Kredite, Aktien, Anleihen: Wie man in der Inflation investieren soll

Wer die Inflation schlagen will, muss viel Risiko beim Investieren in Kauf nehmen - oder versuchen, den Schaden zu begrenzen.

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Europas Währungshüter haben lange abgewartet, doch die Rekordinflation treibt die Europäische Zentralbank (EZB) zum Handeln: Im Juli wird sie erstmals seit elf Jahren den Leitzins leicht anheben-um 0,25 Prozentpunkte. Im September soll ein weiterer Zinsschritt folgen.

Wie wirkt sich die Inflation auf einen bestehenden Kredit aus?

Grundsätzlich profitieren Schuldner von der aktuellen Inflation. Während der nominale Betrag des Kredits gleich bleibt, wird das Geld weniger wert-der Kredit lässt sich somit leichter zurückzahlen.

Dabei kommt es freilich auf die Art des Kredits an: Ist ein variabler oder ein fixer Zinssatz vereinbart? Langfristige Fixzinssätze haben den Vorteil, dass man gegen inflationsbedingte Zinserhöhungen auch langfristig geschützt ist. Bei einem Kredit mit variablem Zinssatz können sich Zinserhöhungen relativ rasch auf die Kreditzinsen auswirken. "Wichtig ist, dass Kreditnehmer hier Nabelschau betreiben. Wie ist der Zinssatz ausgestaltet? An welche Indikatoren ist er geknüpft und nach welcher Methodik und wie häufig können die Zinsen angepasst werden?",rät Christian Prantner, Leiter der Abteilung Finanzdienstleistungen der Arbeiterkammer. Rund die Hälfte der Immobilienkredite in Österreich ist variabel verzinst. Bei variablen Zinsen steigen oder sinken die Zinsen, je nachdem, wie sich die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ändert. Meist sind die Zinsen an den 3-Monats-Euribor geknüpft-steigt dieser, steigt etwas später auch die Kreditrate. "Die Erfahrung zeigt, dass die Banken Kreditzinsen sehr rasch an ihre Klientel weitergeben, bei den Sparzinsen ist das nicht der Fall",sagt Prantner.

Der 3-Monats-Euribor war im Mai 2015 infolge der EZB-Geldpolitik und der ultraniedrigen Zinsen negativ geworden und lag seither lange Zeit bei minus 0,3 Prozent, Anfang dieses Jahres sogar bei minus 0,6 Prozent. Mit Beginn des Ukraine-Krieges begann sich die Richtungsänderung abzuzeichnen: Aktuell liegt der Referenzzinssatz bei minus 0,4 Prozent. Für Kreditnehmer mit variablen Zinsen bedeutet diese Entwicklung, dass ihr Zinssatz seither ebenfalls in diesem Ausmaß stieg. Ihr Zinssatz setzt sich aus dem Referenzzinssatz und einem Zinsaufschlag, der sogenannten Marge, zusammen. Diese Marge ist Verhandlungssache bei Vertragsabschluss mit der Bank.

Was tun gegen steigende Kreditzinsen?

Wer sich für einen Kredit mit variablen Zinsen entschieden hat und nun fürchtet, dass die monatliche Belastung bei einem Immobilienkredit aufgrund künftig steigender Zinsen zu hoch werden könnte, hat tatsächlich Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken. AK-Experte Prantner etwa empfiehlt, bei einem noch hohen aushaftenden Kreditvolumen mit dem jeweiligen Institut eine Fixzinsvereinbarung zu treffen. "Grundsätzlich kann man sagen: Je länger die Restlaufzeit, desto eher ist eine Fixverzinsung sinnvoll, auch hinsichtlich der Planungssicherheit für unsere Kundinnen und Kunden",heißt es dazu auch vonseiten der Erste Bank. Prantner rät, auf die Höhe der Zinsen besonderes Augenmerk zu legen, denn bei einem bereits bestehenden Kredit hat die Bank mehr Verhandlungsmacht.

