Kleiner Grenzverkehr: Immobilienkredite aus dem Ausland
Schriftgröße
85 Quadratmeter, vier Zimmer, Terrasse, Erstbezug im Salzburger Stadtteil Liefering. Kostenpunkt: 800.000 Euro. Die „Oase am Stadtrand“ wartet noch auf neue Eigentümer. Das junge Paar, das sich dafür interessiert hatte, ist an der Finanzierung gescheitert. Trotz guter Einkommen. Die beiden Mittdreißiger sind kein Einzelfall.
Vor genau zwei Jahren ist die sogenannte KIM-Verordnung (Kreditins-titute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung) in Kraft getreten. Seither hat der Immobilienmarkt einen ordentlichen Dämpfer erlitten. Strengere Kreditvergaberegeln, kombiniert mit deutlich höheren Zinsen, führten dazu, dass viele Kaufwillige auf den Traum vom Eigenheim zumindest vorerst verzichten mussten. Wer sich damit nicht abfinden will, wagt den Blick über die Grenze. In Deutschland wird die Kreditvergabe in manchen Belangen flexibler gehandhabt. Doch für wen ist ein solcher finanzieller Grenzverkehr geeignet? Worauf sollte man achten? Und wo lauern die Fallstricke?
Die Auswertung des Maklernetzwerks Remax für den Immobilienmarkt spricht eine deutliche Sprache: Dieser zufolge sind die Immobilienverkäufe im Jahr 2023 österreichweit um über 25 Prozent eingebrochen. Der verbücherte Verkaufswert sank sogar um fast 29 Prozent.
„Immobilien bis zu 400.000 Euro können sich die Leute noch halbwegs leisten, aber alles, was preislich darüber hinausgeht, nicht mehr. Eigentum zu schaffen, ist bis tief hinein in den Mittelstand für viele nicht mehr möglich“, sagt der Salzburger Immobilienmakler Michael Denkstein. Wie viele seiner Branchenkollegen hält er die KIM-Verordnung für überzogen. Sie besagt, dass bei der Vergabe von Immobilienkrediten die Eigenkapitalquote mindestens 20 Prozent betragen muss, die Kreditrate darf höchstens 40 Prozent des Haushaltseinkommens ausmachen, und die Laufzeit darf maximal 35 Jahre betragen.
Eigentum zu schaffen, ist bis tief hinein in den Mittelstand für viele nicht mehr möglich.
Betroffener Mittelstand
Eva Bamberger vom gleichnamigen Salzburger Immobilienbüro erzählt, dass aufgrund dieser Vorgaben etwa zehn Prozent ihrer Kunden nach Deutschland ausweichen, um dort eine Finanzierung zu erhalten. „Vorwiegend betrifft das Kredite zwischen 600.000 und einer Million Euro. Also die klassische Mittelschicht, der es derzeit so schwer gemacht wird.“ Denkstein schätzt, dass sich sogar rund ein Viertel seiner Klientel die Finanzierung im Nachbarstaat besorgt. „Und wenn diese Möglichkeit bekannter wäre, wären es sogar noch mehr“, ist der Makler überzeugt.
Die Einführung der KIM-Verordnung durch die Finanzmarktaufsicht geschah freilich nicht aus Jux und Tollerei, sondern um die Haushalte vor Überschuldung zu schützen. Denn die Immopreise in Österreich sind seit 2010 um 120 Prozent gestiegen, die Einkommen jedoch nur um 50 Prozent.
Verlässliche Zahlen, wie viele Kreditnehmer sich tatsächlich ihre Immobilienfinanzierung im Ausland holen, gibt es nicht. Doch besonders in den grenznahen Gebieten im Westen Österreichs ist dies eine nicht unattraktive Option. „Wir hatten diese Sorge bereits seit Anbeginn der KIM-Verordnung und nehmen auch vereinzelt Abwanderungen wahr“, sagt Anja Kramer von der Salzburger Sparkasse. Eine Häufung sei zwar nicht ersichtlich, „allerdings wissen wir natürlich nicht, wie viele potenzielle Neukundinnen und -kunden gar nie bei uns vorbeikommen und sofort nach Bayern abbiegen“, so die Abteilungsleiterin für Kreditrisikomanagement und Recht. Bei den Bestandskunden hingegen sei dies nur selten Thema. „Die sind uns meist treu, und wir finden oft eine passende Lösung“, sagt Melzer. Dennoch – der Einbruch ist dramatisch: „Insgesamt sind seit der Einführung der KIM-Verordnung unsere Immobilienkredite um rund die Hälfte gesunken, wobei natürlich auch die steigenden Zinsen dazu führen, dass Kundinnen und Kunden weniger Eigentum kaufen“, erzählt die Bankerin.
