Prognose

Konjunktur: Das Schlimmste ist noch nicht vorbei

IHS und Wifo müssen ihre Prognosen fürs Wirtschaftswachstum erneut nach unten korrigieren. Ein rigoroses Sparpaket könnte zur Belastungsprobe für den Aufschwung werden. Drei Gründe, warum es mit Österreichs Wirtschaft so rasant bergab ging.

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Wenn die beiden Chefs der großen heimischen Wirtschaftsinstitute – das Institut für Höhere Studien (IHS) und das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) – am Freitagvormittag vor die Presse treten, müssen sie ihre Wirtschaftsprognosen schon wieder nach unten korrigieren. Die jüngsten Daten der Wirtschaftsforscher zeigen nämlich: Die wirtschaftliche Lage ist noch schlechter als gedacht. Mit einem richtigen Aufschwung ist so bald nicht zu rechnen. Und die kommende Regierung muss viel Geld einsparen, das sie eigentlich für positive Wirtschaftsimpulse bräuchte.

Das heimische Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist heuer laut den Prognosen des Wifo und des IHS um 0,9 Prozent geschrumpft. Noch vor drei Monaten hatten beide Institute einen geringeren Einbruch von 0,6 Prozent des BIP prognostiziert. Für nächstes Jahr rechnen Wifo und IHS mit einem ganz leichten Wirtschaftswachstum von 0,6 Prozent (Wifo) beziehungsweise 0,7 Prozent (IHS). Die Werte sind allerdings mit Vorsicht zu genießen: „Die wirtschaftspolitische Unsicherheit in Österreich ist hoch. Im Prognosezeitraum ist mit erheblichen Einsparungen in den öffentlichen Haushalten zu rechnen, deren Auswirkungen derzeit nicht abschätzbar sind“, schreibt das Wifo in seiner Winterprognose. 

Auch beim Budgetdefizit, also bei der Neuverschuldung gemessen an der Wirtschaftsleistung, muss zumindest das IHS seine Annahme nach oben korrigieren. Beide Institute rechnen heuer mit einem Budgetdefizit von 3,7 Prozent; nächstes Jahr sollen es sogar vier Prozent werden. Österreich liegt damit über der von der EU vorgeschriebenen Maastricht-Grenze von drei Prozent. Es droht jedenfalls ein Defizitverfahren. Und laut den jüngsten Berechnungen des Finanzministeriums müsste Österreich allein nächstes Jahr zwischen drei und mehr als sechs Milliarden Euro einsparen – je nachdem, auf welchen Sanierungspfad man sich mit Brüssel einigt.

Aber: „Eine Rückführung des Budgetdefizits auf unter 3 Prozent des BIP im Jahr 2025 würde die ohnehin schwache Konjunktur in Österreich weiter dämpfen. Anstelle eines moderaten Wachstums droht in diesem Fall eine neuerliche Rezession“, meint Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. Dass der wirtschaftliche Abschwung in Österreich so rasant passierte, überraschte selbst die Ökonomen. Drei Gründe, warum es mit der heimischen Konjunktur heuer bergab ging:

Industrie und Baugewerbe verharren in der Rezession

Seit einigen Monaten müssen heimische Industriebetriebe fast wöchentlich Arbeitnehmer zur Kündigung ausschreiben. Der Industriesektor steckt heuer das zweite Jahr in Folge in einer Rezession. Die Güterproduktion brach um satte 4,5 Prozent ein, nachdem es im Vorjahr schon um 1,8 Prozent bergab gegangen war. Die heimische Industrie ist außerdem stark vom Export abhängig. Die Warenexporte sind heuer jedoch real um 4,5 (Wifo) bis 4,8 Prozent (IHS) eingebrochen. Auch Deutschland, Österreichs wichtigster Handelspartner, steckt in einer tiefen Industriekrise und kämpft mit einer strauchelnden Wirtschaft.

In der Baubranche lief es auch nicht gut. Wegen der gestiegenen Zinsen und hohen Baukosten sowie der strengeren Kreditvergabe wurde heuer schlicht viel weniger gebaut. Die Bauinvestitionen sind jedenfalls um vier Prozent gesunken. 