Eine weitere Option ist die Umschuldung. Ob es sich jedoch lohnt, einen laufenden Kredit durch einen neuen abzulösen, kann nur individuell beantwortet werden. Die Ersparnis durch niedrigere Zinsen muss jedenfalls größer sein als die Kosten, die durch die Umschuldung entstehen. Dazu gehören die Bearbeitungsgebühr, welche die neue Bank verrechnet, die Kosten für die Grundbuchänderung und eine eventuelle Pönalzahlung, wenn der Kreditvertrag mit der alten Bank vor Ablauf der Kündigungsfrist gelöst wird. Auch hier gilt: Je höher der noch ausstehende Kreditbetrag ist, je länger der Kredit noch laufen würde und je größer der Unterschied beim Zinssatz ist, desto eher ist eine Umschuldung wirtschaftlich sinnvoll.

Hypothekarkredite sind für Banken ein gutes und sicheres Geschäft. Entsprechend groß ist die Konkurrenz der Institute untereinander. "Es lohnt sich, Angebote von zwei oder drei Banken einzuholen und sich zu informieren, welche Zinsen und Konditionen einem dort geboten werden. Wenn man mit diesem Wissen zurück zur Hausbank geht, kann man dort meistens durchaus etwas erreichen", weiß Prantner.

Ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um einen Immobilienkredit aufzunehmen?

Ja, lautet die einhellige Empfehlung der Experten. Wer ohnehin plant, in absehbarer Zeit eine Wohnung oder ein Haus zu erwerben, sollte sich rasch die derzeit immer noch recht günstigen Konditionen sichern. Nicht nur wegen der drohenden Zinssteigerungen-im Juli sollen neue Richtlinien in Kraft treten, wonach Banken bei der Vergabe von Hypothekarkrediten strenger werden müssen. Wer künftig einen Kredit aufnehmen will, muss dann de facto mindestens 20 Prozent an Eigenmitteln aufbringen. Die Laufzeit darf 35 Jahre nicht übersteigen, die Kreditrate nicht mehr als 40 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens betragen. Viel Zeit ist nun freilich nicht mehr für die Suche nach dem Traumobjekt, doch es besteht auch die Möglichkeit, eine Immobilienfinanzierung quasi "auf Vorrat" zu nehmen. "In einem solchen Fall ist eine umfassende Beratung wichtig, um die möglichen Szenarien zu besprechen",sagt ein Sprecher der Erste Bank. Etwa was den tilgungsfreien Zeitraum betrifft oder für den Fall, dass keine passende Wohnung gefunden wird beziehungsweise der Kaufpreis höher ausfällt als ursprünglich erwartet.

Kann ich mit einem Immobilieninvestment die Inflation schlagen?

Lange ist der österreichische Wohnungsmarkt verschont geblieben, doch Finanzkrise, Nullzinsen, Pandemie und Angst vor der Inflation haben aus Eigentums-und Anlegerwohnungen Objekte der Begierde gemacht. Auch große Investoren hat es ins vergleichsweise günstige Wien und in die Ballungszentren gezogen. So sind laut Nationalbank (OeNB) die Preise für Wohneigentum in den vergangenen elf Jahren um 120 Prozent gestiegen und mittlerweile überbewertet. In Wien um mehr als 30 Prozent, österreichweit um 23 Prozent, rechnet die OeNB vor.

Der überhitzte Immobilienmarkt hat die Kauflaune indes nicht geschmälert. Das Maklernetzwerk Remax verzeichnete 2021 um 17.486 mehr Käufe als 2020, was einem Anstieg um zwölf Prozent entspricht. Doch Remax-Chef Bernhard Reikersdorfer geht davon aus, dass die Nachfrage heuer-wenn auch von hohem Niveau-etwas zurückgehen wird. "Das hängt stark davon ab, wie sehr die Zinsen steigen",sagt er.

Für Wolfgang Ules, Investment-Chef der Schelhammer Capital Bank, ist der Kauf von Immobilien für den Eigengebrauch trotz hoher Preise sinnvoll. Anders sieht es bei Anlagewohnungen aus: "Politische Maßnahmen wie mögliche Leerstandsabgaben und steigende Zinsen schmälern die Rendite." Die Hoffnung, mit einem Immobilieninvestment die Inflation zu schlagen, macht Ules damit zunichte.

Wie sieht es mit Aktien aus?

