Zukunft von KTM am seidenen Faden: Sanierungsplan auf dem Prüfstand
Am Dienstag entscheiden die Gläubiger der insolventen KTM AG über die Sanierungspläne des Managements und des Sanierungsverwalters. Dass der heimische Leitbetrieb seine Geschäfte wieder aufnehmen kann, ist aber alles andere als sicher. profil liegt der Sanierungsplan vor.
Stille ist in einer Produktionshalle niemals gut. Wer nichts herstellt, kann nichts verkaufen. Bei der insolventen KTM AG in Mattighofen stehen die Maschinen und Produktionsbänder schon seit zweieinhalb Monaten still. Im besten Fall werden sie am 17. März wieder angeworfen, und dann sollen die Arbeiterinnen und Arbeiter wieder das herstellen, was sie am besten können – Motorräder. Etwas mehr als 150 Millionen Euro fehlen noch für den Neustart. Im schlimmsten Fall droht Europas größtem Motorradhersteller schon in wenigen Wochen die Zerschlagung und Liquidation.
Welchen Weg der Betrieb nehmen wird, entscheidet sich am kommenden Dienstag, dem 25. Februar, um 9 Uhr am Landesgericht in Ried im Innkreis. Dann stimmen die Gläubiger der insolventen KTM AG darüber ab, ob sie dem Sanierungsplan – er liegt profil vor – und damit dem Fortbestand von KTM zustimmen. Oder eben nicht. Ein paar Tage vor der Abstimmung liegen die Nerven bei Management und Gläubigern blank. Denn „oder eben nicht“ ist aus heutiger Sicht zwar nicht das wahrscheinlichste, aber ein durchaus realistisches Szenario für die Zukunft von KTM.
„Es ist sogar komplexer als bei Signa“, sagt ein Insider, der nicht namentlich zitiert werden will. Denn bei der Signa-Pleite, wo zwar über 1000 Firmen miteinander verflochten sind, muss man letzten Endes einfach 100 Liegenschaften verwerten. Und an einen Fortbestand glaubt dort schon lange niemand mehr. Bei KTM geht es darum, ein weltweit tätiges Unternehmen mit Partnern und Produktionsstätten auf mehreren Kontinenten am Leben zu erhalten. Auch hier müssen zahlreiche gesellschaftsrechtliche Verflechtungen und gegenseitige, sogenannte inter-company-Forderungen berücksichtigt werden. Und es geht um Gläubigerinteressen, die einander teilweise widersprechen.
Am 29. November des Vorjahres brachte die KTM AG, die wohl bedeutendste Tochter im Industrieimperium von Stefan Pierer, am Landesgericht Ried im Innkreis einen Insolvenzantrag ein. Firmenboss Pierer nannte das damals einen „kurzen Boxenstopp“, um das Unternehmen gesund zu sanieren und wieder auf Spur zu bringen. Nach Signa und dem Baukonzern Alpine ist das die drittgrößte Firmenpleite in Österreichs Wirtschaftsgeschichte. Laut dem aktuellen Bericht des Sanierungsverwalters haben die Gläubiger Forderungen von 2,25 Milliarden Euro angemeldet, wovon satte zwei Milliarden Euro anerkannt sind.
„Es ist sogar komplexer als bei Signa.“
Insider
Management und Sanierungsverwalter haben den Gläubigern, zu denen auch zahlreiche größere und kleinere Zulieferbetriebe sowie Banken gehören, eine Sanierungsquote von 30 Prozent vorgeschlagen. Sie sollen also auf 70 Prozent ihrer Forderungen verzichten, bekommen das Geld aber spätestens am 31. Mai auf ihr Konto, und KTM fährt schuldenfrei aus der Box in eine aus Konzernsicht bessere und gewinnträchtige Zukunft. Mitte Juni wäre das Sanierungsverfahren abgeschlossen und der Spuk nach einer schmerzhaften, aber relativ kurzen Sanierung vorbei. So der Plan.
Spatzen gegen Tauben
„Aus Gläubigersicht ist das ein relativ zufriedenstellendes Angebot“, sagt Gerhard Weinhofer vom Gläubigerschutzverband Creditreform. Vor allem kleinere Lieferanten wollen schnell zu Geld kommen. Außerdem sei aufgrund der angespannten und unsicheren Marktlage mehr als unklar, ob sich über einen längeren Zeitraum überhaupt eine höhere Gläubigerquote erzielen ließe. Oder anders gesagt: „Besser der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“, meint Weinhofer.
Das sehen aber nicht alle Gläubiger so. Vor allem die österreichischen Banken, die KTM üppige Kredite gewährt haben, pochen auf ihr Geld, auf eine höhere Quote und nicht zuletzt auf einen Zuschuss von KTM-Gründer Stefan Pierer selbst. Die Bankverbindlichkeiten betragen rund 1,3 Milliarden Euro. Zu den größeren Kreditgebern in Österreich zählen laut dem Bericht des Sanierungsverwalters die Oberbank sowie die Raiffeisen Landesbank Oberösterreich.
Sie wollen eben nicht auf den Großteil ihrer Forderungen verzichten und letzten Endes Firmenkredite abschreiben müssen. Und so könnte es gut sein, dass am Dienstag aus dieser Ecke keine Zustimmung zu den Sanierungsplänen kommt. Von deren Wohlwollen hängt jetzt ab, wie es bei KTM weitergehen wird. Damit der Sanierungsplan durchgeht, müssen nämlich mehr als die Hälfte der Gläubiger, die gleichzeitig mehr als die Hälfte des Kapitals repräsentieren, zustimmen. Wird das Angebot abgelehnt, geht das Bangen weiter.
