2023 wurden so wenige Wohnungen verkauft wie schon lange nicht. Wer Geld auf der hohen Kante hat, kann von großer Auswahl und gesunkenen Preisen profitieren.
Drei Zimmer mit Fischgrätparkett, moderne Küche mit Miele-Geräten, Badezimmer mit Badewanne, WC extra: Insgesamt 93 Quadratmeter Wohnfläche sind aktuell in einem sanierten Gründerzeithaus in Wien-Leopoldstadt zu haben. In ein paar Minuten ist man zu Fuß im 1. Bezirk, die nächste U-Bahn-Station erreicht man nach 200 Metern. Karmelitermarkt, Augarten und Donaukanal sind nur einen Katzensprung entfernt. Es ist eine der hipperen Gegenden der Bundeshauptstadt. Kostenpunkt: knapp 440.000 Euro. Der Anbieter verspricht sogar einen Rabatt: Wer sich bis Ende Juni zum Kauf entschließt, für den übernimmt er die Grunderwerbssteuer von 3,5 Prozent.
Vor nicht allzu langer Zeit wäre ein solches Zuckerl nicht notwendig gewesen. Bei Sichtung einer derartigen Annonce hätten potenzielle Interessenten sofort aktiv werden müssen. Doch die Zeiten, in denen Makler Inserate nach einer halben Stunde wieder offline genommen haben, weil die Fülle der Anfragen nicht mehr bewältigbar war, scheint definitiv vorbei zu sein.
Das eigene Heim zu besitzen, ist ein großer Wunsch vieler Österreicherinnen und Österreicher, aber in den vergangenen Jahren ist seine Erfüllung für viele in immer weitere Ferne gerückt. Über Jahre kannten Immobilienpreise nur eine Richtung: nach oben. Dazu kamen steigende Zinsen, verschärfte Regeln bei der Kreditvergabe und eine Teuerung, die bis weit in die Mittelschicht hineinwirkt.
Doch das erste Mal seit 20 Jahren gibt es jetzt wieder einen Knick: Mit dem zweiten Quartal 2023 gingen die Preise für Einfamilienhäuser und gebrauchte Eigentumswohnungen zurück. Jene für neue Eigentumswohnungen steigen zwar immer noch, aber deutlich schaumgebremster. Ist nun also ein guter Zeitpunkt, um den Kauf von Wohneigentum in Erwägung zu ziehen? Oder soll man besser noch zuwarten, um eventuell von einem etwaigen stärkeren Einbruch zu profitieren?
Ein halber Quadratmeter mehr
In der Vergangenheit ist die Schere massiv auseinandergegangen: Die Preise für Wohnimmobilien sind deutlich schneller gestiegen als die durchschnittlichen Nettoeinkommen – wodurch Wohneigentum naturgemäß immer unleistbarer wurde. „Im vergangenen Jahr sind die Löhne jedoch stärker gestiegen als die Immobilienpreise. Das hat die Kluft etwas reduziert“, sagt Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Unicredit Bank Austria.
Während die Immopreise österreichweit im Durchschnitt um 1,6 Prozent sanken, schnellte die Inflation auf 7,8 Prozent. Im Vergleich zum allgemeinen Preisniveau haben sich Immobilien, freilich von einem hohen Niveau ausgehend, um fast zehn Prozent vergünstigt. Laut einer aktuellen Studie der Bank Austria konnte ein unselbstständig Beschäftigter mit einem durchschnittlichen Jahresnettoeinkommen von knapp über 28.000 Euro im Jahr 2023 6,6 Quadratmeter einer Eigentumswohnung kaufen. Das ist um einen halben Quadratmeter mehr als im Jahr davor. Allerdings: Mitte der Nullerjahre bekam man für ein durchschnittliches Nettojahreseinkommen noch 13,5 Quadratmeter.
„Dass jetzt der optimale Zeitpunkt wäre, um eine Wohnimmobilie als Geldanlage zu kaufen, würde ich aus ökonomischer Sicht nicht sagen. Die Preise sind immer noch auf Höchstständen“, meint Bruckbauer. Bei den professionellen Investoren könne man derzeit sehr gut beobachten, wie schwer die sich tun, hier eine Rendite zu erwirtschaften. „Anders ist die Situation, wenn jemand ohnehin plant, eine Immobilie zur Eigennutzung zu erwerben. Da ergibt es keinen Sinn, noch zwei oder drei Jahre zu warten. Viel besser wird es nicht mehr werden“, so der Experte. Bis Jahresende rechnet man beispielsweise bei Raiffeisen Research noch mit durchschnittlichen Preisrückgängen von insgesamt zehn Prozent.
