Nicht alle Energieunternehmen jubeln über Rekordgewinne
Ende Juli trudeln die Halbjahresergebnisse ein. Die OMV und der Verbund fahren Rekordgewinne ein, die Reaktionen an den Börsen sind allerdings eher mau. International ergibt sich ein ähnliches Bild: Der größte europäische Ölkonzern Shell schrieb im zweiten Quartal einen bereinigten Gewinn von 11,5 Milliarden Dollar. Auch der französische Energiekonzern Total steigerte seinen Gewinn um 158 Prozent auf 5,7 Milliarden Euro, trotz Abschreibungen wegen eines Anteils an einem russischen Gasproduzenten. Ein leichter Anstieg bei den Kursen, aber auf den Börsen bricht keine Euphorie aus.
Über Gewinne
Grund für die ausbleibende Börseneuphorie ist unter anderem die politische Debatte um die Abschöpfung von Übergewinnen. Vor einigen Wochen sorgte Karl Nehammers Forderung nach einer Übergewinnsteuer für einen Kurssturz beim Verbund, die öffentliche Verlautbarung des Rekordergebnisses vor einigen Tagen für ein kleines Minus im Kursverlauf.
Die jüngsten hervorragenden Geschäftsergebnisse haben die Diskussion nun weiter angeheizt. Finanzminister Magnus Brunner hat einer Übergewinnsteuer zwar schon öfter Absagen erteilt-etwa vor einer Woche in diesem Heft. Die Debatte hört trotzdem nicht auf. In Großbritannien, Italien, Spanien und Griechenland wurden solche Steuern bereits eingeführt. Bereits seit März empfiehlt die EU-Kommission, derartige Windfall-Profite abzuschöpfen und damit preissenkende Maßnahmen zu finanzieren. Insgesamt könnten in der EU heuer an die 200 Milliarden Euro an Übergewinnen im Bereich Kohle, Nuklearenergie, Wasserkraft und erneuerbare Energien anfallen, berechnete die internationale Energieagentur (IEA), als die Gaspreise noch um einiges niedriger waren. Vergangenen Donnerstag schloss sich UN-Generalsekretär Antonio Guterres diesem Appell an: Es sei unmoralisch, dass Öl- und Gasunternehmen von dieser Krise so profitieren.
Doch wie könnte eine solche Steuer aussehen? Bundeskanzler Karl Nehammer hat sich zwar kurz einmal dafür ausgesprochen, ein konkreter Vorschlag liegt bisher in Österreich nur von der SPÖ vor, und zwar: Wenn der Gewinn eines Energieunternehmens den Durchschnitt der letzten drei Jahre um zehn Prozent übersteigt, soll eine Sondersteuer fällig werden. Die ersten zehn Prozent des Übergewinns unterliegen keiner Sondersteuer, alles danach wird abschöpft. Das soll vier bis sechs Milliarden Euro Mehreinnahmen für die Staatskassen bringen. Diese sollen in Folge zur Hälfte in den Ausbau erneuerbarer Energien und in Entlastungsmaßnahmen fließen. Laut SPÖ sollen aber nicht nur Stromerzeuger der Abgabe unterliegen, sondern auch die Ölindustrie und Tankstellenbetreiber.
Aber wer wäre das nun konkret in Österreich? Wir wissen, OMV und Verbund bescherten die hohen Strom- und Ölpreise Rekordgewinne. Bei der OMV haben sich Konzernumsatz und Gewinn mehr als verdoppelt. Der Periodengewinn stieg von 1,6 auf 3,3 Milliarden Euro. Der Verbund-Kollege Michael Nikbakhsh schrieb an dieser Stelle vor ein paar Wochen, dass man dem Stromkonzern beim Gelddrucken zuschauen könne-steigerte den Nettogewinn im ersten Halbjahr um 152 Prozent auf 933 Millionen Euro. Grund für diese großen Summen ist das Merit-Order-System. Der Strompreis hängt aktuell am Gaspreis, denn bei der Erzeugung werden so lange Kraftwerke mit höheren Grenzkosten zugeschaltet, bis die Nachfrage gedeckt ist. In Spitzenlastzeiten ist das letzte meist ein Gaskraftwerk, daher stieg der Preis in den letzten Monaten stark an.