KTM-INSOLVENZ: BETRIEBSVERSAMMLUNG IM WERK IN MATTIGHOFEN
Hochfahren
Sollte der Sanierungsplan von den Gläubigern angenommen werden, geht die Produktion in Mattighofen im März weiter. „Aus Gläubigersicht ist das ein relativ zufriedenstellendes Angebot“, sagt Gerhard Weinhofer vom Gläubigerschutzverband Creditreform. Das sehen nicht alle Gläubiger so.
Andererseits rechnen die Sanierungsverwalter im Falle eines Konkurses und einer schnellen Liquidation der verbliebenen Assets mit einer Quote von gerade einmal 14,9 Prozent. Im Wesentlichen sind das die Markenrechte (80,4 Millionen Euro), die Immobilien mit einem angenommenen Liquidationswert von 114,3 Millionen Euro, die Maschinen (46,1 Millionen) und die Motorräder, die noch auf Lager liegen (209 Millionen), so der Bericht.
Der Sanierungsverwalter geht auch in seiner Ursachenforschung für die Firmenpleite mit dem Management hart ins Gericht. „Strategische Anpassungen, die einen hohen Liquiditätsbedarf vermieden hätten, wurden nicht mit ausreichender Wirkung bzw. zu einem angemessenen Zeitpunkt getroffen“, steht etwa im Bericht. Auch die Dividendenzahlungen 2023 und 2024 für die jeweils – durchaus gewinnträchtigen – vergangenen Geschäftsjahre hatten den Liquiditätsengpass letzten Endes verschärft.
Retter in der Not?
Zurück zu KTM und ihren Sanierungsplänen. Um die versprochene Gläubigerquote von 30 Prozent zu erfüllen, braucht das Unternehmen Cash in der Höhe von 548 Millionen Euro, das bis Ende Mai auf die Konten der Gläubiger fließen soll. Um die Produktion in der beginnenden und besonders wichtigen Frühlingssaison wieder hochzufahren, braucht KTM weitere 150 Millionen Euro. Und hier kommen zwei Player ins Spiel, die seit der Pleite eine Schlüsselrolle bei KTM spielen: der indische Automobil-Riese und KTM-Miteigentümer Bajaj und Stephan Zöchling. Letzterer zog zuletzt in den Aufsichtsrat der KTM-Mutter Pierer Mobility ein und wurde Vorstand von Pierer Industrie.
„Strategische Anpassungen, die einen hohen Liquiditätsbedarf vermieden hätten, wurden nicht mit ausreichender Wirkung bzw. zu einem angemessenen Zeitpunkt getroffen.“
aus dem Sanierungsplan von KTM
Zöchling ist Miteigentümer des steirischen Auspuffherstellers Remus und gilt als Vertrauter von Stefan Pierer. Besonders beliebt bei den Bankenchefs in Oberösterreich war er zuletzt aber nicht. Bajaj Auto gehört zu Indiens größten Autobauern und hält durchgerechnet 37,4 Prozent an der Pierer Mobility AG, der Konzernmutter von KTM. 300 Millionen Euro an kurzfristig verfügbarem Kapital sollen die Inder schon Anfang Dezember angeboten haben. Das geht aus einem früheren Sanierungsbericht hervor. Was sie dafür bekommen hätten, ist nicht bekannt.
Bajaj und Zöchling sollen nun für die Sanierung angeboten haben, zusammen 740 Millionen Euro zu investieren, um die Gläubiger zu bedienen und das Hochfahren der Produktion zu finanzieren. Wie genau sich die Eigentumsanteile nach diesem Zuschuss verschieben würden, also wie viele KTM-Anteile Zöchling und Bajaj (noch) bekommen, wollte das Unternehmen auf Nachfrage nicht beantworten. Ebenso wenig eine Reihe weiterer Fragen, die profil stellte. „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zu diesen Fragen aktuell keinen Kommentar abgeben“, teilt ein Sprecher mit.
Im profil vorliegenden Sanierungsplan ist aber auch von einem weiteren, bisher unbekannten Szenario die Rede, dem „Whitebox-Konzept“. Demnach sei die US-amerikanische Kapitalgesellschaft Whitebox Advisors LLC „mit drei vagen Konzepten“ an die KTM-Eigentümer und den Sanierungsverwalter herangetreten. Mitte Februar habe diese ihr Angebot nachgeschärft und vorgeschlagen, „in einem Konkurs sämtliche Vermögenswerte der KTM AG samt etwaiger Haftungsansprüche zu einem Kaufpreis von mindestens 600 Millionen Euro zu erwerben und weitere 200 Millionen Euro zur Deckung des operativen Liquiditätsbedarfs der KTM AG zuzuführen“, heißt es im Bericht.
Für den Sanierungsverwalter ist das kein gutes Angebot, weil es mit vielen Unsicherheiten behaftet sei, keine Fortführungsgarantie beinhalte und auch im Vergleich zum Sanierungsplan für die Gläubiger nachteilig sei. Für das Management bleibt zu hoffen, dass das die Gläubiger am kommenden Dienstag auch so sehen und den Plänen der Sanierer zustimmen. Ansonsten könnte der „Boxenstopp“ zum Ende eines heimischen Leitbetriebs werden.