Kanzler Kurz gegen die Kirche: „Bitte Vollgas geben“

2019 kritisierten Spitzen der Katholischen Kirche die Asylpolitik der ÖVP-FPÖ-Koalition. Der Bundeskanzler ließ der Bischofskonferenz via BMF drohen: Verlust von Steuerprivilegien und Förderungen. In Chats amüsierte man sich über einen hohen Kirchenfunktionär.

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Es war das erste Mal, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz mit scharfer, öffentlicher Kritik der katholischen Kirchenführung konfrontiert war: Anfang März 2019 warnte Kardinal Christoph Schönborn angesichts der türkis-blauen Pläne einer Präventivhaft („Sicherungshaft“) für Asylwerber eindringlich vor diktatorischen Verhältnissen. Der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka, legte im Namen aller österreichischen Bischöfe nach und verwies – wenig verblümt – gar auf den Nationalsozialismus.

Bis dahin war Kritik an Kurz von Kirchenseite eher eine Domäne der als links geltenden Caritas gewesen und musste dem Kanzler politisch nicht allzu viele Sorgen bereiten. Ein Rüffel von ganz oben war neu – und für Kurz, der wie jeder ÖVP-Chef die Wählergruppe der überzeugten Katholiken besonders im Auge haben muss, durchaus herausfordernd.

Eine Reaktion ließ nicht allzu lange auf sich warten. Und diese hatte es in sich, wie das profil vorliegende Protokoll eines Handy-Chats zwischen Sebastian Kurz und seinem Vertrauten Thomas Schmid vom 13. März 2019 zeigt. Schmid war damals Generalsekretär des Finanzministeriums und Kabinettschef von Finanzminister Hartwig Löger, stand aber vor dem Wechsel an die Spitze der Staatsholding ÖBAG, wahlweise auch „Schmid AG“ (Urheberrecht: Gernot Blümel).

Wir werden Ihnen ordentliches Package mitgeben

Am 13. März 2019 hatte Thomas Schmid einen beruflichen Termin mit dem eingangs erwähnten Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz, Peter Schipka, der kurz zuvor die Asylpolitik der türki-blauen Bundesregierung öffentlich kritisiert hatte. Ab dem frühen Nachmittag  schrieb Schmid in mehreren aufeinander folgende Nachrichten an Kurz (Anm.: wörtliches Transkript):

„Heute ist die Kirche bei uns Schipka kommt um 16.00 Wir werden Ihnen ordentliches Package mitgeben Im Rahmen eines steuerprivilegien Checks aller Gruppen in der Republik wird für das BMF auch die Kirche massiv hinterfragt Alles sind gleich Dann gehen wir unsere Liste durch. LG Thomas“.

Kurz replizierte: „Ja super. Bitte Vollgas geben.“

Darauf Schmid: „Yea! Das taugt mir voll 👍🏻💪🏻 “.

Thomas Schmid

Er bot mir Schnaps an

Noch an diesem 13. März 2019 berichtete Schmid dem Bundeskanzler über den Verlauf des Gesprächs mit Schipka. Und machte sich auch gleich über den hohen Kirchenfunktionär lustig. Am späteren Nachmittag schrieb Schmid an Kurz:

„Also Schipka war fertig! Steuerprivilegien müssen gestrichen werden Förderungen gekürzt Und bei Kultus und Denkmalpflege wesentliche Beiträge Heimopfergesetz werden wir deckeln Er war zunächst rot dann blass dann zittrig Er bot mir Schnaps an den ich in der Fastenzeit ablehnte weil Fastenzeit Waren aber freundlich und sachlich“.

Der Kanzler bedankte sich: „Super danke vielmals!!!! Du Aufsichtsratssammler :)

Darauf Schmid: „😘😘“.  

Der Chat endet mit der Bemerkung Schmids, dass er einen bei dem Termin ebenfalls anwesenden Mitarbeiter des Finanzministeriums nun „aufpäppeln“ müsse, „weil ihm Schipka so leid getan hat“.

Staatlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften sind in Österreich steuerbegünstigt. Soweit es die Katholische Kirche betrifft, ist dieses Privileg in einem 1933 geschlossenen Konkordat (und mehreren Folgeverträgen) zwischen der Republik Österreich und den Heiligen Stuhl in Rom festgeschrieben. Als Körperschaft öffentlichen Rechts ist es kirchlichen Einrichtungen im Wesentlichen erlaubt, Kirchenbeiträge und -Gebühren steuerfrei zu vereinnahmen. Daneben sind unter anderem auch Gotteshäuser von der Grundsteuer befreit, umgekehrt können Mitglieder Kirchenbeiträge und -spenden von der Steuer absetzen.

Dass ausgerechnet ein konservativer Kanzler den Generalsekretär des Finanzministeriums dazu ermunterte, mit „Vollgas“ gegen die Katholische Kirche anzufahren, ist an sich schon bemerkenswert. Dass nichts davon im türkis-blauen Regierungsprogramm stand, erst recht. Dass dies in zeitlicher Nähe zur Kritik der Kirche an der Asylpolitik passierte, nur noch mehr.

Ich war überrascht und verwundert

Was sagt der Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz Peter Schipka dazu? „Ja, es gab diesen Termin 2019 bei uns im Generalsekretariat. Wir waren zu viert, Thomas Schmid kam in Begleitung, auch von mir war ein Mitarbeiter dabei.“

Schipka war zu dieser Zeit gewissermaßen auch das Sprachrohr für den damaligen Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Kardinal Schönborn. Der Termin sei auf Initiative des Generalsekretariats des Finanzministeriums zustande gekommen, berichtet Schipka. „Man hat uns bei dem Termin mitgeteilt, dass man im Zuge der Steuerreform verschiedene Verbindungen zwischen Staat und anerkannten Kirchen prüfe. Ich kann mich zwar nicht mehr an jedes Detail erinnern, aber es ging um verschiedene Steuertatbestände, unter anderem um die Absetzbarkeit von Kirchenbeiträgen und die Beiträge zum Denkmalschutz. Es ist zwar legitim, dass ein Staat sich darüber Gedanken macht, aber ich war schon überrascht und verwundert.“

Ob er, wie Schmid schrieb „zunächst rot, dann blass, dann zittrig“ gewesen sei? „Das ist die Interpretation des Herrn Schmid, was soll ich dazu sagen.“ Ob er einen Zusammenhang zwischen der Kritik der Kirche an der Asylpolitik und dem kurzfristigen Termin mit dem Finanzministerium sehe? „Die Interpretation steht jedem frei.“

Laut Schipka kam am Ende ohnehin nichts dabei heraus. „Es gab keinen Folgetermin.“

profil-Herausgeber Christian Rainer hatte die Kritik des Klerus an Kurz im Rahmen eines Leitartikels Anfang März 2019 analysiert. Sein Schluss: „Was Schönborn und Schipka hier zum Ausdruck bringen, ist Besorgnis über die Entwicklung der Republik in eine apokalyptische Richtung. Ich bin gespannt, ob die Regierung auf den Rüffel von ganz oben reagieren wird.“

Gut möglich, dass sie das getan hat.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.