Der Fehler in der Formel

NoVA-Steuer: Sparsame Autos werden teurer, Spritsäufer billiger

Steuern. Die neue NoVA sorft für Verwerfungen mit dem Automarkt. Sparsame Autos werden teurer

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Man kann in einem Wagen wie dem Dodge Challenger SRT zweierlei sehen. Das, was er ist: ein brachialer Achtzylinder, der aus 6,1 Litern Hubraum 425 PS saugt und die Fuhre in nur fünf Sekunden von null auf verkehrspsychologische Nachschulung treibt. Oder das, was er eben auch ist: eine Art mobiler Klimawandler, dessen ökologischer Reifenabdruck so breit und tief ist, dass darin ein Einfamilienhaus Platz fände. Ein realistischer Spritbedarf jenseits der 20 Liter (je 100 Kilometer) und ein Emissionswert von 328 Gramm Kohlendioxyd (je Kilometer) dürfen durchaus als gefährliche Drohungen verstanden werden.

Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, dann soll dieses Auto demnächst schon in den Genuss eines Steuervorteils kommen - und um 1500 Euro billiger werden.

Der Audi A4 1,8 TSFI dagegen: ein vergleichsweise spaßbefreites Fahrzeug. 120 PS, 6,5 Liter Benzinverbrauch und 151 Gramm CO2 zeugen aber von einer gewissen Vernunftbegabung seines Besitzers. Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, dann soll dieses Auto demnächst in den Genuss eines Steuernachteils kommen - und um 600 Euro teurer werden.

War es wirklich das, was Kanzler Werner Faymann und sein Vize Michael Spindelegger intendierten, als sie sich im Ministerrat Mittwoch vergangener Woche auf die "Ökologisierung“ des Kfz-Steuersystems verständigten?

Noch im Februar soll dem Nationalrat das Abgabenänderungsgesetz 2014 zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Ein Bündel aus fiskalpolitischen Maßnahmen, das Faymann bereits als "Meilenstein auf dem Weg zu stabilen Finanzen“ tituliert, Spindelegger immerhin noch als "Schritt zum strukturellen Nulldefizit“. Neben Einschränkungen bei der Gruppenbesteuerung, Adaptierungen bei der "GmbH light“ und der Anhebung von Verbrauchsteuern auf Tabak und Schaumwein sollen vor allem die Automobilisten ihren Beitrag leisten. Ab 2015 sollen durch die geplante Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer 180 Millionen Euro ins Budget gespült werden, die Reform der Normverbrauchsabgabe (NoVA) soll jährlich weitere 50 Millionen Euro bringen, insgesamt also 230 Millionen Euro.

Das ist der Plan. Doch dessen Umsetzung sorgt bei Importeuren, Händlern, Automobilclubs und Industriellenvereinigung mittlerweile für gesteigertes Entsetzen. Und das wegen eines kurzen Satzes, der unmittelbar vor dem Ministerrat aus dem ursprünglichen Entwurf zur "Änderung des Normverbrauchsabgabegesetzes 1991“ gefallen war: "Der Höchststeuersatz beträgt 30%.“

Die NoVA also. Dabei handelt es sich um jene Steuer, die immer dann fällig wird, wenn ein Automobil (oder Motorrad) erstmals in Österreich zum Verkehr zugelassen wird. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Fahrzeug neu ist oder gebraucht aus dem Ausland importiert wurde. Stellte die NoVA zunächst nur auf den Verbrauch ab, wurde die Abgabe im Laufe der Jahre um ein komplexes System aus Zu-oder Abschlägen - abhängig von den CO2-Emissionen - ergänzt, die sogenannte CO2-Steuer. Hinzu kamen noch ein 20-prozentiger Aufschlag (auf die Summe aus Normverbrauchsabgabe und CO2-Steuer) sowie die (vom Nettopreis des Fahrzeuges abgeleitete) Umsatzsteuer.

So weit, so undurchschaubar.

All das sollte durch eine neue, sehr viel einfachere Öko-Formel ersetzt werden, die nur mehr auf die Emissionen abstellt: CO2-Ausstoß in Gramm je Kilometer minus 90, das Ergebnis dividiert durch fünf. Dies ergibt jenen neuen Steuersatz, der ab 1. März (neben der Umsatzsteuer) auf den Nettopreis jedes neu zugelassenen Fahrzeuges aufzuschlagen wäre, wobei bei Benzinern einmalig höchstens 400 Euro, bei Dieseln 300 Euro abgezogen werden können.

Der vom Finanzministerium formulierte - und mit der Automobilbranche so akkordierte - Gesetzesentwurf sah jedoch eine wesentliche Einschränkung vor: der NoVA-Höchststeuersatz sollte von derzeit 16 Prozent auf maximal 30 Prozent steigen (bei Motorrädern von 16 Prozent auf 20 Prozent).

