Bergbau Eisenerz
Kritische Rohstoffe

Kampf um Rohstoffe: Europas Schlüssel für Energiewende und Aufrüstung

Seltene Erden und andere Rohstoffe sind weltweit heiß begehrt. Spätestens mit den US-Forderungen an die Ukraine und der Debatte um Grönland ist das offene Ringen um Ressourcen voll entbrannt. Nur: Kann Chinas Monopol noch geknackt werden?

Drucken

Schriftgröße

US-Präsident Donald Trump wirft mit massiven Strafzöllen um sich, 125 Prozent sind es auf Güter auf China. Die Antwort? Exportbeschränkungen auf die sogenannten Seltenen Erden. Diese werden von der Rüstungsindustrie, für Technologie und die Grüne Transformation dringend benötigt – und China kontrolliert 90 Prozent des Weltmarkts. Auch an einer anderen Front feilschen die USA um die Metalle: Mit der Ukraine. Die ukrainischen Bodenschätze sollen als Gegenwert für Sicherheitsinfrastruktur fungieren, gleichzeitig droht US-Präsident Donald Trump seinem ukrainischen Counterpart Selenskyj, falls die Ukraine sich dem Deal verweigert, mit „big problems”. Laut Reuters würde sich die Ukraine gemäß dem aktuellen Verhandlungsstand dazu verpflichten, alle Profite aus Ressourcen in einen US-Fonds einzuzahlen, bis die Kriegshilfen samt Zinsen zurückgezahlt sind. Zuletzt erteilte Selenskyj jedem Deal eine Absage, der die Integration der Ukraine in Europa gefährden würde. Denn auch die EU will die Rohstoffe in der Ukraine, ein entsprechendes Rohstoffpartnerschaftsabkommen wurde auch nach Kriegsbeginn 2022 erneuert.

Dazu muss man wissen, dass die EU 2008 erstmals eine Liste mit kritischen Rohstoffen definierte. Diese wurde erweitert, Stand heute sind es 34 Stoffe. Darunter die besagten Seltenen Erden, die eine Gruppe von 17 Metallen sind, aber auch Kupfer, Aluminium bzw. dessen Ausgangsstoff Bauxit oder Magnesium. „Kritisch” sind Rohstoffe dann, wenn sie wirtschaftlich bedeutend sind und gleichzeitig ein Versorgungsrisiko besteht, so Karin Küblböck von der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE). 

Komplette Abhängigkeit von China

„Bis vor etwa 15 Jahren war das kein wichtiges Politikfeld der EU, weil der Zugang als gesichert galt”. Hier clashen Handels-, Umweltpolitik, sowie Forschung und Entwicklung aufeinander. Ende März veröffentlichte die EU-Kommission eine Liste von 47 strategischen Projekten für Recycling, Gewinnung und Verarbeitung. Den ausgewählten Projekten stehen schnellere Genehmigungsverfahren zu. Eines davon ist eine Batteriefabrik in Ostdeutschland, aber dazu später mehr. In Österreich gibt es kein derartiges Projekt, es hat sich aber auch kein Unternehmen beworben, heißt es aus der Abteilung Bergbau, die im Finanzministerium angesiedelt ist. Europa hat sich in eine vollständige Abhängigkeit von China in puncto Rohstoffen begeben. Bergbau, Recycling und Verarbeitung der Rohstoffe sind energieintensiv – und Energie ist in Europa teuer; einem schnellen Aufbau stehen auch Umweltprüfungsverahren und Widerstand in der Bevölkerung entgegen.

Batterien, im Fachjargon Lithium-Ionen-Akkus, sind ein Motor der grünen Transformation, der Wende hin zu einer strom-basierten Wirtschaft und weniger fossilen Energieträgern. Aber auch für die wirtschaftliche Sicherheit werden Rohstoffe benötigt: Aufrüsten mit in Europa produzierten Rüstungs- oder Luftfahrtsgütern ist ohne die kritischen Rohstoffe nicht möglich, ebenso wenig wie eine fortschreitende Digitalisierung. Nur ein Beispiel: In jedem Handy sind 50 verschiedene Metalle verbaut, auch wenn es nur geringe Mengen sind, die einzelnen Elemente sind unersetzbar. Nur aktuell läuft die Lieferkette für Batterien über China: 

„Gr” steht in der oben angeführten Grafik für „Graphit”. Und das ist ein Grundbestandteil von Lithium-Ionen-Batterien – der Stoff wird fast zu 100 Prozent in China gewonnen und verarbeitet. Und das beschränkt sich nicht nur auf Graphit, China ist Förder- und Verarbeitungs-Weltmeister bei 28 verschiedenen Grundstoffen, ein Drittel davon steht auf der Liste der kritischen Rohstoffe der EU. Die de facto Monopolstellung von China reicht so weit, dass das autoritär regierte Land die Preise vorgeben kann. Staats-Subventioniertes Preisdumping, wie bei E-Autos, gibt es bei Rohstoffen schon lange. 

China ist die verlängerte Werkbank der Welt, dort wird produziert und bei uns konsumiert.

Karin Küblböck, Senior Researcher ÖFSE

Bergbau findet in Europa unter anderen Bedingungen als in China oder im Kongo statt, so Karin Küblböck von der ÖFSE. Europa habe aber aktuell kaum große Bergbaufirmen, abgesehen von der Schweiz. Mit dem Critical Raw Material Act der EU wurde eine Basis gelegt, um die Lieferkette strategisch wieder nach Europa zu holen, etwa durch beschleunigte Genehmigungsverfahren für die strategischen Projekte. Ziel des Critical Raw Materials Acts ist bis 2030, dass zumindest 10 Prozent der in der EU konsumierten kritischen Rohstoffe in der EU gefördert werden und die EU von keinem Drittland zu mehr als 65 Prozent abhängig ist. Allerdings können beschleunigte Genehmigungsverfahren Nicht-EU-Staaten nicht vorgeschrieben werden. Hier kann nur versucht werden, über die europäische Investmentbank und andere Institutionen verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten zu schaffen.

