Partnertausch: Silberstein klagt Casinos-Gruppe
Dieser Artikel erschien erstmals im profil Nr. 06/2016 vom 08.02.2016
Eine Eskalation, die keine der beiden Seiten wirklich wollte. Der Aufwand. Die Unwägbarkeiten. Die schmutzigen Details. Die Öffentlichkeit. Andererseits: das Geld. Die Reputation. Und ein bisschen geht es ja immer auch ums Prinzip.
Donnerstag vergangener Woche gab das Handelsgericht Wien, Raum 1711, die Bühne für den ersten Akt eines in dieser Form alles andere als alltäglichen Verfahrens. Der Kläger: Tal Silberstein, israelischer Geschäftsmann, vertreten durch seinen Anwalt Leopold Specht (Kanzlei Specht &Partner). Die Beklagte: die Österreichische Lotterien GmbH, Ableger der Casinos-Austria-Gruppe, vertreten durch Anwalt Gerald Ganzger (Kanzlei Lansky Ganzger & Partner). Casus belli: ein gemeinsames Unterfangen, von dem schlussendlich nichts blieb. Außer mehreren Vertragsentwürfen, wechselseitiger Verstimmung und Kosten. Diesen verschuldeten "Vertrauensschaden" – im Fachjargon culpa in contrahendo genannt - will der Kläger nun materialisieren. Silberstein fordert von der Casinos-Gruppe Schadenersatz in der Höhe von 822.137 Euro und 94 Cent zuzüglich Zinsen.
Dies ist nicht nur die Geschichte einer gescheiterten Geschäftsbeziehung, die nun vor Gericht ihre Fortsetzung findet. Es sind die involvierten Personen, welche die Rechtssache 12Cg75/15x zu einer Delikatesse machen. Da wäre einmal Karl Stoss, Vorstandsvorsitzender der Casinos Austria AG, Geschäftsführer der Österreichischen Lotterien GmbH, Präsident des Österreichischen Olympischen Comités. Oder Walter Rothensteiner, Generalanwalt des Raiffeisenverbandes, Generaldirektor der Raiffeisen Zentralbank AG, Aufsichtsratsvorsitzender der Casinos Austria. Oder Alfred Gusenbauer, Unternehmer, Bundeskanzler der Republik Österreich außer Dienst. Aber auch Herbert Stepic, Berater, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen International Bank AG im Ruhestand. Und eben Tal Silberstein, Unternehmer und Politikberater mit ellenlanger Referenzliste. Er stand in der Vergangenheit unter anderem Politikern wie Ehud Barak, Julia Timoschenko, Michael Häupl, Gusenbauer und zuletzt der Wiener NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger konsultierend zur Seite.
Projekt hätte Silberstein Zugang zum österreichischen Glücksspielmarkt gewährt
Im Kern dreht sich alles um ein 2014 lanciertes Projekt, in dessen Gefolge die Casinos-Gruppe Silberstein (genauer: der von ihm aufgesetzten Fondsgesellschaft "Novia" mit Sitz auf Malta) Zugang zum österreichischen Glücksspielmarkt gewährt hätte. Oder wie es in der profil vorliegenden Klage vom 20. November des Vorjahres heißt: "Mit dem Frühjahr 2014 verhandelten die Streitteile eine Zusammenarbeit mit dem Ziel, die Glücksspiellizenz der erstbeklagten Partei (Anm: die Österreichischen Lotterien), soweit sich diese auf den Betrieb so genannter Video Lottery Terminals (VLT) bezieht, gemeinsam zu bewirtschaften."
