Noch zu Beginn des Jahres haben die heimischen Wirtschaftsforscher mit einem ganz leichten Wachstum gerechnet. Tatsächlich befinden wir uns aber in einer leichten Rezession. Stefan Schiman-Vukan (Prognoseverantwortlicher WIFO), der Direktor des Wirtschaftsforschungsinstitutes Wifo Gabriel Felbermayr, IHS-Chef Holger Bonin und Helmut Hofer (Prognoseverantwortlicher IHS) bei der Präsentation der Herbstprognose am Freitag.
Wirtschaft

Konjunkturprognose: Die unbemerkte Rezession

IHS und Wifo müssen ihre Konjunkturprognose für heuer deutlich nach unten korrigieren. Der Einbruch könnte aber schon wieder bald vorbei sein.

Drucken

Schriftgröße

Der heimischen Wirtschaft ging es heuer offenbar doch schlechter, als erwartet. Noch im Frühling gingen die beiden großen Forschungsinstitute Wifo und das Institut für Höhere Studien (IHS) davon aus, dass sich heuer ein ganz verhaltenes, aber zumindest positives Wirtschaftswachstum ausgeht. Die heimische Volkswirtschaft befindet sich aber offenbar in einer leichten Rezession, und die Herbstprognose fällt damit deutlich negativer aus. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird heuer um 0,8 (Wifo) beziehungsweise um 0,4 Prozent (IHS) schrumpfen. Besonders schlecht lief es in der Industrie und im Baugewerbe. Dort war der Einbruch am stärksten. Und eben dort stieg zuletzt auch die Arbeitslosigkeit etwas. Vor allem das zweite Quartal lief - nach Vorlage aller Wirtschaftsdaten - deutlich schlechter als erwartet. 

"Ein Jahr zum Vergessen" und die "verpasste Rezession", nennt es Wifo-Chef Gabriel Felbermayr am Freitag vor Journalisten. Das bedeutet, dass es in vielen Wirtschaftsbereichen eigentlich seit Ende 2022 bergab ging, laut Daten beider Institute befinde sich "die halbe Volkswirtschaft in einer Rezession". Gewachsen sind hingegen der Finanz- und Dienstleistungssektor. Dass man das nicht früher bemerkt hat, dürfte daran liegen, dass man offenbar die weiterhin sehr hohen Energiepreise, die schwache Weltkonjunktur, den Effekt der gestiegenen Zinsen und die Unsicherheiten rund um Russlands Krieg gegen die Ukraine unterschätzt hat. 

Die gute Nachricht: Die Prognose-Zahlen beider Institute deuten an, dass diese "unbemerkte" Krise eigentlich schon wieder so gut wie vorbei ist. Für das kommende Jahr wird wieder ein leichter Aufschwung von 1,2 Prozent (Wifo) beziehungsweise 0,9 Prozent (IHS) erwartet. Und auch die Reallöhne sind heuer um 1,1 Prozent gestiegen - aufgrund der hohen Lohnabschlüsse und der Abschaffung der kalten Progression. Damit war der private Konsum trotz hoher Inflation relativ robust. „Auch wenn das Reizwort ‚Rezession‘ im Raum steht, die positiven Aspekte der Prognose dürfen nicht übersehen werden“, sagte IHS-Chef Holger Bonin. Jedenfalls gebe es keinen Anlass für neue konjunkturstützende Maßnahmen seitens der Regierung.

Aussichten auch international trüb

Dass Wirtschaftsforscher derzeit ihre Prognosen nach unten korrigieren müssen, ist kein österreichisches Phänomen. Erst kürzlich musste Deutschland seine Konjunkturerwartungen senken. Die deutsche Wirtschaft wird heuer um 0,6 Prozent schrumpfen. Auch die Welthandelsorganisation hat ihre Prognose für das Wachstum des Welthandels erst gestern auf 0,8 Prozent halbiert. Der noch immer andauernde Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, volatile (Energie-)Märkte, steigende Zinsen und ein wirtschaftlich schwächelndes China bremsen die globale Konjunktur.

In Österreich macht den Wirtschaftsforschern vor allem der Bausektor Sorgen. Dieser soll sich nämlich, anders als die Industrie, im kommenden Jahr nicht erholen und nochmal um 4,1 Prozent (laut Wifo-Ausblick) einbrechen. Die hohen Zinsen und gestiegenen Baukosten haben vor allem im Hochbau zu Stillstand geführt, für 2024 werden nur halb so viele Anträge auf Baugenehmigung erwartet wie 2022. Als Stütze für den angeschlagenen Wohnbau schlagen deshalb Bonin und Felbermayr öffentliche Maßnahmen "und Rechtssicherheit" in Form des Erneuerbaren-Wärme-Gesetzes für die thermische Sanierung von Gebäuden vor. Zudem droht eine Verfehlung der Klimaziele - laut Wifo sinken die CO2-Emissionen heuer um 2,4 Prozent, "was bei einer Industrierezession von drei Prozent kein Wunder ist", sagt Felbermayr. 

Auf wackeligen Beinen könnte auch die Inflationsprognose für das kommende Jahr stehen. Heuer soll die Teuerungsrate laut Wifo bei 7,7 und laut IHS 7,8 Prozent betragen. Das ist ebenfalls etwas mehr, als zu Beginn des Jahres noch erwartet wurde. Für kommendes Jahr rechnen die Institute mit einem Rückgang auf um die vier Prozent. Ob das hält, hängt von einer Vielzahl noch unvorhersehbarer Faktoren ab. Etwa vom Ölpreis, der zuletzt stark gestiegen und dann schnell wieder gesunken ist. Im kommenden Jahr tritt das Embargo der EU für russisches Öl in Kraft. Und je nachdem wie hoch die Lohnabschlüsse heuer ausfallen, könnte das ebenfalls einen Effekt auf die Verbraucherpreise haben. "Das ist aber kein Aufruf zur Lohnzurückhaltung", sagt Bonin am Freitag. Wenn die Löhne stärker steigen, treibt das die Lohnstückkosten und die Inflation an. Wenn sie zu wenig steigen, drückt das auf den Konsum und damit wiederum aufs Wachstum.

Marina  Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".