frei über ihre Zukunft entscheiden kann. Ich bin in ständigem Kontakt mit Kiew und konnte mich erst kürzlich wieder vor Ort von wichtigen Reformfortschritten überzeugen. Wir haben mit dem EU-Ukraine-Assoziierungsabkommen einen ganz klaren Reformplan vorgelegt, der die finanzielle Unterstützung der EU an Bedingungen knüpft. Die Ukraine ist auf gutem Wege, diese Bedingungen zu erfüllen. Es wurden zentrale Reformen im legislativen Bereich auf den Weg gebracht, wie zum Beispiel das ganz entscheidende Anti-Korruptionsgesetz. Mit dem neugewählten Parlament und der neuen proeuropäischen Regierung ist eine wesentliche Voraussetzung dafür erfüllt, dass die Ukraine die wirtschaftliche Konsolidierung und den Demokratisierungsprozess vorantreiben wird. Aber keine Frage: Für 2015 erwarten wir, dass die Reformen mit konkreten Maßnahmen in die Praxis umgesetzt werden!

profil: In der EU gilt Österreich neben Ungarn und Griechenland als größter Hort von "Putin-Verstehern“. Wie glaubwürdig ist unsere Politik unter EU-Partnern? Hahn: Die EU-Außenpolitik ist seit dem Vertrag von Lissabon kohärenter und effizienter geworden. In den wesentlichen Fragen herrscht Konsens, gerade auch zu den Sanktionen, die alle einstimmig mittragen - auch Österreich. Darauf kommt es an.

profil: Was halten Sie von der neuen Agentur zur Modernisierung der Ukraine des ukrainischen Oligarchen Dimitri Firtasch, in der Ihr ehemaliger Parteiobmann Michael Spindelegger als Geschäftsführer tätig sein wird? Hahn: Es ist eine von mehreren Privatinitiativen. Für mich als EU-Kommissar ist aber im Endeffekt einzig der Reformplan relevant, den wir mit der ukrainischen Regierung selbst vereinbart haben. Daran sind auch unsere wichtigen EU-Finanzhilfen geknüpft. Außerdem geben wir Kiew praktische Expertise bei der Umsetzung ihrer Reformen vor Ort. Breite Unterstützung und neue Ideen sind gut - aber man sollte auch aufpassen, nicht zu viele internationale Köche in die Küche zu schicken. Letztlich ist es die ukrainische Regierung selbst, welche die Dynamik der Umsetzung bestimmt und konkrete Resultate liefern muss.