Zum besseren Verständnis: Bei VLTs handelt es sich um Geräte, die sich von klassischen Slotmachines lediglich durch die dahinterliegende Infrastruktur unterscheiden. VLTs arbeiten nicht autonom, sie sind (für Spieler nicht erkennbar) über Server miteinander verbunden. Vor allem aber sind die Österreichischen Lotterien in diesem Geschäft ein Monopolist. Als Einzige verfügen sie über eine Bundeslizenz zum Betrieb von VLT-Salons im ganzen Land – und zwar auch in den Bundesländern, in welchen das Automatenglücksspiel eigentlich verboten ist: also Wien, Salzburg, Tirol und Vorarlberg (profil berichtete ausführlich).
Theoretisch könnte die Casinos-Gruppe bis zu 5000 VLTs in Österreich laufen lassen, tatsächlich sind es heute nur rund 800, verteilt auf 16 "WINWIN"-Outlets – die mit zwei Ausnahmen (Salzburg und Linz) teils deutlich abseits der Landeshauptstädte stehen. Auch die Ertragsseite ist vorsichtig ausgedrückt verbesserungsfähig. Im Jahr 2014, jüngere Zahlen liegen nicht vor, verbuchte die Betreibergesellschaft Glücks- und Unterhaltungsspielbetriebs GmbH einen Gewinn vor Steuern von schlanken 2,4 Millionen Euro, im Jahr davor waren es überhaupt nur 183.000 Euro gewesen.
Laut den profil vorliegenden Gerichtsakten wollte Tal Silberstein genau hier ansetzen: "Die Klägerin verfügt über spezielles Know-how und über ein Netzwerk von, zum Teil, externen Experten im Bereich VLT-Gaming. Nach Analyse des österreichischen Marktes ist die klagende Partei überzeugt, VLT-Gaming höchst gewinnbringend in Österreich organisieren zu können."
Fünf Vertragsentwürfe – keiner signiert
Und tatsächlich wurde Silberstein mit dieser seiner Idee ab dem Frühjahr 2014 bei Casinos-Chef Karl Stoss höchstselbst vorstellig. Die Zeichen standen anfangs gut. Noch im Juli 2014 unterfertigten beide ein erstes "Memorandum of understanding", das die Grundzüge der geplanten Zusammenarbeit festlegte, im Dezember ein zweites. Silbersteins Novia-Fonds wollte in einer ersten Phase 25 Millionen Euro aufbringen, um die Anschaffung und den Betrieb von zunächst 900 zusätzlichen VLTs in einer Reihe neu zu eröffnender Standorte zu ermöglichen, in einer zweiten Phase gar bis zu 200 Millionen Euro. Im Abtausch sollte Novia im Wege von Genussrechten an den Erträgnissen der gemeinsamen Unternehmung beteiligt werden. Dazu wurden zwei Arbeitsgruppen eingerichtet, die bis ins Frühjahr 2015 hinein intensiv tagten. Juristen, Wirtschaftsprüfer, Glücksspielexperten, Führungskräfte. Heraus kamen schlussendlich fünf Vertragsentwürfe, die jedoch nie signiert wurden. Im April 2015 brachen die Casinos die Verhandlungen ein für alle Mal ab.