Energieversorger, die wie etwa der Verbund viel Strom durch Wasserkraft selbst produzieren, profitieren. Weniger rosig ist die Lage von Unternehmen, die vor allem handeln. Das führt dazu, dass Unternehmen wie die EVN, die zwar selbst Strom produzieren, aber auch zukaufen müssen, keine Übergewinne schreiben. Im ersten Halbjahr 2021/22 (Oktober-März) verzeichnete die EVN ein Minus von 27 Prozent, der Bericht für die ersten drei Quartale folgt in Kürze.
Bei kommunalen Energieversorgern ist die Lage gemischt. Für kleinere Wasserkraft-, Windkraft- und Solarunternehmen war es ein überwiegend gutes Jahr. Das sind mitunter diejenigen, die früh in erneuerbare Energien investiert haben, als Vorreiter, als viele noch nicht das Potenzial sahen.
Die nächste Frage ist, wer hinter diesen Firmen steht, die von einer-hypothetischen-Übergewinnsteuer in Österreich betroffen wären. Der Verbund gehört zur Hälfte (51 Prozent) der Republik (ÖBAG), gute 30 weitere Prozent gehören regionalen Energieversorgern wie EVN, Wien Energie und TIWAG. Diese sind wiederum in den Händen der Bundesländer. Übrig bleiben nicht einmal 20 Prozent Streubesitz. "Wenn wir die Diskussion ehrlich führen wollen, müssen wir uns der Eigentumsverhältnisse bewusst werden", sagt Ökonom Harald Oberhofer von der Wirtschaftsuniversität Wien. Dieser Aspekt gehe für ihn in der derzeitigen Debatte unter.
Wien Energie und EVN kaufen also zwar zu relativ teuren Preisen Verbundstrom, erhalten im Umkehrschluss eine Sonderdividende wegen des erfolgreichen Geschäftsjahres. Gleichzeitig haben am Mittwoch Wien Energie und die EVN vorgezogene Tariferhöhungen angekündigt, die sie zu einem kleinen Teil durch spezielle Rabatte selbst wieder abfedern-vielleicht mit der Verbund-Sonderdividende?
Über Verluste
Doch nicht alle verzeichnen derzeit Übergewinne. Der größte deutsche Gasimporteur Uniper, der durch die gedrosselten Lieferungen aus Russland in Bedrängnis kam, wird nun vom deutschen Staat gerettet. In Frankreich wurde der finanziell angeschlagene Energieversorger EDF verstaatlicht. In Österreich prophezeiten viele vergangenen Herbst eine große Pleitewelle bei Energieversorgern. Diese blieb bislang aus. Laut der Regulierungsbehörde E-Control musste im Vorjahr ein Lieferant Insolvenz anmelden, heuer bisher auch einer. Das sei zwar etwas mehr als in den vergangenen Jahren, aber noch nicht auffällig.
"Untypisch ist aber, dass 2021 fünf Lieferanten ihre Liefertätigkeit für Haushaltsund Kleingewerbekunden eingestellt haben, heuer waren es bisher drei", sagt Wolfgang Urbantschitsch Vorstand der E-Control. Im Gegensatz zu den Jahren davor, in denen es rentabel war, zu Großmarktpreisen einzukaufen und dann zu günstigen Preisen weiterzuverkaufen, sind neue Marktteilnehmer nun rar. Er erwartet nicht, dass sich die Situation bald entspannt und schließt nicht aus, dass weitere Anbieter den Markt verlassen. Eine Energieversorgerrettung als Neuauflage der Bankenrettung hält er derzeit allerdings nicht für notwendig.