Linz: Streit um Hochhäuser und ihre Investoren
Wie gehen Stadtpolitiker mit finanzstarken Investoren um, die Hochhäuser errichten wollen? Wenn in Österreich um diese Frage gestritten wird, dann meist in Wien. Hier sind die Grundstücke wertvoll; Investoren spitzen auf Gewinnchancen. Momentan zu besichtigen: der Streit um den geplanten Neubau des Intercont am Heumarkt.
Über derlei Konflikte gerät aus dem Blick, wie es anderswo in Österreich um die Hochhaus-Frage bestellt ist. Nun schlägt eine Initiative von Architekten um August Kürmayr Alarm. Und zwar in der oberösterreichischen Hauptstadt Linz.
In einer Beschwerde an die Volksanwaltschaft erhebt die Gruppe Vorwürfe gegen das Rathaus der 200.000-Einwohner-Stadt unter SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger. Es grassiere Wildwuchs, so das Fazit. Bebauungspläne würden willkürlich abgeändert, um Hochhäuser nach dem Willen ihrer Bauherren zu ermöglichen. „Die Stadt Linz kommt ihren Grundaufgaben der Raumplanung nicht (mehr) nach.“ Und: „Die Rechtssicherheit von bestehenden Bebauungsplänen ist im gesamten Stadtgebiet nicht mehr gegeben.“
Linz wächst rasant. Im vergangenen Jahrzehnt hat die Bevölkerung um fast ein Zehntel zugelegt. Herausfordernde Zeiten für Stadtplanung und -politik. Es gilt einerseits, die Voraussetzungen für neuen Wohnraum zu schaffen. Zugleich jedoch stellen gerade Hochhäuser eine sensible Angelegenheit dar. Zwar sind sie unter Investoren beliebt, weil sich dank ihnen viele Wohnungen oder Büros auf wenig Platz unterbringen lassen – was die Rendite erhöht. Allerdings können Hochhäuser auch zur Belastung werden. Stadtplaner müssen deshalb etwa auf ausreichende öffentliche Anbindungen der Großbauten achten, damit Stadtviertel nicht im Autoverkehr ersticken. Es braucht Strategien gegen zu viel Schatten und Winde rundherum. Und Konzepte, damit der öffentliche Raum nicht verödet, weil die Erdgeschosse schlecht gestaltet sind.
Kritik von NEOS-Gemeinderat
Allesamt Aufgaben und Qualitäten, die das Rathaus derzeit nicht erfüllt, sagt Lorenz Potocnik, Gemeinderat der oppositionellen NEOS und selbst Architekt. Seit dem Jahr 2003 gebe es in Linz keine unabhängige Stadtplanung mehr. Damals ging ein langjähriger und einflussreicher Stadtbaudirektor in Pension. „Seither wird die Abteilung ausgedünnt und die Beamtenschaft geschwächt.“ Eine Entwicklung, die kein Zufall und vom Bürgermeister gewollt sei: „Er befürwortet Hochhäuser und will sich seine Spielräume von Fachbeamten nicht nehmen lassen.“ In der Planungsabteilung der drittgrößten Stadt Österreichs (hinter Wien und Graz) arbeitet nur eine Handvoll Leute. „Und darunter findet sich kein einziger ausgebildeter Architekt und Stadtentwickler“, so Potocnik.
Konsequenz: Nicht die Stadt bestimmt, wo sie gern Hochhäuser hätte – sondern Investoren treten mit Ideen ans Rathaus heran. Stadtentwicklungs- und Hochhauspläne wie in anderen Ballungsräumen gibt es für Linz nicht. Solcherart komme „eine Grundaufgabe der Raumplanung“ unter die Räder, so die Architekten in der Beschwerde. Statt einer „geordneten und abgestimmten Raumplanung für ein größeres Gebiet“ würden „punktuell“ Hochhausprojekte realisiert – unabhängig davon, welche Regeln für Gebäude rundherum gelten. Für das jeweilige Projekt erlässt der rot-blau dominierte Gemeinderat eben eine Ausnahme.