Vorteile und Fallstricke
Was die Zahl ihrer österreichischen Kundinnen und Kunden angeht, gibt sich die deutsche Konkurrenz zugeknöpft. „Als örtliche Sparkasse konzentrieren wir uns vorrangig auf unser Geschäftsgebiet und stellen dort unsere Finanzdienstleistungen zur Verfügung“, sagt etwa die Sprecherin Sparkasse Berchtesgadener Land. Nachsatz: „Selbstverständlich bedienen wir auch Anfragen von möglichen Kunden aus Österreich.“
Indes kann man bei der Münchener Hypothekenbank keine verstärkte Nachfrage von österreichischen Kunden erkennen. Dafür wird auf der Unternehmens-Website recht offensiv mit „Finanzierungen für Privatpersonen mit Wohnsitz in Österreich“ geworben. Dafür kämen Immobilien infrage, „die in Österreich gelegen sind und überwiegend für Wohnzwecke genutzt werden. Wir bieten Finanzierungen mit Fixzinsbindungen bis zu 40 Jahren oder einer variablen Verzinsung auf Basis des 3-Monats-EURIBOR an“, ist dort zu lesen.
Kreditvermittler sind mit dem Thema gut vertraut und beraten Kunden über Finanzierungsmöglichkeiten bei deutschen Banken, wenn eine Finanzierung bei einem österreichischen Institut nicht möglich ist. „Das kann beispielsweise junge Familien betreffen, die trotz eines soliden Einkommens und ausreichender Eigenmittel die Kriterien der KIM-Verordnung nicht erfüllen und somit eine Finanzierung nur im Ausnahmekontingent möglich ist, das von den Kreditinstituten leider nur eingeschränkt angeboten wird“, sagt Christoph Kirchmair, Geschäftsführer der Kreditvermittlungsplattform Infina. Deutsche Banken haben hier per Gesetz etwas mehr Spielraum und Flexibilität im einzelnen Kreditfall. So sind etwa Kreditlaufzeiten von über 35 Jahren möglich. Die sogenannte Schuldendienstquote darf über 40 Prozent des Einkommens betragen. Einige deutsche Banken vergeben sogar Kredite bei einer Eigenkapitalquote von nur zehn Prozent. Und die Konditionen sind teils einen Hauch besser, vor allem bei Fixzinsbindungen: Während der Durchschnittszins für neue Wohnbaukredite laut EZB in Österreich aktuell bei 4,04 Prozent liegt, beläuft er sich in Deutschland auf 3,95 Prozent.
Christoph Kirchmair, Infina
„Selbstverständlich gibt es auch in Deutschland klare Vergaberichtlinien und marktübliche Kriterien bei der Bonitätsprüfung“
Ein weiterer Vorteil: Im Gegensatz zu Auslandsfinanzierungen aus manch anderem Nachbarland wird hier weder eine Sprachbarriere noch ein Währungsrisiko schlagend. Und besicherungstechnisch macht es keinen Unterschied, ob eine Liegenschaft mit einem Kredit einer österreichischen oder einer deutschen Bank besichert ist. „Selbstverständlich gibt es auch in Deutschland klare Vergaberichtlinien und marktübliche Kriterien bei der Bonitätsprüfung“, sagt Infina-Gründer Kirchmair. Wichtig sei, dass die deutschen Wohnbaukredite jedoch nach österreichischem Verbraucherrecht abgewickelt würden. „Darauf achten wir stets, denn die deutsche Rechtsprechung weicht in einigen Punkten von der österreichischen ab“, so der Kreditvermittler. „Dieser Unterschiede sollten sich Kunden bewusst sein, die in Erwägung ziehen, eine Wohnbaufinanzierung bei einem grenznahen Bankinstitut aufzunehmen, um spätere unliebsame Überraschungen zu vermeiden“, sagt Kirchmair. In Österreich etwa sind Umschuldungen gang und gäbe. Wer aus seinem Fixzinsvertrag vorzeitig aussteigen will, weil er etwa ein günstigeres Angebot gefunden hat, kann dies mit Zahlung einer Pönale von einem Prozent der Restschuld tun. In Deutschland hingegen orientiert sich die Berechnung der sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung an mehreren Parametern und beträgt bis zehn Prozent der Restschuld. „Da können durchaus Kosten von ein paar Zehntausend Euro fällig werden“, sagt Kirchmair.
Gelockerte Richtlinien
Zuletzt wurde es den heimischen Banken auch wieder etwas leichter gemacht, Kredite an Personen zu vergeben, die nicht alle strengen Auflagen komplett erfüllen. Über sogenannte Ausnahmekontingente haben die Geldinstitute mehr Spielraum bei der Kreditvergabe.
Freilich, auch wenn Immobilienunternehmer und heimische Banken regelmäßig gegen die KIM-Verordnung Sturm laufen: Sie soll Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer vor einer Schuldenspirale bewahren und Banken vor Zahlungsausfällen schützen. Denn wohin eine allzu freihändige Kreditvergabe führen kann, hat 2007 die Subprime-Krise in den USA gezeigt, die in der Folge zu einer weltweiten Finanz- und Konjunkturkrise anschwoll.
Christina Hiptmayr
war bis September 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.