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Mr. Insolvenz: Der Mann mit den maroden Firmen

Ein Wiener Geschäftsmann übernahm in den vergangenen Jahren 16 Firmen, die er daraufhin in die Insolvenz führte. Zwei davon gehörten zuvor Szene-Gastronom Martin Ho. Steckt dahinter ein Geschäftsmodell?

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Die größte Furcht eines Unternehmers ist für manche ein lukratives Geschäftsmodell. Noch bevor eine Firma in Insolvenz schlittert, erfolgen überraschende Eigentümerwechsel, schnell wird auch der Name der Firma geändert. Wer ursprünglich das Unternehmen in den Kollaps geführt hat, mitunter auch aufgrund schlechten Managements, ist auf den ersten Blick nicht mehr erkennbar.

Die österreichische Gesetzeslage begünstigt dieses Phänomen. Es wird kaum überprüft, ob Geschäftsleute rechtlich im Reinen sind, bevor sie in ein Unternehmen einsteigen. Manche spezialisieren sich darauf, ein Unternehmen nach dem anderen in die Pleite zu führen - und die vorher Verantwortlichen damit aus der Pflicht zu nehmen.

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Zählt auch Hans Michael Pimperl dazu? Bei diesem Namen klingelt etwas bei Insolvenzexperten. Fast scheint es so, als habe er sich darauf spezialisiert, Unternehmen in Schieflage zu übernehmen. Wenn diese dann in Konkurs gehen oder geschlossen werden müssen, erscheint er als Eigentümer und Geschäftsführer im Insolvenzregister, und nicht die gescheiterten Unternehmer. Zufall oder nicht: Anstatt die Unternehmen wieder geschäftsfähig zu machen, saniert er das Image seiner Auftraggeber.

Pimperl wäre wohl nicht der einzige, der mit dem Scheitern bekannter Unternehmen gutes Geld verdienen dürfte. Cornelia Wesenauer leitet die Insolvenzabteilung des Alpenländischen Kreditorenverbands (AKV). Jährlich würden ihr „zig Fälle“ unterkommen, in denen genau das passiert. Die ursprünglichen Geschäftsführer glauben, dass sie mit diesem Manöver „aus dem Rampenlicht kommen, und die Haftung auf jemand anderen übertragen können“, erklärt Wesenauer das Motiv. Dies sei ein Trugschluss, denn: Ehemalige Geschäftsführer haften sowohl für strafrechtliche Angelegenheiten zu ihrer Zeit im Unternehmen als auch für die Insolvenz, wenn sie diese nicht rechtzeitig erkannt haben. Doch wie so oft gilt: Wo kein Kläger, da auch kein Richter.

Laut Wirtschafts-Compass hält der Geschäftsmann Pimperl derzeit 116 Funktionen in österreichischen Unternehmen, davon 82 als Geschäftsführer. 16 dieser Unternehmen sind aktuell insolvent gemeldet, die meisten davon innerhalb von nur sechs Monaten nach Pimperls Einstieg. 

Martin Ho zu Diensten

Zuletzt schien Pimperl im Zusammenhang mit der Dots-Gruppe von Martin Ho auf. Er übernahm drei Unternehmen des bekannten Szene-Gastronomen, zwei davon sind bereits insolvent. Die Arbeiterkammer (AK) Wien deckte vergangenen Monat eine Schieflage in Hos Firmengeflecht auf. Ho-Firmen sollen Mitarbeiterlöhne schuldig geblieben sein. Insgesamt hätten sich seit Beginn des vergangenen Jahres 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die Arbeitnehmervertretung gewandt.

AK-Wien-Arbeitsrechtsexpertin Andrea Ebner-Pfeifer berichtet profil von den Erzählungen der Betroffenen. Der Verdacht, der sich daraus ergibt: Ho-Firmen sollen Mitarbeitenden versprochen haben, dass ihr Novemberlohn und das Weihnachtsgeld im Jänner „über die AK“ bezahlt würde. Damit könnte gemeint sein, dass der Insolvenz-Entgeltfonds (IEF) die offenen Forderungen begleichen soll.

Der Fonds speist sich aus einem Beitrag, den jeder Arbeitgeber einzahlen muss. Wenn ein Unternehmen pleite ist, stellt der IEF sicher, dass die Beschäftigten dennoch ihren Lohn erhalten.

