Grasser vor der letzten Instanz
Einst hielt er Budgetreden im Parlament, verhandelte den Stabilitätspakt mit anderen EU-Finanzministern, war gern gesehener Gast in deutschen Polit-Talkshows. Kommende Woche betritt Karl-Heinz Grasser eine andere Bühne: den Großen Saal des Obersten Gerichtshofs (OGH) im Justizpalast am Wiener Schmerlingplatz. Sofern er persönlich kommt – verpflichtet ist er dazu nicht. Hier entscheidet ein Senat aus fünf Richtern ab Donnerstag kommender Woche an vier Verhandlungstagen darüber, ob Grassers Verurteilung wegen Untreue, illegaler Geschenkannahme und Beweismittelfälschung hält oder – vielleicht auch nur in Teilen – aufgehoben wird.
Im Buwog-Verfahren, dem größten Korruptionsprozess der Zweiten Republik, wurden Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (zunächst FPÖ, dann auf einem Ticket der ÖVP), sein Trauzeuge Walter Meischberger und der Lobbyist Peter Hochegger (neben weiteren Angeklagten) Ende 2020 nicht rechtskräftig verurteilt. Egal wie der OGH entscheidet: Selten konnte man in Österreich beobachten, dass ein Mann von so weit oben so tief gefallen ist wie Karl-Heinz Grasser.
Grasser war bei seinem Amtsantritt in der schwarz-blauen Regierung unter Kanzler Wolfgang Schüssel gerade einmal 31 Jahre alt, der jüngste Finanzminister, den Österreich je hatte. Als Politiker erklomm er lichte Höhen. Nicht nur, als er 2001 in Begleitung der „Kronen Zeitung“ den Südturm des Stephansdoms hochkletterte. Im Finanzministerium gab er den beherzten Sanierer, mit den Managerqualitäten, die er – seiner Darstellung nach – in der Privatwirtschaft erworben hatte, in der er allerdings nur relativ kurz zu Gast gewesen war. Er verkaufte sich erfolgreich als „Mister Nulldefizit“, sein Monogramm „KHG“ wurde zur Marke.
Stets höflich und eloquent im Auftreten, avancierte er zum Schwiegersohn der Nation und ließ die Nation bereitwillig an seinem Privatleben teilhaben. Seine Hochzeit mit der Kristallerbin Fiona Swarovski war 2005 ein Medienereignis, die gemeinsamen Badeurlaube des Promi-Paares ein Fixtermin für Paparazzi. Er beherrschte die Inszenierung, das Spiel mit den Medien wie kaum ein anderer.
Korruptionsaffäre Buwog
Folgt man den Schlussfolgerungen im Urteil von Richterin Marion Hohen-ecker, die drei Jahre lang das Buwog-Verfahren am Landesgericht für Strafsachen führte, hatte Grassers Leitspruch „mehr privat, weniger Staat“ allerdings auch eine kriminelle Dimension.
Im Jahr 2004 verkaufte die Republik Österreich 60.000 Bundeswohnungen, unter anderem jene der Wohnbaugesellschaft Buwog, um 961 Millionen Euro an ein Konsortium aus Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Wiener Städtische und Immofinanz. Das Gebot lag gerade einmal um eine Million über jenem der zweiten Bieterin, der CA Immo. Und das war offenbar kein Zufall.