Neue Ermittlungsergebnisse in der Causa Tojner: Jump & Run
Für einen Banker muss sich dieses Geschäft anfühlen, als hätte er sich gerade zum Alchemisten weiterentwickelt: Man gewährt einem Kunden 28 Millionen Euro Kredit, und der kauft davon Immobilien, die eigentlich 43 Millionen Euro wert sind. Viel risikoloser können Finanzierungsdeals eigentlich kaum ausfallen. Beton wird zu Gold – für alle Beteiligten.
Oder doch nur für fast alle?
Die beschriebene Kreditvergabe spielt eine Rolle im seit 2019 laufenden Ermittlungsverfahren der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen den prominenten Immobilieninvestor Michael Tojner (profil berichtete ausführlich). Damals erstattete das Land Burgenland Anzeige. Laut Verdachtslage sollen Tojner und zahlreiche weitere Beschuldigte das Land in Zusammenhang mit drei gemeinnützigen Wohnbaufirmen geschädigt haben.
Diese Firmen trugen die Namen „Riedenhof“, „Gesfö“ und „Pannonia“. Den Gesellschaften wurde der Status der Gemeinnützigkeit aberkannt: 2012 der Pannonia, 2015 der Riedenhof und der Gesfö. Zumindest bei Gesfö und Riedenhof soll dies auf deren eigenes Betreiben hin geschehen sein. Dabei wird laut Gesetz eine Abschlagszahlung an das Bundesland fällig. Diese soll – kurz gesagt – verhindern, dass die Eigentümer zulasten des gemeinnützigen Wohnbaus über Gebühr Gewinne einstreichen.
Laut Verdacht sollen die Beschuldigten das Land über die tatsächlichen Vermögensverhältnisse der Unternehmen getäuscht haben, sodass diese Zahlungen zu niedrig festgesetzt wurden. Die Ermittler prüfen, inwieweit letztlich Tojner selbst hinter diesen Wohnbaufirmen stand. Unter anderem sollen die Unternehmen, um auf dem Papier ihr Vermögen zu reduzieren, Immobilien viel zu billig verkauft haben – an Zwischengesellschaften, die ebenfalls der Einflusssphäre Tojners zugerechnet werden. Der Investor hat die Vorwürfe immer vehement bestritten.
profil-Recherchen zufolge wandten sich die Ermittler auch an die Erste Bank. Diese stellte der WKStA Unterlagen zur Verfügung, die folgendes Bild zeichnen: Demnach gewährte die Erste Bank im Jahr 2015 zwei Firmen mit den Namen „Jump“ und „Run“ Kredite von insgesamt 28 Millionen Euro. Zweck war der Ankauf von 19 Immobilien der Riedenhof und der Gesfö – größtenteils Wohnhäuser in guter Lage in Wien mit einer Gesamtnutzfläche von beachtlichen 47.686 Quadratmetern. Letztlich dürfte noch ein weiteres, unbebautes Grundstück dazugekommen sein. Ein Teil der Immobilien sollte rasch abverkauft, ein anderer Teil länger gehalten werden. So weit, so normal.
Ins Auge gestochen ist den Ermittlern jedoch die Bewertung der Immobilien. Die Erste Bank holte bei einem Experten Gutachten ein. Dieser ermittelte Verkehrswerte von in Summe 43 Millionen Euro. Ein solches Volumen lag nicht nur weit über dem Kreditbetrag. Wie sich aus bankinternen Listen ergibt, die den Ermittlern vorliegen, war der Verkehrswert insgesamt fast doppelt so hoch wie der Kaufpreis, den die Jump und die Run für die Immobilien der Gesfö und der Riedenhof bezahlten.
Diese Listen wurden von der Bank augenscheinlich mit Vertretern der Jump und der Run gemeinsam erstellt. Ein diesbezügliches Mail richtete die Erste allerdings nicht an jenen Anwalt, der formell als wirtschaftlich Berechtigter der Firmen auftrat, sondern an eine Mitarbeiterin Tojners bei dessen Firma „Wertinvest“. Das Mail – und die Listen in dessen Anhang – stammen aus dem Jänner 2016. Das war relativ kurz nach dem Ankauf der Immobilien von Gesfö und Riedenhof. Gemäß Liste gab es jedoch bereits damals einen „Abverkaufsplan“, dem zufolge sechs dieser Immobilien ein halbes Jahr später um mehr als 25 Millionen Euro veräußert werden sollten. Genau so kam es dann auch (mit einem Preisunterschied von lediglich 2500 Euro bei einer der Immobilien). Die früheren Ankaufspreise der sechs Liegenschaften hatten sich hingegen insgesamt gerade einmal auf 7,5 Millionen Euro belaufen.
Um 7,5 Millionen gekauft, um 25 Millionen Euro verkauft: Ein mehr als ordentlicher Gewinn für die Run, die in der Zwischenzeit einen neuen Namen erhalten hatte. Die Zwischenfirmen mussten laut Bankunterlagen nicht einmal Eigenkapital beisteuern. Auf der anderen Seite ein augenscheinlich maues Geschäft für Gesfö und Riedenhof. Zur damaligen Zeit lief noch das Verfahren zur Festlegung der Abschlagszahlungen an das Land bezüglich der Gemeinnützigkeit (dieses endete im August 2016).