So geschehen am Bulgariplatz, kreisförmig und bisher einheitlich bebaut. Dort errichtet das Linzer Immobilien- unternehmen Hofmann+Partner einen Wohnturm von 66 Metern. „Im extremen Widerspruch zu allen bestehenden Bebauungen am Platz“, urteilen die Architekten. Erlaubt sind hier Höhen bis 16 Meter.
Oder im Stadtteil Urfahr. Gestattet sind Gebäudehöhen von 24 Metern; nun soll bis 2020 der „Bruckner Tower“ errichtet werden. Höhe: rund 80 Meter.
Oder unweit davon, in der Kaarstraße. Neben einem Gründerzeithaus tut sich eine schmale Baulücke auf. Dort will ein Team um den Weingroßhändler Jürgen Penzenleitner einen 75-Meter-Turm errichten, versehen mit Terrassen. Architektonisch erfährt die Idee zwar Lob. Doch in städtebaulicher Hinsicht laufen die Architekten Sturm: Das Hochhaus, das zwischen die älteren Bauten geklemmt werden soll, „widerspricht jeder sinnvollen städtebaulichen Zielsetzung“.
"Gestaltungsbeirat" entscheidet
Bewilligt werden diese Projekte immer gleich. Sie passieren den sogenannten „Gestaltungsbeirat“. Dabei handelt es sich um vier Architekten, die im Auftrag der Stadt Linz alle zwei Monate zusammentreffen. Ursprünglich war der Beirat dafür vorgesehen, Kleinprojekte wie Dachausbauten und Fassadengestaltungen hinsichtlich ihrer Auswirkung auf das Stadtbild zu prüfen. Heute entscheidet er auch über Hochhäuser. Befindet der Beirat ein Projekt für gut, folgt der Segen im Gemeinderat. „Der Beirat ist mit dieser komplexen Stadtentwicklungsaufgabe überfordert“, so NEOS-Mandatar Potocnik. Dafür sei er nicht geschaffen. Im Fall Kaarstraße bekannte dies der Beirat gar selbst ein: Ende 2016 weigerte er sich, eine Empfehlung abzugeben. Die Entscheidung, so der Beirat laut Protokoll, müsse „auf politischer Ebene getroffen werden“.
Was sagt der Linzer SPÖ-Bürgermeister zu all der Kritik? „Ich bekenne mich sehr offensiv dazu, dass in Linz höher gebaut wird“, so Luger. Der Bevölkerungsanstieg und die knappen Flächen erfordern dies. „Natürlich gibt es in Linz klare Kriterien für die Errichtung von Objekten.“ Einen übergreifenden Hochhausplan für die Stadt lehnt Luger zwar ab: „Eine Definition derartiger Zonen würden Investoren erst recht verlocken, das Maximum aus verfügbaren Flächen herauszuholen.“ In Linz würden stattdessen eben Gestaltungsbeirat und Planungsabteilung achten, dass sich Hochhäuser gut in die Stadt einfügen. Dass diese Einrichtungen zahnlos seien, dementiert Luger. „Die Politik ist gewählt, dafür zu sorgen, wie sich die Stadt entwickelt. Das machen wir. Die personelle Ausstattung der Planungsabteilung ist ausreichend.“ Im Übrigen, sagt Luger, seien Hochhäuser in Linz ein „hochemotionales Thema“.
Dies liegt auch daran, dass sich die Stadtpolitiker schon einmal an einem Hochhausprojekt die Finger verbrannten. Im Jahr 1975 eröffnete eine Wohnbau-Tochter der Voest zwei 20-stöckige Türme auf dem Harter Plateau, gleich neben der Stadt. Der damalige Linzer SPÖ-Bürgermeister Franz Hillinger hatte sich für das Projekt starkgemacht. Aber den Türmen war kein gutes Schicksal beschieden. Bald sandelten sie ab. Die Bewohner klagten über Baumängel und Vandalismus. Im Jahr 2003 schließlich, nur 28 Jahre nach Eröffnung, wurden die Türme auf dem Harter Plateau gesprengt. Heute stehen dort kleinere Gebäude.
Dieser Artikel stammt aus dem profil Nr. 14 vom 3.4.2017. Das aktuelle profil können Sie im Handel oder als E-Paper erwerben.