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Klein- und Mittelbetriebe: "Inflation im September zweistellig"

Preissteigerungen: Unternehmensberater Gerald Zmuegg analysiert die Situation von Klein- und Mittelbetrieben.

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Klein- und Mittelunternehmen (KMU) machen ein wesentliches Segment der österreichischen Wirtschaft aus. Entwicklungen im ökonomischen Kreislauf zeigen sich dort mitunter einige Zeit, bevor sie direkt bei den Konsumentinnen und Konsumenten ankommen. Von besonderem Interesse ist dies auch angesichts der aktuell stark steigenden Preise. Was aus dem KMU-Bereich bezüglich Inflation zu hören ist, lässt allerdings noch länger nicht auf Entspannung hoffen – eher im Gegenteil.

Das Beratungsunternehmen "Finanzombudsteam" hat in der ersten Mai-Hälfte eine Umfrage unter Führungskräften und Eigentümern von 814 heimischen Klein- und Mittelbetrieben durchführen lassen. Das Ergebnis fällt ernüchternd aus: Ausnahmslos alle Befragten rechnen mit weiteren Preissteigerungen – dies, obwohl die Erzeugerpreise der Industrie bereits im März 2022 im Spitzenbereich um rund 21 Prozent über dem Vorjahresniveau lagen. Bei rund der Hälfte der KMU geht man nun davon aus, dass die Erzeuger- beziehungsweise Einkaufspreise bis Ende 2022 um weitere fünf bis zehn Prozent zulegen werden. Fast 30 Prozent der befragten Betriebe rechnen sogar mit einer noch stärkeren Steigerung.

Die schlechte Nachricht für Verbraucherinnen und Verbraucher: Ein Gutteil dieser erzeugerseitigen Inflation wird von den Unternehmen am Ende des Tages an ihre Abnehmer weitergereicht. Bei gut 70 Prozent der KMU gaben die Verantwortlichen an, die Preissteigerungen in einem Ausmaß von mehr als 50 Prozent an die Kunden weiterzureichen. "Unter Berücksichtigung des Verzögerungseffektes ist die Inflation somit bereits im September im zweistelligen Bereich", analysiert man bei "Finanzombudsteam".

Zum Vergleich: Im April lag die Inflationsrate laut Statistik Austria bei 7,2 Prozent – die höchste Teuerungsrate seit Oktober 1981. Neben Treibstoff- und Energiekosten waren zuletzt auch Nahrungsmittelpreise für den Inflationsanstieg ausschlaggebend. Gerade im Energiebereich wirkt sich der Ukraine-Krieg mit all seinen Folgeerscheinungen stark aus. Preissteigerungen bei Energieträgern schlagen sich jedoch nicht nur direkt an der Zapfsäule oder bei den Kosten für die Heizung nieder, sondern verteuern in der Folge viele weitere Produkte.

Das "Finanzombudsteam" berät KMU bei Finanzierungsfragen, und genau solche ergeben sich nun aus den rasant steigenden Erzeugerpreisen. Um ihre Einkäufe tätigen zu können, benötigen viele Betriebe plötzlich höhere Betriebsmittelkredite. Bei 693 der 814 befragten Klein- und Mittelunternehmen gaben die Verantwortlichen an, in Zusammenhang mit der Preissteigerung eine Krediterhöhung bei der Bank beantragt zu haben. Viele von ihnen allerdings mit mäßigem Erfolg: 497 KMU erhielten laut Umfrage eine Ablehnung.

"Finanzombudsteam"-Experte Gerald Zmuegg ortet in diesem Bereich nun eine Kreditklemme: "Bankenaufsicht und Risikoüberlegungen der Banken spiegeln diesen Trend seit Jahren wider. Während Häuslbauerkredite massive Wachstumsraten verzeichnen, ist die Finanzierung von Unternehmen zur Aufrechterhaltung des täglichen Geschäftsbetriebs für Banken weniger attraktiv", beklagt Zmuegg.

Ein zusätzliches Problem dämmert bereits am Horizont herauf: Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Europäische Zentralbank zur Inflationsbekämpfung ihren Leitzins anhebt. Das wird sich in der Folge auch auf die Kreditzinsen durchschlagen. Zmuegg fordert von der EZB und der Politik ein "behutsames Vorgehen". Angesichts der erwarteten Zinsanstiege seien Banken und Finanzmarktaufsicht gefordert, die Belastungen auf KMU zu reduzieren – etwa durch die Verlängerung von Kreditlaufzeiten.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.