Gestiegen ist in diesen beiden Branchen vor allem die Arbeitslosigkeit. Auch hier sind die Aussichten für heuer und für das kommende Jahr düster. Sowohl das Wifo als auch das IHS rechnen mit einer Arbeitslosenquote von 7 Prozent für 2024 und 7,4 Prozent im nächsten Jahr.

Es wurde weniger konsumiert

Als im Vorjahr die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter die Herbstlohnrunden einläuteten, legten beide Seiten viel Hoffnung in den privaten Konsum der Menschen in Österreich. Obwohl sich die wirtschaftliche Lage damals schon eingetrübt hatte, stiegen die Löhne und Gehälter nach zahlreichen Verhandlungsrunden um die damals noch sehr hohe rollierende Inflation. Die Hoffnung, dass mehr Kaufkraft den Konsum ankurbeln und so die heimische Wirtschaft stützen würde, die mit Exportproblemen kämpfte, war nicht unberechtigt. Das war schon in früheren Krisen so.

Diesmal kam es aber anders. Denn obwohl es hierzulande keine realen Einkommensverluste gab, ganz im Gegenteil, brach der private Konsum laut Wifo um 0,3 Prozent ein. Und die Sparquote stieg von 12 auf 14 Prozent. Aber auch das ist in Krisenzeiten, in denen die Verunsicherung groß ist und viele Menschen um ihre Jobs bangen müssen, nicht ungewöhnlich.

Energie, Personal und Baukosten sind teuer

Neben rein strukturellen Problemen und der starken Abhängigkeit von Deutschland kämpft vor allem die Industrie mit dem Verlust von internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Aufgrund der hohen Lohnabschlüsse im Vorjahr sind die Lohn-Stück-Kosten hierzulande stärker gestiegen als in den meisten anderen EU-Ländern. 

Energie ist nach wie vor teuer. Sowohl die Erdgaspreise als auch die Strompreise an den international Gas- und Strombörsen sind nach wie vor höher als das vor dem Ukraine-Krieg der Fall war. Das Wifo rechnet aufgrund zahlreicher geopolitischer Verunsicherungen damit, dass die Energiepreise im kommenden Jahr wieder etwas steigen könnten. Eine Megawattstunde Gas kostete zum Beispiel heuer an der internationalen Gasbörse TTF in den Niederlanden rund 35 Euro. 2025 könnte der Gaspreis wieder auf 45 Euro je Megawattstunde steigen. Das sind jedenfalls keine guten Nachrichten für die energieintensive Industrie.

Die Prognosen der Wirtschaftsforscher sind für eine mögliche neue Regierung die nächste Hiobsbotschaft – eine von vielen derzeit. ÖVP, SPÖ und Neos verhandeln ja derzeit ein Regierungsprogramm und stehen vor dem Dilemma, dass sie gleichzeitig sparen und investieren müssen. Wirtschaftsforscher wie Gabriel Felbermayr, IHS-Chef Holger Bonin oder der Präsident des Fiskalrats, Christoph Badelt, haben zwar immer wieder mehr Budgetdisziplin eingemahnt. Gleichzeitig warnen sie aber vor einem allzu rigiden Sparplan, der auch die kleinste wirtschaftliche Erholung im Keim ersticken könnte. 

Das Wifo rechnet mit einem Konsolidierungsbedarf von rund 1,2 Prozent des BIP, das sind rund sechs Milliarden Euro. Je nachdem, welcher Konsolidierungspfad von der Regierung gewählt wird, könnte das laut den Berechnungen des Wifo unter Umständen zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von bis zu 0,3 Prozent führen. 

Immerhin eine gute Nachricht findet sich in den aktuellen Prognosen der Wirtschaftsforscher: Die Inflationskrise dürfte vorerst überstanden sein. Über das Jahr gerechnet betrug die Inflation heuer drei Prozent. 2025 könnte sie auf etwas über zwei Prozent sinken. Sofern es nicht doch wieder ganz anders kommt. 

Marina Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".