Fast 300 Milliarden Euro haben die Österreicherinnen und Österreicher bei den Banken gebunkert. Die Einlagen privater Haushalte wuchsen im vergangenen Jahr um 10,9 Milliarden Euro oder 3,8 Prozent an-obwohl der Realzinssatz auf den niedrigsten Wert seit den 1970er-Jahren gesunken ist. Am Girokonto oder Sparbuch kann man seinem Vermögen buchstäblich beim Dahinschmelzen zuschauen. Ein Guthaben von 10.000 Euro ist bei einer angenommenen Inflationsrate von fünf Prozent nach fünf Jahren in Kaufkraft nur noch gut 7800 Euro wert. Alternativen sind also gefragt. "Vor ein paar Monaten konnte man ruhig sagen, wenn man breit gestreut in Aktien investiert, kann man die Inflation schlagen",sagt Markus Kaller, zuständig für Privatkunden bei der Erste Asset Management. Das gelte nun aber nicht mehr. Wer die Inflation schlagen will, müsse sehr viel mehr Risiko in Kauf nehmen.

Tatsächlich ist die Bilanz der vergangenen Monate nicht gerade erbaulich. Die wichtigen Indizes haben durch die Bank verloren. Der Nasdaq 100, der die großen US-amerikanischen Techunternehmen versammelt, ist im Vergleich zum Vorjahr um über zwölf Prozent gesunken, allein in den vergangenen drei Monaten hat er über elf Prozent eingebüßt. Der MSCI World hat gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 9,5 Prozent, der S&P 500 eines von fast sieben Prozent. Nach einem Tiefpunkt Ende Mai zeigen die Indizes aktuell wieder etwas nach oben.

Viele hoch bewertete Technologieaktien, die in der Vergangenheit für satte Gewinne gesorgt haben, hat es ordentlich gebeutelt. So hat Apple seinen Platz als wertvollstes Unternehmen kürzlich an den saudischen Ölkonzern Aramco verloren. Aufgrund des hohen Ölpreises ist die Aramco-Aktie zwischen Mitte März und Mitte Mai um 17 Prozent gestiegen, das Apple-Papier hat im selben Ausmaß verloren.

Ulrich Reitz, Investmentchef der deutschen Vermögensverwaltung Focam AG, hat bereits vor über einem Jahr begonnen, die Portfolios seiner vermögenden Kunden umzustellen. Damals lag sein Augenmerk darauf, hoch bewertete Wachstumsaktien abzubauen und stärker auf niedrig bewertete Unternehmen zu setzen wie etwa Finanztitel, Ölwerte und Energieversorger, erzählt er. In der Zwischenzeit sind aber die Kurse von Unternehmen in diesen Bereichen stark gestiegen-also auch kein Geheimtipp mehr.

Wer in Aktien investieren will, sollte sich die grundlegende Frage stellen, wie weit ein Unternehmen die höheren Kosten weitergeben kann und trotzdem gekauft wird. Klar im Vorteil sind Unternehmen mit Gütern des täglichen Bedarfs, wie etwa Lebensmittel, aber auch Energieversorger, Pharmakonzerne und Mobilfunkanbieter. "Aber ein Netflix-Abo wird schnell gekündigt", sagt Wolfgang Ules, Investmentchef der Schelhammer Capital Bank. Die Netflix-Aktie ist zuletzt massiv eingebrochen, was nicht zuletzt auch dem Wegfall des russischen Marktes geschuldet war.

Oder soll man auf Anleihen setzen?

Wenn Aktien fallen, dann steigen die Anleihen, so ein Grundsatz der Finanzwelt. Gilt das aber derzeit noch? "Dieser Leitsatz gerät durch die Inflation ins Wanken", sagt Kaller von der Erste Group. Nach einer langen Phase sinkender Zinsen hat die US-Notenbank die Leitzinsen bereits erhöht, die EZB plant diesen Schritt in Kürze. Und steigende Zinsen, sagt Kaller, seien "Gift" für den Anleihenmarkt.

Seit Anfang des Jahres ist der Bloomberg Euro Aggregate Index, der den Anleihenmarkt in Euro spiegelt, um mehr als elf Prozent gefallen. "Die Rückkehr der Inflation hat damit den 40-jährigen Anleihenbullenmarkt beendet", sagt Wolfgang Ules. Das sei für viele Anleger schmerzhaft gewesen. Kurzfristige Anleihen bei Unternehmen mit sehr guter Bonität, das sei derzeit dennoch eine Option, heißt es bei der Schelhammer Capital Bank. Doch das Problem ist, dass bei zwei Prozent Rendite durch die Inflation ein Minus bleibt. "Am Kapitalmarkt gibt's nichts gratis", erklärt Ules trocken.

