Wirtschaft

kika/Leiner: Auf der Suche nach Masse

Im Zuge der kika/Leiner-Pleite geraten die Mietkonditionen und Corona-Hilfen ins Visier.

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Am 29. Juli ist hier bei Leiner Wien-Nord Schluss. Im Zuge des Sanierungsverfahrens der Möbelhauskette kika/Leiner werden 23 Filialen geschlossen, rund 1900 Menschen verlieren ihren Job. Und bis dahin muss alles raus. Der neue Eigentümer der Liegenschaft, Frank Alberts Supernova-Gruppe, sucht bereits nach Käufern für diesen Standort. Noch eine Woche lang gibt es „-70 Prozent auf alle lagernden Artikel“, wie auf der Unternehmens-Website zu lesen ist. Während sich das Möbelhandelsgeschäft eifrig darum bemüht, alle verbliebenen Tische, Sofas, Vasen rasch zu verkaufen, sind derzeit gleich zwei Masseverwalter mit der Aufarbeitung der größten Unternehmenspleite der vergangenen zehn Jahre beschäftigt. Und wie profil aus dem Umfeld der Gläubiger erfuhr, dürften derzeit einerseits Zahlungen der staatlichen Coronahilfen-Agentur Cofag an die damals noch zu René Benkos Signa-Imperium gehörende kika/Leiner-Gruppe im Fokus stehen. Andererseits werden die Mietkonditionen zwischen der operativen Einheit von kika/Leiner, also dem Möbelhandel, und den Immobiliengesellschaften von kika und Leiner auf Punkt und Beistrich durchforstet. Das Ziel ist, den Schaden der Gläubiger zu verringern. Viel verwertbare Insolvenzmasse ist jedenfalls nicht da.

Zur Erinnerung: Am 31. Mai hat Signa die kika/Leiner-Immobilien an die Supernova-Gruppe des Fachmarkt-Unternehmers Frank Albert verkauft – um kolportierte 300 bis 400 Millionen Euro. Das operative Geschäft von kika/ Leiner ging wiederum an den öffentlichkeitsscheuen steirischen Unternehmer Hermann Wieser – um drei Euro. Am 13. Juni eröffnete der neue Eigentümer ein Insolvenzverfahren. 400 Gläubiger warten nun auf den Sanierungsplan, der am 25. September vorgelegt werden soll. Der Schaden ist jedenfalls groß, auch für den Steuerzahler: Dienstnehmeransprüche von über 50 Millionen und 42 Millionen Euro gestundete Steuerforderungen, 5,7 Millionen davon im Rahmen von  Corona-Hilfen. Lieferanten wiederum haben bei kika/Leiner fast 40 Millionen Euro offen.

Als im Zuge der Pandemie und Lockdowns alles schnell ging, haben die Finanzbehörden Millionen an teils unbesicherten Steuerstundungen gewährt. Viele Handelsbetriebe profitierten von den Stundungen, nicht nur  kika/Leiner. Laut dem Transparenzportal, in dem Corona-Hilfen öffentlich einsehbar sind, wurden dem operativen Handelsgeschäft von kika/Leiner 5,7 Millionen Euro und der kika/Leiner-Gastronomie 3,7 Millionen an Unterstützung gewährt. Die NEOS wollen nun in einer Parlamentarischen Anfrage an Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) wissen, ob diese Hilfen mit dem EU-Beihilfenrecht vereinbar waren. Denn dieses sieht eigentlich keine oder zumindest nur sehr eingeschränkte Hilfen für „Unternehmen in Schwierigkeiten“ vor. Nun stelle sich die Frage, ob man angesichts der Verluste, die der Möbelhandel schrieb, von einem gesunden Unternehmen ausgehen konnte, oder ob die Stundung zu leichtfertig genehmigt wurde. 2018 hatte Signa die damals massiv angeschlagene Möbelkette von der südafrikanischen Steinhoff-Gruppe übernommen. Das Versprechen, das Unternehmen zu sanieren, wurde offenbar nicht eingelöst. Die Verluste summierten sich auf mehr als 130 Millionen Euro. „Zu konkreten Unternehmen darf aufgrund der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht keine Stellungnahme abgegeben werden“, heißt es aus dem Finanzministerium bezüglich kika/Leiner.

