Konjunkturprognose: „Wir haben die Vertrauenskrise unterschätzt“
Es sind nicht nur die stillstehenden Baustellen der Signa, die sinnbildlich für die aktuelle Wirtschaftslage stehen. Eingetrübt hat sich nicht nur die gesamte Bauwirtschaft, „das zieht sich über die Branchen hinweg“, sagt der Chef des heimischen Wirtschaftsforschungsinstituts Gabriel Felbermayr am Freitag bei der Präsentation der Konjunkturprognose. Das Wifo und das Institut für höhere Studien (IHS) mussten ihre Prognosewerte im Vergleich zur letzten Berechnung im Dezember korrigieren. Es ist die zweite Korrektur nach unten in nur einem Jahr und das ist ungewöhnlich.
Heuer soll die Wirtschaft um 0,2 (Wifo) beziehungsweise 0,5 Prozent (IHS) wachsen. Vor vier Monaten lagen die Annahmen der beiden Institute noch bei einem Plus von 0,9 und 0,8 Prozent. Auch in puncto Inflationsrate gibt es Korrekturen: Nach zwei Jahren mit sehr hoher Teuerung soll sich heuer die Inflationsrate laut Wifo auf 3,8 beziehungsweise 3,5 Prozent (IHS) mehr als halbieren. Im Jahr 2025 soll es dann wieder in Richtung der erwünschten 2-Prozent-Marke gehen.
„Es fehlt den Haushalten nicht an Geld, es fehlt ihnen schlicht die Zuversicht.“
Als Gründe für die Kurskorrektur nennt Felbermayr „steigende Realzinsen, ein Tief im Welthandel und politische Gewitterwolken,“ aber auch die angespannte Lage im Roten Meer. Das führt nicht nur zu Pessimismus aufseiten der Unternehmen, die sich ihrerseits mit Investitionen zurückhalten. Verunsicherung entsteht dadurch auch bei den Konsumentinnen und Konsumenten. „Wir haben die Vertrauenskrise unterschätzt“, sagt der Wifo-Chef. Generell habe die aktuell schwache Konjunktur sehr stark mit psychologischen Faktoren zu tun, meint Felbermayr: „Es fehlt den Haushalten nicht an Geld, es fehlt ihnen schlicht die Zuversicht.“
„Auch wir sehen, dass das Verbrauchervertrauen auf einem historisch niedrigen Niveau liegt. Die hartnäckige Inflation dürfte hier ihre Spuren hinterlassen haben“, sagt IHS-Chef Holger Bonin. Geldgeschenke zur Belebung des Konsums brauche es laut den Ökonomen nicht, vielmehr sollten sich die Politik und die Sozialpartner bemühen, Sicherheit zu geben: „Der Mietpreisdeckel ist ein gutes Beispiel für ein solches Instrument, ebenso das kürzlich beschlossene Baupaket“, meint Felbermayr.
„Auch wir sehen, dass das Verbrauchervertrauen auf einem historisch niedrigen Niveau liegt. Die hartnäckige Inflation dürfte hier ihre Spuren hinterlassen haben“, meint IHS-Chef Holger Bonin.
„Zentrales Anliegen an kommende Regierung“
Ab Jahresmitte soll es dann laut den beiden Instituten wieder bergauf in puncto Wirtschaftswachstum gehen, Grund dafür sind angenommenen Lockerungen der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Langfristig gesehen werde es aber darum gehen, ernsthafte Standortpolitik zu betreiben, sagt Bonin. „Es braucht also ganz konkrete Maßnahmen zum Bürokratieabbau, das Senken der hohen Lohnnebenkosten, aber auch Möglichkeiten, Investitionen schneller abzuschreiben“, so der IHS-Chef.
Die vor wenigen Wochen publizierte Umfrage der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), dass vier von zehn Unternehmen bereits ans Abwandern denken, lässt sich mit aktuellen Daten zwar nicht belegen, aber: „Wenn wir uns die Wirtschaftsgeschichte oder Länder ansehen, wo tatsächlich eine Deindustrialisierung stattgefunden hat, dann sieht man, dass die nicht in 24 Stunden stattfindet. Das sind schleichende Prozesse“, sagt Felbermayr. Um dies zu verhindern, wünscht sich auch der Wifo-Direktor ernsthafte industriepolitische Maßnahmen: „Wir haben mit die höchsten Lohnstückkosten in Europa, relativ hohe Energiepreise, die bereits besprochene hohe Steuerbelastung. Das kann man nicht schönreden.“
Zwar habe man mit der dualen Ausbildung sehr gute Voraussetzungen in puncto qualifizierte Arbeitskräfte, verbessert gehöre aber beispielsweise das heimische Bildungssystem. „Wir hätten jetzt Zeit für umfassende standortpolitische Maßnahmen, die muss aber auch genutzt werden. Das ist ein zentrales Anliegen an die kommende Regierung“, sagt Felbermayr.
Bis im kommenden Herbst ein neuer Nationalrat gewählt wird, stehen hierzulande für viele aber noch die Osterferien und später der Sommerurlaub an. Und hier gibt es laut den Ökonomen einen Lichtblick: Denn obwohl Österreich sowohl im Sektor Freizeitangebote und Gastronomie aber auch in puncto Restaurants und Hotels mitunter zu den Ländern der EU gehört, in denen die Preissteigerungen besonders hoch ausgefallen sind, geht das Wifo von einer guten Buchungslage aus.