Die Grenzen der freien Marktwirtschaft

Die EU bemüht sich nun um einen lokalen Abbau und Verarbeitung von Rohstoffen, denn „man hat gesehen, dass Lieferketten nicht so stabil wie geglaubt sind”, durch Corona, den Ukraine-Krieg und nun den Handelskrieg der USA. Der „sogenannte” freie Markt habe hier versagt, so Küblböck. „Jetzt erlebt die Industriepolitik eine Renaissance. Es ist vollkommen klar, dass es ohne eine europäische Strategie, Intervention oder Koordination nicht gehen wird.” 

In der Debatte um die serbische Lithium-Mine im Jadar-Tal werden die Konfliktlinien der Rohstoffpolitik sichtbar: Das Projekt lag auf Eis wegen Risiken bei der lokalen Wasserversorgung, bis der Hunger der EU nach Rohstoffen erwachte, seither zeigt sich der Westen gegenüber Serbiens Präsidenten Vučić auffallend kooperationsbereit. Die Umweltbedenken sind Beweggründe, warum sich die lokalen Bauern in den aktuellen Protesten gegen die Regierung mit den Studierenden solidarisieren. Zuletzt eckte der ehemalige deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) an, weil er mit Vučić einen Pakt schloss. Denn Deutschland hat sein eigenes Lithium-Werk, eines der strategischen Projekte aus dem Critical Raw Materials Act. Dort soll der Batterie-Bedarf für 500.000 E-Autos gedeckt werden, Partner soll der Autohersteller Mercedes Benz sein. 

Für eine einzige Autobatterie braucht es zwischen sechs und 50 Kilogramm Lithium. Allerdings herrscht in der europäischen Wirtschaft große Unsicherheit, denn Deutschland hat die Elektroauto-Technologie verschlafen. Die Lithium-Minen rentieren sich nicht für ihre Investoren, wenn es keine Nachfrage für Elektromobilität gibt. Erst Ende März meldete der schwedische Batteriehersteller Northvolt Insolvenz an. Dieser Kollaps der europäischen Batteriehoffnungen gilt für die Amerikaner als abschreckendes Beispiel. So berichtete „Bloomberg”, dass die Batteriebestellungen europäischer Autohersteller sowie von Tesla nicht ausgereicht hätten, um Northvolt über Wasser zu halten. Gleichzeitig verließ sich der Hersteller auf chinesische Technologien. Auch in Deutschland hatte der Batteriehersteller eine Fabrik – hier gibt es nun Spekulationen über eine Übernahme aus China. 

Ruf nach staatlicher Lenkung

Jährlich überarbeitet China seinen Katalog zu Technologien, deren Export in den Westen verboten oder eingeschränkt ist, heißt es aus dem Finanzministerium. So sind zum Beispiel Technologien zur Herstellung von Lithiumbatterien- und Kathodenmaterialien und Techniken zur Gewinnung von Lithium eingeschränkt. Hier müsse die EU Antworten finden, auf die „unlautere und protektionistische Maßnahmen seiner Mitbewerber. Das inkludiert auch staatliche Lenkungsmaßnahmen, wenn Marktversagen konstatiert wird und dieses Marktversagen nicht mit marktkonformen Instrumenten beherrschbar ist.“

Der Ende des Hypes lässt sich auch an der Preisentwicklung ablesen: Er ist im Keller – auf einem Level, wo unklar ist, ob die geplanten Minen überhaupt rentabel operieren können. Zum Vergleich: Zwischen 2018 und 2022 stieg die Weltproduktion von Lithium um 72 Prozent an; zwischen 2000 und 2022 gar um mehr als 1100 Prozent (World Mining Data, BMF 2024). Lohnen sich die Großprojekte also? Die europäischen Minen-Projekte seien realisierbar, heißt es dazu aus dem Finanzministerium, wenn sie international wettbewerbsfähig sind. Stützmöglichkeiten könnten Abnahmegarantien und Mindestpreisvereinbarungen sein – solange sie mit europäischen Wettbewerbsrecht vereinbar sind und sofern Abnehmer und Anbieter willig sind, die Instrumente zu nutzen.

Fraglich sei auch, sagt Küblböck, wie viele Arbeitsplätze durch neue Bergwerke und Rohstoffaufbereitung geschaffen würden, denn Rohstoffabbau und -Verarbeitung seien heute hochautomatisiert. 

Karin Küblböck verweist aber auf andere Ansätze: Die Welt muss umdenken. Das Bedürfnis, dass hinter dem Individualverkehr steht, das sei Mobilität – nicht ein Auto zu besitzen. Demnach brauche es neue ressourcenschonende Wege, um diese Bedürfnisse zu erfüllen. Mit dem Critical Raw Material Act will die EU auch Recyclingquoten für kritische Rohstoffe erhöhen. Aber auch hier müsse weiter gedacht werden. „Echte Kreislaufwirtschaft beginnt früher, bei Reparierbarkeit, Austauschbarkeit von Komponenten und Langlebigkeit von Produkten. Um das zu erreichen, brauche es klare politische Vorgaben und Rahmenbedingungen, meint die Expertin. Nur durch Marktkräfte sei die Grüne Wende nicht zu erreichen.

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz ist seit Dezember 2024 im Digitalteam. Davor arbeitete sie als Redakteurin bei PULS 24, und als freie Gestalterin bei Ö1. Sie schreibt über Politik, Wirtschaft und Umwelt.