Doch soweit es Autos betrifft, ist davon mittlerweile keine Rede mehr. Die Passage wurde ersatzlos aus dem Gesetzestext gestrichen. "Der Vorschlag, die neue Normverbrauchsabgabe mit 30 Prozent zu deckeln, kam vom Finanzministerium selbst, und wir haben das unter Schmerzen akzeptiert“, sagt Felix Clary Aldringen, Sprecher des Verbandes der Automobilimporteure. "Plötzlich fühlt sich das Ministerium nicht mehr an die eigenen Zusagen gebunden. Das ist ein sehr schwerer Rückschlag für die gesamte Branche. Und es sagt viel über die Vertrauenswürdigkeit unserer Gesprächspartner aus.“

Was ist da passiert? Nach profil-Recherchen dürften vor allem Einwendungen des Umweltbundesamtes zu der überfallsartigen Adaptierung geführt haben. Dessen Experten hatten im Rahmen der Begutachtungsfrist eine überaus kritische Expertise verfasst. Am 22. Jänner schrieb das Umweltbundesamt an das Finanzministerium: "Der Maximalsteuersatz wurde bei 30% begrenzt. Es wird aktuell eine signifikante Anzahl an Fahrzeugen (mehrere tausend) mit einem Ausstoß größer als 240 g/km neu zugelassen. Fahrzeuge bis zu dieser Grenze von 240 g/km werden bei beiden Regelungen in etwa gleichgestellt. Fahrzeuge darüber werden durch die Neuregelung der NoVA signifikant besser gestellt. Aus Umweltsicht ist dies kontraproduktiv.“

In einer profil vergangene Woche übermittelten Stellungnahme hält das Kabinett Spindelegger fest: "Im Zuge des Begutachtungsverfahrens wurde mehrfach kritisiert, dass eine Deckelung im Hinblick auf die Zielsetzung der Ökologisierung nicht sinnvoll erscheint.“

Das Ministerium schloss sich also der Argumentation des Umweltbundesamtes an - ohne zu prüfen, ob dessen Annahmen überhaupt stimmten. Denn tatsächlich sind diese schlicht und einfach überzogen. Nach offiziellen Zulassungsstatistiken wurden in Österreich 2012 und 2013 jeweils knapp weniger als 800 Autos zugelassen, die Emissionen jenseits der 240 Gramm aufweisen - also nicht etwa "mehrere tausend“ Autos (es sei denn, das Umweltbundesamt hätte einen mehrjährigen Zeitraum gemeint, was aus der Stellungnahme so aber nicht ganz klar hervorgeht). Obendrein sind in diesen 800 Fahrzeugen auch Luxus- und sogenannte Supersportwagen eingerechnet, die den größten Teil des Jahres in Garagen stehen - also vergleichsweise geringe Laufleistungen und damit Emissionen aufweisen.

Schwerer wiegt, dass den Beamten des Ministeriums schon bei der Konzeption der neuen NoVA-Formel ein Lapsus unterlaufen war, den auch die Streichung des Höchststeuersatzes nicht ohne Weiteres zu reparieren vermag. Die neue Emissionsabgabe bemisst sich, wie gesagt, ausschließlich am Nettopreis eines Autos. Die im alten System vorgesehenen Zuschläge bei Überschreiten bestimmter CO2-Grenzen (150 Gramm, 170 Gramm und 210 Gramm) dagegen waren vom Preis völlig unabhängig zu kalkulieren. Es spielte also keine Rolle, wie billig oder teuer ein Wagen war - je höher die Emissionen, desto höher der Zuschlag.

Die neue NoVA führt zu der bizarren Konstellation, dass nun Kleinkraftwerke wie der Dodge Challenger auch ohne den 30-prozentigen Deckel billiger werden, weil die Einstandspreise US-amerikanischer Automobile traditionell eher bescheiden sind. Ungleich sparsamere deutsche Fabrikate wie der Audi A4 1,8 werden dagegen aufgrund der relativ höheren Nettopreise teurer. Beispiel zwei: der Ford Mustang Coupé, auch er kein Kostverächter, auch er nicht unterwegs, um den Planeten zu retten. Der CO2-Ausstoß liegt bei 281 Gramm je Kilometer. Dennoch wird die Steuerlast auf den Wagen im Zuge der geplanten NoVA-Reform um rund 3000 Euro sinken. Beispiel drei: Der Dodge RAM 1500, so etwas wie der Gottseibeiuns aller Grünbewegten (353 Gramm CO2). Der barocke Pickup-Truck, Traum jedes amerikanischen Handwerkers, gehört mit zum Verbrauchsfreudigsten, das in Österreich zum Verkehr zugelassen werden darf. Die sonderbare Arithmetik will es, dass auch er um rund 2700 Euro billiger würde (sofern der Wagen als Pkw typisiert wird. Bei der gängigeren Lkw-Typisierung fiele die NoVA ohnehin nicht an). "Es ist eher nicht davon auszugehen, dass die Umsätze mit diesen Fahrzeugen deshalb anziehen werden“, so der niederösterreichische Importeur Josef Pirmann. "Die Steuerbelastung in diesem Bereich bleibt auch mit der NoVA-neu extrem hoch.“

