Der frühere Gasthof "Bäck'n Hansl" in Öblarn soll einem Apartment-Komplex für Betuchte weichen. 

Luxus-Residenzen: Unmut in Öblarn

In der steirischen Gemeinde erhitzt ein Tourismusprojekt die Gemüter. Der ÖVP-Bürgermeister ist an der Projektgesellschaft beteiligt.

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"Wir bedanken uns bei allen Gästen für die zahlreichen Besuche und für ihre Treue!“ So lauten die letzten Worte auf der Facebook-Seite einer regionalen Institution: Die Geschichte des Gasthofs „Bäck’n Hansl“ im steirischen Öblarn in der Region Schladming-Dachstein reicht mehrere Jahrhunderte zurück. Mitten im Ortskern gelegen, prägt die blau-weiße Fassade des traditionsreichen Hauses bis heute das Bild der 2000-Seelen-Gemeinde am Fuße des Grimmings mit. Doch die Türen sind verschlossen. Ende 2020 verabschiedeten sich die Besitzer des Wirtshauses samt Drei-Sterne-Unterkunft in den verdienten Ruhestand. Ruhe, die um das Gebäude selbst so gar nicht einkehren will. Der Standort weckt nämlich Begehrlichkeiten – und steht im Zentrum einer bemerkenswerten Verflechtung von Wirtschaftsinteressen und Lokalpolitik.

Zumindest seit 2016 waren die Besitzer des „Bäck’n Hansl“ auf der Suche nach einem Nachfolger oder Käufer gewesen. Alte, potenziell renovierungsbedürftige Gasthäuser fernab von Ballungszentren gehen nicht gerade weg wie die warmen Semmeln. Doch im Vorjahr wurden die Betreiber tatsächlich fündig. Anfang Oktober 2020 besiegelten sie den Verkauf der Liegenschaft samt Gasthof und einem daneben stehenden früheren Wirtschaftsgebäude. Die Käuferin, die frisch gegründete „Bäck’n Hansl Errichtungs GmbH & Co KG“, blätterte laut Vertrag einen Kaufpreis von 460.000 Euro hin. Die Sanierungsbedürftigkeit sei im Preis „angemessen berücksichtigt“, wurde vermerkt.

Das Projekt sprengt die jetzige Bebauungsdichte

Die Käuferin plant ohnehin tiefgreifende Änderungen. Der Traditionsbetrieb soll Luxus-Residenzen weichen. Geht es nach den Projektentwicklern, kommen in das Haupthaus und in das völlig umgestaltete Nebengebäude Suiten und Apartments, die Investoren zum Kauf angeboten und über eine Betreiberfirma an Touristen vermietet werden sollen. Derartige „Buy-to-let“-Modelle sind in der Alpenregion keine Seltenheit und für viele ein rotes Tuch: Kritiker befürchten, dass letztlich Zweitwohnsitze entstehen, die gerade einmal ein paar Wochen im Jahr bewohnt sind und sonst leer bleiben. Was im konkreten Fall für zusätzliche Aufregung sorgt: Das Objekt steht im Ortskern, ein Teil davon reicht in eine Hochwasser-Gefahrenzone hinein. Und auch der geltende Flächenwidmungsplan schafft Probleme, wie es heißt. Dieser müsse wohl geändert werden, da das Projekt in seiner jetzigen Form die erlaubte Bebauungsdichte sprengt.

Auf den ersten Blick möchte man meinen, die Projektentwickler stünden vor nahezu unüberwindbaren Hindernissen. Der zweite Blick fällt jedoch aufs Firmenbuch, und dort offenbart sich eine höchst bemerkenswerte Konstellation: An der „Bäck’n Hansl“-Projektfirma beziehungsweise ihrer Muttergesellschaft sind nicht weniger als drei Öblarner Gemeindevertreter beteiligt – zwei Gemeinderäte und Bürgermeister Franz Zach, allesamt von der ÖVP. Jeder von ihnen hält vier Prozent der Gesellschaftsanteile. 

Einer der Gemeinderäte besitzt die Anteile über seine private Immobilienfirma. Er fungierte zunächst sogar als einer von mehreren Geschäftsführern. Außerdem steht er in einer wirtschaftlichen Nahebeziehung zu anderen Mitgesellschaftern beziehungsweise zu dort involvierten Personen – darunter ein auf Luxus-Ferienapartments spezialisiertes Unternehmen mit teil-niederländischem Hintergrund, das die Anlage in Öblarn betreiben soll. Der Verflechtungen nicht genug: Über eine gemeinsame Firma ist dieser Kreis darüber hinaus mit einem Architekten aus der Region verbunden, der die Gemeinde Öblarn in Raumplanungsfragen berät. 

Das Gebäude steht mitten im Ortskern von Öblarn

Kritiker orten einen Interessenskonflikt

Einer, der dem „Bäck’n Hansl“-Projekt kritisch gegenübersteht, ist Michael Trinker, Sprecher der Bürgerinitiative „Lebenswertes Öblarn“. „Uns ist wichtig, dass man das Ortsbild schützt und leistbares Wohnen sichert“, sagt Trinker zu profil. Er ortet in der Beteiligung des Bürgermeisters und der beiden ÖVP-Gemeinderäte einen Interessenskonflikt. Um das Projekt wie geplant durchzuführen, müsste nämlich die erlaubte Bebauungsdichte vom Gemeinderat erhöht werden. 