Und, so die bittere Erkenntnis, auch mit sogenannten inflationsgeschützten Anleihen lässt sich derzeit die Kaufkraft nicht zu 100 Prozent erhalten, weiß Manfred Frühwirth, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien. "Inflationsgeschützte deutsche Staatsanleihen mit Laufzeiten von vier bis elf Jahren beispielsweise liegen aktuell bei Renditen zwischen minus zwei Prozent und minus 1,2 Prozent pro Jahr." Aber das sei besser, als es aussieht, weil es sich dabei um die reale Rendite handelt. "Deutsche Bundesanleihen ohne Inflationsschutz erreichen derzeit Renditen von plus ein Prozent bis 1,5 Prozent, allerdings ist hier noch die Inflation abzuziehen", erklärt der Experte. "Wenn daher die Inflationsrate in Zukunft über 2,75 Prozent pro Jahr liegt, sind inflationsgeschützte Anleihen besser, bei Inflationsraten unter 2,75 Prozent sind Bundesanleihen ohne Inflationsschutz vorzuziehen." Bei inflationsangepassten Anleiheprodukten von Banken rät Frühwirth zur Vorsicht: "Oft sind zwar die Zinsen an die Inflation geknüpft, nicht jedoch die Tilgungssumme am Ende der Laufzeit." Daher empfiehlt er eher inflationsindexierte Anleihen von Staaten mit sehr guter und guter Bonität, wie eben Deutschland oder Frankreich.

Bewährt sich Gold in der Krise? Gold hat den Ruf als sicherer Hafen in der Krise, doch gilt das noch immer? Eine Feinunze Gold kostet gerade um die 1700 Euro, das ist um elf Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Zu Beginn des Krieges in der Ukraine ist der Goldpreis auf über 2000 Euro pro Unze hochgeschnellt, aber in Folge wieder abgesunken.

Die historische Betrachtung zeigt, dass Gold in Sachen Inflationsschutz recht unzuverlässig ist. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Phasen mit hoher Inflation, in denen Gold, anders als man vermuten würde, deutlich an Wert verlor. Lediglich in der Langzeitbetrachtung-also über mehrere Jahrzehnte hinweg-kann das Edelmetall seinem Ruf halbwegs gerecht werden.

Doch zahlt es sich jetzt noch aus, einzusteigen? "Langfristig schon", sagt Reitz von der Focam Vermögensverwaltung. Prinzipiell raten Experten aber, nur fünf bis maximal zehn Prozent des Ersparten in Gold anzulegen. Solange die Zinsen nicht allzu stark stiegen, bewähre sich Gold. Auch für Kaller von der Erste Group hat Gold seine Berechtigung als "einzige Anlageklasse, die heuer im Plus ist".

Einen Trend zu Sachwerten beobachtet auch der Wiener Edelsteinhändler Thomas Schröck. Sein Unternehmen, The Natural Gem, verzeichnet seit der Pandemie eine enorme Nachfrage, die sich mit Beginn des Ukraine-Krieges noch verstärkt hat. "Wie auch Gold werden in Krisenzeiten Edelsteine von Anlegern als Fluchthafen betrachtet. In den letzten 20 Jahren lag ihr Wertanstieg zwischen sechs und acht Prozent pro Jahr", so Schröck. Da die Inflation kein rein europäisches, sondern ein weltweites Phänomen ist, rechnet er mit weiteren Preissteigerungen.

Während viele Anlegerinnen und Anleger noch überlegen, wie sie der Inflation ein Schnippchen schlagen können, steht für Reitz bereits eine andere Frage im Vordergrund: Wann beruhigt sich die Inflation? Er geht davon aus, dass sie in Kürze ihren Zenit erreichen wird und sieht erste Anzeichen dafür-so entspannt sich etwa die Corona-Lage in Shanghai, der große Containerschiff-Stau löst sich langsam auf, dadurch werden Lieferketten wieder in Bewegung kommen. Aufgrund dieser Verschiebungen hat Reitz seine Strategie geändert. "Techunternehmen sind günstiger und somit wieder interessanter geworden", sagt er und denkt schon darüber nach, was er nun mit dem Vermögen seiner Kunden macht.

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).