Zugegeben: Die US-amerikanischen Fahrzeuge sind hierzulande schon allein aufgrund ihres selbstbewussten Benzinkonsums Exoten. Aber kann und darf es wirklich im Sinne einer "Öko-Steuer“ sein, ausgerechnet in einem solchen Segment, sei es noch so schmal, Kaufanreize zu schaffen? Wo bleibt da der versprochene ökologische Lenkungseffekt? Auf profil-Anfrage beeilt sich das Finanzministerium mitzuteilen, dass man ein "nachvollziehbares, transparentes und ökologisches System geschaffen“ habe: "Da das System nur mehr auf den Kaufpreis abstellt, kann es in Einzelfällen auch zu Vergünstigungen kommen.“

Das ist umso bemerkenswerter, als die in Österreich beliebten Volumensmodelle kaum billiger oder vielmehr teurer werden. So werden nach Berechnungen des ÖAMTC "beinahe 90 Prozent aller Neuwagenmodelle teurer - auch umweltschonende und spritsparende“. Mit Vergünstigungen ist überhaupt nur bei sehr kleinen, effizienten Motoren (unter 90 Gramm CO2) zu rechnen, diese sollen zur Gänze von der NoVA befreit werden - die Steuerlast war hier jedoch bisher schon bescheiden. So wird etwa der VW Golf 1,6 TDI Blue Motion (99 Gramm CO2) um etwa 500 Euro billiger. Bei Autos jenseits der 100 Gramm ist mit Aufschlägen in der Höhe von 100 Euro aufwärts zu rechnen. Selbst alternative Antriebe profitieren nicht wirklich. Der "Hybrid-Bonus“ wird zwar von bisher 500 auf 600 Euro erhöht, läuft aber mit Jahresende aus (reine Elektroautos bleiben wie bisher von der NoVA befreit). Tatsächlich wird die neue Steuer aber das sogenannte Premium-Segment direkt ins Mark treffen - also Automobile, die viel CO2 emittieren, noch mehr kosten, aber nicht notwendigerweise viel unterwegs sind. "Wir waren darauf absolut nicht vorbereitet“, sagt Anja Frey namens der Frey-Gruppe, die neben Toyota und Lexus auch Aston Martin vertreibt. "Der 30-prozentige Deckel war gerade noch im Bereich des Erträglichen. Jetzt haben wir den Super-Gau.“ Ihren Berechnungen nach wird die Steuerbelastung eines Aston Martin Vanquish (448 Gramm CO2) - Listenpreis derzeit 370.000 Euro - um stattliche 62.000 Euro steigen. Ähnliches berichtet auch Jürgen Keusch, dessen Autohaus (neben Toyota) mit Ferrari und Maserati handelt. "Eine wahnwitzige Idee. Die gesamte Steuerbelastung einzelner Modelle steigt damit auf fast 80 Prozent.“ So etwa beim Ferrari F12 Berlinetta (350 Gramm CO2): Listenpreis alt: 336.000 Euro, Listenpreis neu: 406.000 Euro. Differenz: plus 70.000 Euro. Oder auch beim Maserati Gran Turismo Sport (331 Gramm CO2). Dessen Preis steigt von 162.400 auf 179.800 Euro, also um 17.400 Euro. "Wir reden hier von Autos, die selten mehr als 4000 Kilometer im Jahr bewegt werden“, ergänzt Keusch.

Gerade die Gegenüberstellung des Maserati zum genannten Dodge Challenger untermauert die umweltpolitischen Unzulänglichkeiten des neuen NoVA-Systems: Obwohl beide Autos fast auf das Gramm genau gleich viel CO2 ausstoßen, wird das billigere amerikanische Fabrikat noch billiger, das teurere italienische dagegen noch teurer.

Hatte die Bundesregierung wirklich eine Ökologisierung im Auge? Oder ging es nicht doch um die Reanimierung der 1987 verblichenen "Luxusssteuer“?