Ein Teil des Projekts – eines der beiden Apartmenthäuser mit darunter liegender Tiefgarage – soll außerdem auf einem Grundstück neben dem Walchenbach errichtet werden, das in der roten Hochwasser-Gefahrenzone liegt. Laut Website des Landes Steiermark ist in der roten Zone „eine ständige Benützung für Siedlungs- und Verkehrszwecke … nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich“. Derzeit steht dort das frühere Wirtschaftsgebäude des „Bäck’n Hansl“. 

Als Öblarn im August 2017 von einem Hochwasser heimgesucht wurde, war auch diese Liegenschaft betroffen. Möglicherweise spekulieren die Projektverantwortlichen nun auf eine Umklassifizierung: Noch 2017 beschloss die Landesregierung, Hochwasser-Schutzbauten für viele Millionen Euro – darunter für den Walchenbach bei Öblarn. Fällt die rote Zone, könnten als Nebeneffekt nun auch Touristiker und einzelne Gemeindevertreter davon profitieren. 

Erstellt werden die Gefahrenzonenpläne zwar nicht durch die Gemeinde. profil wollte von Bürgermeister Zach, der selbst am „Bäck’n Hansl“-Projekt beteiligt ist, aber wissen, ob er sich gegenüber den Verantwortlichen dafür einsetzt, dass die Zone geändert wird. Diese und eine Reihe weiterer Detailfragen – etwa nach einem allfälligen Interessenskonflikt – ließ der Ortschef unbeantwortet. Er meint, die Frist zur Beantwortung sei zu knapp gewesen. Allerdings läuft seit Monaten eine öffentliche Debatte, und seit März ist Zach zudem mit einer formellen Anfrage der Bürgerinitiative nach dem Auskunftspflichtgesetz konfrontiert. Diese hat er laut Trinker ebenfalls nicht beantwortet (die ORF-Sendung „Am Schauplatz“ hatte im Mai dieses Jahres über die Vorgänge in Öblarn berichtet) .

Allgemein teilt Zach mit, habe er sich nichts vorzuwerfen. Es sei seine Aufgabe, „auf Umstände, die für den Ort schlecht sind, zu reagieren. Und da gehören aufgelassene Gebäude im Ortskern dazu. Wenn nach fast fünf Jahren erfolgloser Suche nach Nachnutzung vom Vorbesitzer keiner reagiert, sehe ich mich verpflichtet, etwas zu unternehmen.“ Seine Beteiligung stamme daher, dass „ich einfach wissen möchte, was damit geschieht, und dass bei einer Umsetzung auch wieder ein Gasthaus zustande kommt“. 

ÖVP-Bürgermeister Franz Zach hat sich nach eigener Darstellung „nichts vorzuwerfen“.
Eine profil-Anfrage ließ er weitgehend unbeantwortet.

Seitens der Betreiberfirma wiederum verweist man – etwas widersprüchlich – darauf, dass es sich um eine „völlig untergeordnete gesellschaftsrechtliche Beteiligung“ handle,  jedoch sollte „eine lokale Beteiligung (wenn Sie so wollen auch im Sinne einer gewissen ‚Überwachung‘) herausgestrichen werden“. Und weiter: „Sie werden nicht allen Ernstes annehmen, dass insbesondere politische Entscheidungsträger als im Firmenbuch leicht aufzufindende Gesellschafter auch nur in irgendeiner Weise einen unsachlichen Einfluss nehmen würden, noch dazu gegen irgendeine Gegenleistung?“  Außerdem beteuert man, dass eine Zweitwohnsitznutzung „kaum im Interesse einer primär angestrebten Hotelbetreibung“ wäre.

Bürgermeister Zach wiederum meint mit Blick auf die Projektgegner: „Wenn einer der Besserwisser eine andere Möglichkeit hat, kann er jederzeit zu mir kommen, das Gebäude erwerben und etwas Besseres daraus machen. Aber leider wird nur kritisiert, und keiner hat die perfekte Lösung.“ Alles noch ergebnisoffen? Bürgerinitiativen-Sprecher Trinker stößt sich daran, dass im Internet längst mit der Suche nach Käufern für die Apartments begonnen wurde (mit folgender Anmerkung: „Nach Ablauf des Betreibervertrages ist eine Verlängerung oder eine Nutzung als ZWEITWOHNSITZ möglich!“). Trinker würde als Alternative etwa ein Mehrgenerationenhaus oder ein – deutlich kleineres – Familienhotel mit hochwertigen Zimmern vorschweben. Allerdings könnten „derartige Visionen selbstverständlich nur in Absprache mit den Eigentümern angegangen werden“. Eines ist dabei klar: Die Gewinnmarge wäre deutlich geringer.

Aber was hat es mit dem Erhalt des Gastronomiebetriebs auf sich, die sich Bürgermeister Zach derart auf die Fahnen heftet? Tatsächlich soll es im Apartment-Hotel ein Restaurant geben. Auch im Kaufvertrag steht: „Die Käuferin erwirbt den Kaufgegenstand zum Fortbetrieb einer Gastwirtschaft auf dieser Liegenschaft.“ Nach einigen Detailausführungen folgt allerdings: „Für den Fall, dass ein wirtschaftlicher Fortbetrieb einer Gastwirtschaft … nicht mehr möglich ist, steht der Käuferin eine anderweitige Verwendung und eine Umwidmung der Räumlichkeiten des bisherigen Gasthofs Bäck’n Hansl in einem allfälligen künftigen Wohnungseigentumsvertrag frei.“ 

Papier ist eben geduldiger als engagierte Bürger.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.