Im Fall Ho warten manche jedoch immer noch auf ihr Geld. Die Arbeiterkammer berechnet derzeit die Höhe der ausstehenden Löhne und Gehälter. Die Gesamtsumme wird dann beim Handelsgericht und beim IEF angemeldet. In weiterer Folge wird geprüft, ob ein Betriebsübergang vorliegt. Die Frage ist, ob die Dots-Gruppe möglicherweise versucht, finanzielle Verpflichtungen auf den IEF überzuwälzen. „Ich gehe davon aus, dass dieser Fall uns noch eine Zeit lang beschäftigen wird“, sagt Ebner-Pfeifer.

Der Haken: Ho hat seine Anteile an den betroffenen Firmen an einen neuen Eigentümer übertragen. Damit, so die AK, entziehe Ho sich seiner unternehmerischen Verantwortung, um seinen eigenen Profit zu maximieren.

Kaum von Hans Michael Pimperl übernommen, änderte der neue geschäftsführende Eigentümer das Gewerbe. Ein ehemaliges Hotel wird zum Handelsunternehmen für Waren aller Art, ein ehemaliges Lokal zum Blumengeschäft. Das könnte auch als Vorkehrung gedeutet werden, damit die Gewerbeberechtigung nicht entzogen wird. Das passiert dann, wenn das Insolvenzverfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet werden kann, oder aufgehoben wird. Ein Gewerbewechsel ist übrigens auch bei drohender Insolvenz legal.

Martin Ho weist die Vorwürfe der AK scharf zurück. Sie seien ein „Versuch der Diffamierung“. „Persönliche Gespräche zwischen Mitarbeitern und Ho“ seien auszuschließen. Er selbst fokussiere sich „ausschließlich auf die Internationalisierung der Dots-Gruppe, die strategische Entwicklung der Marke und das Management der Beteiligungen“.

Gesetzeslage ausgenutzt

Aber warum würde ein Geschäftsmann wie Pimperl ein marodes Unternehmen übernehmen, samt seiner Schulden und Probleme, und mit dem Schlamassel unter Umständen seiner eigenen Bonität schaden? Pimperl war auf zahlreiche Anfragen von profil nicht erreichbar. Laut Insolvenzdatei war der Geschäftsmann vor gar nicht allzu langer Zeit übrigens auch privat zahlungsunfähig. Anfang 2022 konnte ein Schuldenregulierungsverfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet werden. Wie hoch ein allfälliger wirtschaftlicher Vorteil ist, den Pimperl selbst aus den zahlreichen Firmenübernahmen zieht, bleibt offen. Dem Vernehmen nach soll Pimperl die Vorwürfe rund um Dots bestreiten.

Die gesetzliche Lage trägt jedenfalls dazu bei, dass gewisse taktische Manöver im Vorfeld einer Insolvenzanmeldung möglich sind. „Das Insolvenzrecht ist kein Strafrecht“, sagt Gerhard Weinhofer vom Gläubigerschutzverband Creditreform. Wer sein Unternehmen in den Bankrott führt, muss praktisch nur in den seltensten Fällen Konsequenzen fürchten. „Das mag im Lebenslauf schlecht ausschauen“, sagt der Insolvenzexperte im profil-Gespräch, „wer aber belegen kann, die Insolvenz nicht selbst verschleppt zu haben, kann jederzeit neue Geschäftsführungsposten besetzen.“

„Wie ist das möglich, dass jemand, der in Privatkonkurs ist, mehrere Firmen übernehmen kann?“, fragt sich wiederum Andrea Ebner-Pfeifer. Die AK-Juristin fordert strengere Regeln, wer als Eigentümer und operativer Geschäftsführer ins Firmenbuch eingetragen werden darf.

Die AK ließ eine eigene Stabsstelle einrichten, um systematisch gegen Betrugsfälle, Sozial- und Lohndumping vorzugehen. Das zeigt: Der Fall Dots mag besonders prominent sein, in der Gastronomie oder Baubranche schlummern aber insgesamt strukturelle Probleme.

Handlungsbedarf orten Experten auch beim Gesetzgeber: Rund 40 Prozent der Insolvenzverfahren werden laut Creditreform-Geschäftsführer Weinhofer mangels Vermögen gar nicht erst eröffnet. Das Verfahren kostet 4000 Euro. Nicht einmal diese geringe Summe konnten rund 2067 gescheiterte Unternehmen im vergangenen Jahr aufbringen. Dass es so weit kommen könne und den Ursachen nicht gründlicher nachgegangen werde, liege auch an den mangelnden Ressourcen der Staatsanwaltschaft, ist Weinhofer überzeugt. 

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.