Die Ermittler müssen nun klären, ob hier ein von langer Hand orchestrierter Aus- und Weiterverkauf stattfand – und ob gegebenenfalls damit dem Land niedrigere Vermögenswerte der Wohnbaufirmen vorgetäuscht werden sollten. Tojner-Anwalt Karl Liebenwein betont auf profil-Anfrage, die Immobilien seien von den Wohnbaugesellschaften „ausschließlich zu von unabhängigen Gutachtern festgestellten Verkehrswerten veräußert“ worden. Der Verkauf sei nach Entzug der Gemeinnützigkeit erfolgt. Die Wertinvest wiederum sei „im Rahmen eines Managementvetrags für die Gesfö und Riedenhof“ tätig geworden.
Ein Mitarbeiter der Erste Bank hielt Anfang 2015 zur Rolle Tojners fest: „Das Riedenhof-Paket hat hohes Gewinnpotential und es sind letztlich die Kontakte von Dr. Tojner, die Jump Immobilien diesen Ankauf ermöglichen. Mittelfristig wird Dr. Tojner seine Kaufoption an Jump ziehen und so die Gewinne für sich selbst lukrieren.“ Eine als Zeugin befragte Mitarbeiterin beteuerte jedoch, für sie sei Tojner in diesem Zusammenhang „erst nach 2017“ erkennbar aufgetreten.
Die Frage der tatsächlichen Eigentümerschaft ist für die Causa zentral. Schließlich ergibt es einen großen Unterschied bei der Einschätzung der Marktüblichkeit, ob Wohnbaufirmen Transaktionen mit unabhängigen Dritten durchführen – oder in Wahrheit mit dem eigenen Eigentümer. Noch dazu, falls Letzterer verdeckt agieren würde. Formell hatte Tojner mit den Besitzverhältnissen von Gesfö und Riedenhof damals nichts zu tun – mit jenen von Jump und Run schon gar nicht. Der Investor beteuerte stets, Gesfö und Riedenhof erst 2017 in seine Firmengruppe integriert zu haben. Bei den Zwischenfirmen Jump und Run trat ursprünglich ein Anwalt als Eigentümer auf. Nach Start des Ermittlungsverfahrens gab dieser jedoch an, als Treuhänder für Tojner tätig gewesen zu sein. Tojners Anwälte bestritten dies damals umgehend und vehement.
„Als inhaltlich Begünstigter der Stiftung sehe ich mich als Eigentümer der Pannonia GmbH.“
Ganz allgemein lässt sich juristisch über Begriffe wie „wirtschaftlich Berechtigter“, „Begünstigter“ oder „Eigentümer“ trefflich streiten. In der Praxis dürfte das Selbstverständnis Tojners jedoch recht klar gestrickt gewesen sein. Dies geht aus einem Zwischenbericht des Bundeskriminalamts vom Juni 2022 hervor, der sich auf die Wohnbaufirma Pannonia bezieht.
Die Ermittler haben Aktenvermerke und Faxnachrichten Tojners ausgewertet. Empfänger waren unter anderem Anwälte und andere Personen, welche die Firmenstruktur lenkten, an deren Spitze – gemäß Zwischenbericht – die Stiftung der Firma eines Treuhänders stand. Tojner selbst sah seine Rolle jedoch augenscheinlich gar nicht so distanziert. In einem „Positionspapier“ vom 11. Juli 2011 hielt er klipp und klar fest: „Als inhaltlich Begünstigter der Stiftung sehe ich mich als Eigentümer der Pannonia GmbH.“
In einem Aktenvermerk vom 31. Jänner 2011, den die Ermittler ebenfalls Tojner zurechnen, wird wiederum auf die damals anstehende Sitzverlegung der Pannonia von Oberösterreich ins Burgenland und auf einen Wechsel im Aufsichtsrat hingewiesen. Der Kandidat habe als naher Verwandter eines früheren Landespolitikers dort gute Kontakte: „Das ist wichtig, weil die 2. Ausgleichszahlung auf Basis einer Bilanz festgelegt (sic!), für die wir jetzt einige Transaktionen machen werden, um möglichst viele Rückstellungen in der Bilanz zu buchen.“ Solche Transaktionen waren dann auch im Detail angeführt.
Sollten die Vermögenswerte der Pannonia künstlich gesenkt werden, um eine geringere Ausgleichszahlung an das Land zu argumentieren? Tojner-Anwalt Liebenwein hat jegliches Fehlverhalten seines Mandanten immer bestritten. Liebenwein verweist auf einzelne erfolgte Teileinstellungen – etwa zum Vorwurf der Untreue – und meint in Bezug auf den Verdacht des Betrugs: „Es wird sich im weiteren Verlauf der Ermittlungen auch klar zeigen, dass keine Täuschung vorliegen kann, weil das Land Burgenland völlig unbeeinflusst und eigenverantwortlich gehandelt hat“ – und über sämtliche nötigen Informationen und Unterlagen verfügt habe.
In Bezug auf die Pannonia meint Liebenwein, das Land hätte zumindest aus den Revisionsberichten erkennen können, dass Tojner wirtschaftlich Berechtigter der Stiftung und somit der Pannonia gewesen sei. Landes-Anwalt Johannes Zink meint dazu, dass man 2019 bei der Erstellung der Anzeige den Verdacht gehabt habe, dass alle drei Wohnbaugesellschaften zumindest im Einflussbereich Tojners gestanden seien.
Gegen die Erste Bank oder deren Mitarbeiter liegen – soweit bekannt – in der Causa Tojner keine strafrechtlichen Vorwürfe vor. Die Erste verwies auf profil-
Anfrage zum konkreten Fall auf Geheimhaltungsvorschriften und antwortete nur allgemein: „Wir können jedoch versichern, dass wir die gesetzlich normierten Sorgfaltspflichten strikt einhalten.“