profil-Morgenpost: Rien ne va plus!

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Am Ende war, wieder einmal, die „linke Politik- und Mediengesellschaft schuld. Gestern vermeldete der niederösterreichische Novomatic-Konzern den Ausstieg aus den Casinos Austria. Die rund 17-prozentige Beteiligung geht an die tschechische Sazka-Gruppe, welche fortan mit 55 Prozent die Mehrheit halten wird (die Republik kommt demgegenüber auf 33 Prozent). „Die bisherige Eigentümerstruktur hat zu keiner zufriedenstellenden Entwicklung der Casinos Austria geführt. Als kleinster Großaktionär haben wir uns daher entschlossen, unsere Anteile zu verkaufen, um der CASAG eine klare und nachhaltige Eigentümerstruktur zu ermöglichen, damit das Unternehmen langfristig für die zukünftigen Herausforderungen der nationalen und globalen Märkte gewappnet ist“, so Novomatic-Chef Harald Neumann in einer Mitteilung, die um 12.16 Uhr über das Originaltext-Service der Austria Presseagentur verteilt wurde.

Die erste politische Reaktion kam eine halbe Stunde später von einem gewissen Herbert Kickl, derzeit FPÖ-Klubobmann: „Durch das parteipolitisch motivierte Geschrei über die Bestellung von Peter Sidlo in den Vorstand der Casinos Austria AG wurde das Geschäft des tschechischen Mehrheitseigentümers Sazka erledigt, der jetzt die Novomatic-Anteile kauft und damit auf über 50 Prozent kommt“, echauffierte Kickl sich in einer Aussendung. Und: „Wir sehen hier ein Paradebeispiel dafür, wie die linke Politik- und Mediengesellschaft mit völlig überzogenen Anschuldigungen und Sensationsberichten den Wirtschaftsstandort Österreich und damit den Steuerzahler schwer schädigt. Das alles begleitet von permanentem Gesetzesbruch durch die Weitergabe von Unterlagen aus laufenden Strafverfahren, die teilweise sogar unter Verschluss sind.“

Kickl verschwendete wenig überraschend keine Energie auf den (von der ÖVP geduldeten) Peter-Sidlo-Postenschacher, der das Casinos-Chaos überhaupt erst ausgelöst hatte. Er verlor auch kein Wort über die vermuteten (und möglicherweise strafrechtlich relevanten) Absprachen zwischen der FPÖ und dem Novomatic-Konzern im Vorfeld von Sidlos Avancement. Nachzulesen ist das in einer anonymen Sachverhaltsdarstellung vom Mai dieses Jahres, die auch die Grundlage eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens bildet (wir berichteten ausführlich).

Was den von Kickl behaupteten „permanenten Gesetzesbruch durch Weitergabe von Unterlagen aus laufenden Strafverfahren“ betrifft, sei hier in eigener Sache gesagt: Soweit es profil betrifft, wurde kein einziges der in den vergangenen Wochen zitierten Aktenstücke durch Gesetzesbruch erlangt. Ganz im Gegenteil. Man schlage nach in der Strafprozessordnung, Paragraf 54: „Der Beschuldigte und sein Verteidiger sind berechtigt, Informationen, die sie … durch Akteneinsicht erlangt haben, im Interesse der Verteidigung und anderer überwiegender Interessen zu verwerten.“

Die Veröffentlichung von Akteninhalten, die aus einer Akteneinsicht durch Beschuldigte oder ihre Anwälte stammen, ist in Österreich grundsätzlich legal – ausgenommen sind lediglich „schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter“. Und genau daran haben wir uns wie sonst auch penibel gehalten.

Michael Nikbakhsh

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Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.