Warum all das in Zusammenhang mit kika/Leiner relevant ist? Die Mindestgläubiger-Quote bei solchen Insolvenzverfahren beträgt 20 Prozent. Der Staat könnte also auf 33 Millionen Euro gestundeter Steuern sitzenbleiben. Vor allem die Finanzprokuratur, die Anwältin des Bundes, ist darum bemüht, den Schaden für die Steuerzahler zu begrenzen, und pocht nun darauf, dass jeder Cent in den kika/ Leiner-Büchern – nämlich vor und nach der Pleite – überprüft wird. 

Mieten im Visier

Auch die Mietvereinbarungen zwischen dem operativen Möbelhandel und den Immobiliengesellschaften von kika und Leiner werden von den Insolvenzverwaltern derzeit auf Punkt und Beistrich geprüft. Eine mögliche Rückabwicklung des Immobilienverkaufs an die Supernova-Gruppe von Frank Albert werde nicht verfolgt, wie profil erfuhr. Das hatte die Gewerkschaft kurz nach der Pleite gefordert, um die Insolvenzmasse zu vergrößern. Beide Gesellschaften – also der operative Möbelhandel und die Liegenschaften – waren aber schon lange vor dem Kauf durch Signa getrennt. Und im Handel sind solche Konstruktionen durchaus üblich. Außerdem will Supernova bereits 24 der vor Kurzem erworbenen Immobilien wieder verkaufen. Ein Weiterverkauf würde eine Rückabwicklung zusätzlich erschweren.

Wie profil aus dem Umfeld der Gläubigervertreter erfuhr, stehen dafür nun die Mietverträge im Fokus. Signa hat wiederholt, auch gegenüber profil, beteuert, dass die Mieten  im Branchenvergleich durchaus üblich seien und seit der Übernahme auch nicht verändert wurden. Das steht – profil-Informationen zufolge – aber auch nicht zur Debatte. „Die zentrale Frage ist, konnte sich das Unternehmen Leiner und kika Möbelhandels GmbH diese Mieten leisten, oder nicht?“, sagt ein Insider. Immerhin wurden kika und Leiner 2022 rückwirkend in das Jahr 2021 verschmolzen, was Liquiditätsprobleme löste. 

Außerdem hat Signa eigenen Angaben zufolge über die Jahre 140 Millionen Euro an Sanierungsbeiträgen und Mietnachlässen gewährt. Das schürt jetzt Zweifel, ob sich kika/ Leiner die Mieten leisten konnten.  Von Signa heißt es auf Nachfrage: „Es ist richtig, dass stets fremdübliche Mieten verrechnet wurden. Standorte, die von kika/Leiner aufgegeben wurden, wurden jeweils von den Liegenschaftseigentümern verwertet. Für die Standorte, die kika/Leiner betrieben hat, hat sich die Frage nach anderen Interessenten aufgrund der (im Übrigen schon zu Zeiten von Steinhoff) bestehenden Mietverträge nicht gestellt.“

Für den Sanierungsplan und den  Weiterbetrieb der 17 verbliebenen Filialen schießt der neue Eigentümer Wieser 30 Millionen Euro zu. Die neue Vermieterin Supernova stundet Mieten, sodass am Ende ein dreistelliger Millionenbetrag für die Sanierung zusammenkommen soll. Allerdings: Mehr als die Hoffnung auf einen Fortbestand der Filialen gibt es bei den neuen Eigentümern nicht. Genau das könnte aber am 25. September, wenn der fertige Sanierungsplan vorgelegt wird, zum Streitpunkt werden. Dem Vernehmen nach will Wolfgang Peschorn, Chef der Finanzprokuratur und damit Anwalt der Republik, selbst einem Sanierungsplan nur zustimmen, wenn  eine positive Fortbestandsgarantie für die verbleibenden Filialen vorliegt. Kommentieren will Peschorn das Insolvenzverfahren derzeit auf Nachfrage nicht.

In den Filialen, die jetzt aufgelassen werden, gibt es noch eine Woche lang alles um 30 Prozent des eigentlichen Verkaufspreises. Eine Quote, von der die Gläubiger derzeit nur träumen können.

Korrekturhinweis: Im Artikel wurde nachträglich eine Korrektur vorgenommen. Steuerstundungen an Unternehmen wurden von den Finanzbehörden gewährt und nicht von der Cofag, wie es fälschlicherweise in der ursprünglichen Version des Artikels stand.

Marina Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".