„Aus Sicht der Makler ist naturgemäß jeder Zeitpunkt gut für den Immobilienkauf, aber auch aus Käufersicht sind die Gelegenheiten derzeit ganz hervorragend“, sagt Anton E. Nenning vom Immobiliennetzwerk Remax. Das Angebot sei erheblich größer als noch vor ein oder zwei Jahren.
Laut einer noch unveröffentlichten Remax-Analyse wurden 2023 insgesamt um ein Viertel weniger Immobilien verkauft als im Jahr davor. Am stärksten war der Rückgang in Wien, Vorarlberg und Salzburg, dort brachen die Transaktionen jeweils um rund ein Drittel ein; mit 16 Prozent war der Rückgang unter allen Bundesländern in Kärnten am geringsten.
Damit wurde der Immobilienmarkt zum Käufermarkt. Während die Verkäufer früher die Bedingungen diktieren konnten, müssen sie nun deutlich flexibler sein. „Ein ganz großer Vorteil für potenzielle Käufer ist, dass jetzt wieder genug Zeit ist, um sich am Markt umzusehen. Man muss nicht vorschnell eine Entscheidung treffen“, sagt Martina Hirsch, Geschäftsführerin von s Real, dem Immobilienvermittlungsunternehmen der Erste Bank. Sie schränkt jedoch ein: „Nicht für jeden ist jetzt ein guter Zeitpunkt für den Immobilienkauf. Vor allem junge Menschen, die nicht auf Erspartes zurückgreifen können und einen hohen Anteil an Fremdfinanzierung benötigen, tun sich schwer.“
Das liegt an den seit August 2022 geltenden strengeren Kreditvergaberichtlinien. Laut der sogenannten KIM-Verordnung dürfen Wohnbaukredite nicht mehr länger als 35 Jahre laufen, der Eigenmittelanteil muss mindestens 20 Prozent betragen, und die Rückzahlungsrate darf maximal 40 Prozent des Nettoeinkommens ausmachen. Das führte zu einem massiven Einbruch bei der Neuvergabe von Wohnbaufinanzierungen: „2023 gingen sie in Österreich um rund 55 Prozent zurück“, weiß Bank-Austria-Ökonom Bruckbauer. Auch die verschärfte Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die seit Mitte 2022 immer wieder die Leitzinsen erhöht hat, dämpfte zuletzt begreiflicherweise die Nachfrage nach Wohnimmobilien. Während der Zinssatz für neu aufgenommene Wohnbaukredite 2021 noch bei durchschnittlich 1,2 Prozent lag, kletterte er bis Ende 2023 auf über vier Prozent.
„Derzeit gibt es Angebote mit einer Fixverzinsung zwischen 3,5 und vier Prozent auf 15 bis 20 Jahre. Das ist nicht schlecht“, sagt s Real-Geschäftsführerin Hirsch. „Wer es sich leisten kann, sollte jetzt auf jeden Fall kaufen.“ Und sollten die Zinsen weiter sinken, könne man umschulden, ergänzt Nenning.
Wieder steigende Preise
Der Remax-Experte hält den derzeitigen Preisknick für ein vorübergehendes Phänomen: „Die Bautätigkeit ist komplett eingebrochen, der Bedarf wird aber nicht weniger. Deshalb werden wir in den kommenden Jahren auch wieder steigende Preise sehen.“
Die hohen Bau- und Grundstückskosten sowie das Ende der Nullzinspolitik haben dazu geführt, dass immer mehr Bauträger fix geplante Wohnbauprojekte verschieben oder auf unbestimmte Zeit aussetzen. 2023 wurden nur etwas mehr als 40.000 Baubewilligungen erteilt, in den Jahren davor waren es doppelt so viele. Das wirkt sich naturgemäß auf die Zahl der Fertigstellungen aus, die von einem Rekord von über 77.000 Wohnungen im Jahr 2022 auf zuletzt rund 65.000 sank.
Um die schwächelnde Baukonjunktur wieder anzukurbeln und Wohnraum zu schaffen, will die Bundesregierung in den nächsten drei Jahren eine Milliarde Euro in den Wohnbau pumpen. Dadurch sollen 10.000 neue Eigenheime und ebenso viele neue Mietwohnungen entstehen sowie 5000 Objekte saniert werden.
„Dieses Konjunkturpaket sollte möglichst rasch in Kraft treten. Denn bis die geplanten Einheiten tatsächlich fertiggestellt sind, dauert es mindestens drei Jahre“, appelliert Martina Hirsch an die Politik. An den Preisen der derzeit am Markt befindlichen Immobilien ändert das aktuell freilich nichts.