Die Auseinandersetzung ist umso sensibler, als die handelnden Personen alle irgendwie miteinander verbandelt waren und sind. Bevor Silberstein das Glücksspielbusiness für sich entdeckte, hatte er sich zu einem der gefragtesten international tätigen Politikerberater veredelt. Im Vorfeld der Nationalratswahlen 2002 und 2006 etwa stand er Alfred Gusenbauer als "Spin doctor" beratend zur Seite. Die Verbindungen rissen nie ab. Mittlerweile ist es Gusenbauer, der Silberstein berät. Der Altkanzler fungiert als nicht-geschäftsführender Direktor von Silbersteins Novia Fund Management Limited mit Sitz in Malta. Bis vor Kurzem durfte sich auch Herbert Stepic, bekannt für die steuerschonende Veranlagung seines Vermögens, mit dem Titel eines "Non executive"-Direktors der maltesischen Novia schmücken. Stepic und Casinos-Präsident Rothensteiner saßen bei Raiffeisen über Jahre gleichsam Tür und an Tür. Den Kontakt zu Stepic wiederum verdankt Silberstein seinem Partner Rudolf Binder, der einst mit Novomatic zusammenarbeitete. Gusenbauer berät auch den Novomatic-Konzern, der sich 2015 an den Casinos Austria beteiligte und jetzt nach der Mehrheit greift. Zugleich sitzt Gusenbauer im Beirat von René Benkos Immobiliengruppe Signa – und das gemeinsam mit Casinos-Chef Karl Stoss. Einer von Benkos Investoren ist der israelische Unternehmer Beny Steinmetz, der wiederum geschäftlich mit Tal Silberstein liiert ist. Erst Ende des Vorjahres wurden in rumänischen Medien unschöne Vorwürfe gegen Steinmetz und Silberstein in Zusammenhang mit Immobiliengeschäften im Norden Bukarests laut. Dass ausgerechnet die Kanzlei LGP die Casinos Austria gegen Gusenbauers Partner Silberstein vertritt, macht die Causa nur noch österreichischer. Kanzleigründer Gabriel Lansky verbindet bekanntlich eine wechselhafte Freundschaft zu Gusenbauer.
Es war immer für alle Beteiligten klar, dass eine wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit für die Beklagten unter Berücksichtigung von Image und Reputation gegeben sein musste.
Warum aus dem gemeinsamen Automatenprojekt nichts wurde, ist nicht ganz klar. Gegenüber profil wollten sich die Beteiligten mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht äußern. In der Klage führt Silberstein aus, sein Gegenüber Stoss habe ihn über Monate glauben gemacht, der Vertragsabschluss mit Novia und die Genehmigung durch den Casinos-Aufsichtsrat um Rothensteiner seien lediglich "Formalitäten", weshalb er viel Zeit und noch mehr eigenes Geld in ein Projekt gesteckt habe, das letztlich nichts als eine Luftnummer gewesen sei.
In der Klagebeantwortung vom 23. Dezember des Vorjahres widersprechen die Casinos entschieden: Karl Stoss habe keine wie immer gearteten "Versicherungen" abgegeben und sei entgegen anderslautenden Darstellungen auch nie in die Verhandlungen der Arbeitsgruppen involviert gewesen. Darüber hinaus hätten die Parteien in wesentlichen Punkten – Umsatzannahmen, Errichtungs- und Betriebskosten, Höhe der Vergütungen – schlicht keinen Konsens herstellen können, weshalb die Gespräche Ende April 2015 abgebrochen worden seien. "Es war immer für alle Beteiligten klar, dass eine wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit für die Beklagten unter Berücksichtigung von Image und Reputation gegeben sein musste", wie es in dem Schriftsatz heißt.
Und dann wären da noch die projektbezogenen Aufwendungen Silbersteins für Reisen, Rechts-, Steuer- und sonstige Beratung. In Summe mehr als 800.000 Euro. "Die geltend gemachten Kosten sind weder angemessen, noch waren diese notwendig. Der geltend gemachte Kostenaufwand wird somit auch ausdrücklich der Höhe nach bestritten", so die Casinos-Anwälte.
Das Verfahren unter dem Vorsitz von Richterin Kerstin Just verspricht Kurzweil. Schon bei der vorbereitenden Tagsatzung am Donnerstag vergangener Woche schenkten die Parteien einander nichts. Man stritt ausgiebig über eine von Silberstein eingeklagte Hotelrechnung des Park Hyatt Vienna (übrigens eine Immobilie von Benkos Signa-Gruppe). Neben der eigentlichen Nächtigung machte der Kläger auch 115 Euro für eine einstündige Massage geltend. "Ein bedauerlicher Irrtum", wie Silberstein auf Befragen erklärte.
Am 16. Juni dieses Jahres wird weiterverhandelt. Tal Silberstein und Karl Stoss werden im Zeugenstand erwartet.