"Ich kann hier keinerlei Umweltaspekt erkennen“, kritisiert Christian Pesau, Geschäftsführer des Arbeitskreises der Automobilimporteure in der Industriellenvereinigung. "Es handelt sich um nichts anderes als eine massive Vermögensbesteuerung. Wir reden hier von einem sehr schmalen Kundensegment, das überproportional stark in die Pflicht genommen werden soll.“

Nun könnte man einwenden, dass Kunden, die ohne mit der Wimper zu zucken ein Auto im Gegenwert eines Eigenheims erwerben, sich von einer weiteren Steuererhöhung nicht wirklich abschrecken lassen. Die betroffenen Händler lassen das allerdings nicht unwidersprochen. "Unsere Klientel schaut sehr wohl auf den Preis. Den Leuten vergeht einfach die Lust, solche Automobile anzuschaffen, wenn die Steuer fast 80 Prozent ausmacht“, erklärt Jürgen Keusch. Die Premium-Händler müssten sich darauf einstellen, dass viele Kunden nun ins deutlich billigere Deutschland ausweichen, um die Autos dann auch dort anzumelden (wobei erwähnt werden muss, dass dies ein Steuerdelikt ist, sofern der ordentliche Wohnsitz in Österreich liegt).

"Die Frage nach der Ökologisierung hat sich nie gestellt“, meint denn auch Gregor Strassl, Manager der Wolfgang-Denzel-Gruppe. "Die Regierung hat eine künstliche neue Formel gebraucht, um den behaupteten Budgetzufluss von 50 Millionen Euro im Jahr irgendwie darstellen zu können.“

Freitag vergangener Woche versuchten Vertreter der Automobilwirtschaft zu retten, was zu retten ist. In einem eilig arrangierten Gipfel bei Finanzminister Spindelegger sollte dieser auf einen Kompromissvorschlag eingestimmt werden: Der aus dem Gesetz gekippte NoVA-Deckel soll doch festgeschrieben werden, aber von ursprünglich 30 auf 32 Prozent steigen. Das Ergebnis stand zu Redaktionsschluss aus.

Zumindest ein gravierender Fehler in der NoVA-Formel soll dem Vernehmen nach mittlerweile erkannt und beseitigt worden sein. Laut dem ursprünglichen Gesetzesentwurf sollte nicht der CO2-Gehalt je Kilometer, sondern je 100 Kilometer als Berechnungsgrundlage dienen. Dies hätte beispielsweise die Steuer auf einen Audi A4 1,8 auf 3000 Prozent des Nettopreises schnellen lassen.

+++ Vergleichsrechner für die Kfz-Versicherungssteuer von autorevue.at +++

Audi A4 1,8 TSFI
600 Euro teurer
Leistung: 120 PS; Verbrauch: 6,5 Liter/100 km; CO2-Emission: 151 g/km

Dodge Challenger SRT-8
1500 Euro billiger
Leistung: 425 PS; Verbrauch: 14 Liter/100 km; CO2-Emission: 328 g/km

Aston Martin Vanquish
62.000 Euro teurer
Leistung: 528 PS; Verbrauch: 18,9l; CO2-Emission: 448 g/km

Audi A1 1,6 TDI
400 Euro billiger
Leistung: 90 PS; Verbrauch: 3,8l; CO2-Emission: 99 g/km

Dodge Ram 1500
2700 Euro billiger
Leistung: 395 PS; Verbrauch: 15l; CO2-Emission: 353 g/km

Ferrari F12 Berlinetta
70.000 Euro teurer
Leistung: 740 PS; Verbrauch: 15l; CO2-Emission: 350 g/km

Ford Mustang GT
3000 Euro billiger
Leistung: 420 PS; Verbrauch: 13l; CO2-Emission: 281 g/km

VW Golf 1,6 TDI Blue Motion
500 Euro billiger
Leistung: 105 PS; Verbrauch: 3,9l; CO2-Emission: 99 g/km

Jaguar F-Type Cabrio
5000 Euro teurer
Leistung: 495 PS; Verbrauch: 11l; CO2-Emission: 259 g/km

Maserati Gran Turismo S
17.400 Euro teurer
Leistung: 460 PS; Verbrauch: 16l; CO2-Emission: 331 g/km

Mc-Laren MP4-12C
30.000 Euro teurer
Leistung: 626 PS; Verbrauch: 12l; CO2-Emission: 279 g/km

Mercedes CLS 350 CDI 4matik
1300 Euro teurer
Leistung: 265 PS; Verbrauch: 6.7l; CO2-Emission: 176 g/km

Mitsubishi Outlander 2WD
100 Euro teurer
Leistung: 150 PS; Verbrauch: 6,5l; CO2-Emission: 150 g/km

Range Rover 5,0 SC
13.600 Euro teurer
Leistung: 510 PS; Verbrauch: 14,9l; CO2-Emission: 348 g/km

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.