profil-Morgenpost: Brücken mit Tücken
Überbrückungskredit, der. Ein nunmehr geflügeltes Wort. Man hört es von Mitgliedern der Bundesregierung, von Funktionären, Bankern und Unternehmern. Der Überbrückungskredit mit staatlicher Haftung soll tausenden Firmen und Gewerbetreibenden durch die Krise helfen. Die Bank kreditiert, der Staat garantiert (für eine Laufzeit von drei bis fünf Jahren zwischen 80 und 100 Prozent der Kreditsumme). Damit geschieht zunächst einmal eines: Die Kreditnehmer bekommen Liquidität, um Rechnungen zu begleichen. Die Banken nehmen kein zusätzliches Risiko auf die Bücher, weil dieses ja beim Staat liegt, also bei uns allen.
Kurzfristig kann das funktionieren und das wird es grosso modo auch. Wobei jetzt schon klar ist, dass der staatliche Schutzschirm sich nicht über alle Wirtschaftstreibenden spannen lassen wird. In den vergangenen Tagen haben sich bei uns mehrere Unternehmer gemeldet, die von unerfreulichen Gesprächen mit der Hausbank berichteten und dabei durchaus Widersprüchliches zu erzählen hatten. Den einen wurde mit Hinweis auf die Förderrichtlinien beschieden, sie seien zu pleite, um eine staatliche Überbrückungsgarantie zu bekommen. Anderen soll der Kredit verwehrt worden sein, weil sie nach Auffassung der Bank genügend liquide seien, also quasi nicht pleite genug. Ob das jetzt nur Einzelfälle sind oder ein strukturelles Problem dahintersteckt, lässt sich nicht sagen. Wir haben dazu Recherchen angestoßen.
Der Überbrückungskredit lindert eine finanzielle Notlage, schafft aber ein neues Problem: höhere Schulden (für die bloße Umschuldung von Finanzierungen ist das staatliche Programm tatsächlich nicht gedacht). Selbst wenn diese Liquiditätshilfen mit nahe null verzinst sind – irgendwann müssen diese auch zurückgezahlt werden. Werden Kreditnehmer, die derzeit kaum oder kein Geschäft machen, wieder in die Spur kommen? Also in naher Zukunft ausreichend Umsatz erzielen, um alte und neue Schulden bedienen zu können? Das ist die entscheidende Frage, deren Antwort wir erst in einigen Jahren kennen werden. Dazwischen liegt eine von Ökonomen kollektiv erwartete Rezession, deren volle Wucht wir noch gar nicht zu spüren bekommen haben.
An diesem Punkt kommen die Banken ins Spiel, die seit der Finanzkrise 2008 und Folgejahre deutlich mehr Reserven vorhalten müssen. Das empfanden Banker zwar in aller Regel als Belastung, mittlerweile dürften sie aber ganz froh sein, dass dem so ist. Aber die Banker wissen natürlich auch, dass der größte Teil ihrer vergebenen Kredite keine Staatshaftungen hat und eine ausgewachsene Rezession das vorhandene Kapital arg strapazieren würde.
Die Finanzkrise 2008 und Folgejahre griff von den Banken auf die so genannte Realwirtschaft über. „Top down“, wie es Banker auszudrücken pflegen, die sich selbst gerne an der Spitze der Nahrungskette sehen. So gesehen verliefe die Corona-Krise andersrum, nämlich „Bottom up“. Sie hat ihren Ausgang in der Realwirtschaft genommen und könnte - mit zeitlicher Verzögerung - auf den Finanzsektor durchschlagen.
Bleiben Sie - auch wirtschaftlich - gesund!
Michael Nikbakhsh
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