Martin Schlaff: Der Mann hinter der Mauer
Als die Berliner Mauer im November 1989 fiel, war Martin Schlaff 36 Jahre alt und blickte bereits auf eine abwechslungsreiche Karriere zurück. Ende der 1970er-Jahre hatte er als Mitarbeiter des Wiener Handelshauses Robert Placzek (das er später übernahm) begonnen, die Deutsche Demokratische Republik geschäftlich zu bereisen.
Eine Dekade später hatte er im Handel mit dem Arbeiter- und Bauernstaat Milliarden Schilling umgesetzt. Schlaff kaufte den Ostdeutschen unter anderem Holz ab und lieferte ihnen im Gegenzug Spanplatten, Baumwolle und Computerteile.
Es war ein Geschäft, das nicht viele beherrschten. Schlaff war einer der wenigen Österreicher, denen in der paranoiden Diktatur viele Türen offenstanden (die 2012 verstorbene Wiener Unternehmerin und KPÖ-Treuhänderin Rudolfine Steindling gehörte auch dazu). Der Absolvent der Wiener Wirtschaftsuniversität erfreute sich in der DDR einiger Wertschätzung. In Berichten der DDR-Staatssicherheit, die nach der Wende öffentlich wurden, wurde Schlaff unter anderem als „sehr aufgeschlossen“ und „agil“ bezeichnet.
Haltlose Vorwürfe
So gut das Business bis zur deutschen Wiedervereinigung lief, so kompliziert wurde Schlaffs Leben danach. Die deutsche Bundesregierung um Kanzler Helmut Kohl bezichtigte ihn, dem SED-Regime dabei geholfen zu haben, volkseigenes Vermögen zur Seite zu schaffen. Dazu kam der Verdacht, er habe einst für die Stasi im Westen gespitzelt. Die Folge waren staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und Zivilklagen unter anderem in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Alle Vorwürfe erwiesen sich als haltlos, die Ermittlungen wurden ohne Anklage eingestellt. Auch die Zivilverfahren konnte Schlaff (heute unter anderem Hauptaktionär des RHI Magnesita-Konzerns) bereits vor Jahren für sich entscheiden.
Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls ist es profil gelungen, den prominenten Zeitzeugen zu einem Gespräch zu bewegen. Es ist eine Premiere: Nie zuvor hat Schlaff über seine Geschäfte und Kontakte in der DDR gesprochen (ganz abgesehen davon, dass er in seinem Leben kaum mehr als ein halbes Dutzend Interviews gegeben hat, fünf davon in profil). Schlaff nutzte die Gelegenheit, um auch Österreichs aktuelle Innenpolitik zu kommentieren. Überraschung: Er sah ausgerechnet in Heinz-Christian Strache einen „Hoffnungsträger für einen anständigen Populismus“.
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