"wer ist dieser Idiot??"
Hat der niederösterreichische Glücksspielkonzern Novomatic ein Problem mit kritischen Medien im Allgemeinen, mit der Arbeit von profil im Besonderen?
Wie wir vergangene Woche berichteten, wurde profil kürzlich von Novomatic geklagt. In Zusammenhang mit einem Artikel vom Juli dieses Jahres, welcher der im parlamentarischen Ibiza-Ausschuss aufgekommenen Frage nachging, ob es einen „Deal ÖVP-Novomatic“ gab (was Novomatic vehement bestritt und von uns auch so wiedergegeben wurde).
Über profil klagte man beim Automatenunternehmen jedoch schon vor gut zwei Jahren recht bitterlich. Dies zeigt eine interne Chat-Kommunikation, die zugleich auch ein bezeichnendes Licht auf PR-Strategien des Konzerns wirft.
„Mehr Süchtige für Wien“ – unter diesem Titel veröffentliche profil-Redakteur Clemens Neuhold am 11. Februar 2018 einen Kommentar, in welchem er eine Entscheidung des ÖVP-regierten Finanzministeriums kritisch hinterfragte. Dieses hatte den Lotterien (an welchen Novomatic bis heute beteiligt ist) die Aufstellung von 50 neuen Spielautomaten im Wiener Prater genehmigt. Auf Grundlage einer Bundeslizenz – und gegen den Willen des Wiener Rathauses –, welche das „kleine Glücksspiel“ per Anfang 2015 aus der Stadt verbannt hatte: „Wien verbot die Automaten, verschärfte die Kontrollen und geht nun – weil die Zocker dorthin ausweichen – auch gegen Wettcafés rigoros vor. Die Lage hat sich merklich entspannt. Vor allem für Jugendliche ist die Suchtgefahr gesunken. Diesen Trend absichtlich umzukehren, wäre taktisch ein Gewinn für Schwarz-Blau, moralisch aber ein Totalverlust“, schrieb Neuhold damals.
Wie sich nun herausstellt, fand man das in der Chefetage von Novomatic alles andere als ersprießlich. In einer Reaktion auf den Kommentar echauffierte sich der damalige CEO Harald Neumann gegenüber einem Kollegen: „wer ist dieser Idiot??“ Der Adressat antwortete, Neuhold sei schon länger ein „Gegner und Kritiker“ und deutete auch gleich an, profil habe da wohl einem politischen Wunsch entsprochen. Kritik mit Gegnerschaft und einem unsinnigen Verdacht politischer Agitation zu vermengen – das verrät schon viel über das Freund-Feind-Schema bei Novomatic.
Wäre es nach Neumann gegangen, dann wäre Neuholds Kommentar auch nicht ohne Konsequenzen geblieben „wir brauchen eine Entgegnung! Wir benötigen Material, wie gut alles in NÖ ist und wie schlecht in Wien seit 2014! Haben wir da was??“ Der andere Manager antwortete: „Nicht wirklich, aber wir lassen eine Studie machen (…) die das ua beinhaltet. Jetzt können wir uns nur auf interne Infos bzgl NÖ verlassen und dort ist das illegale Spiel seit der Regulierung massiv zurück gegangen. Leider sind aber auch in Wien seit dem Verbot die illegalen Geräte auf 300-500 Geräte zurückgegangen (durch massiven Einsatz der FinPol) und es hat sich Richtung Sportwetten verlagert. Beides keine Infos die wir teilen wollen“ (Anm.: FinPol steht für Finanzpolizei).
Dass die Novomatic-Führung diese entlarvenden Infos nicht teilen wollte, überrascht nicht. Zwei Tage zuvor hatte der Konzern noch im Rahmen einer Glücksspielmesse in London erklärt, in Wien sei dem illegalen Glücksspiel seit dem Automatenverbot Tür und Tor geöffnet. Für diese PR-Strategie gab es augenscheinlich keine faktische Grundlage. Mitte August 2020 fragte profil bei Novomatic an, ob der Öffentlichkeit bewusst die Unwahrheit gesagt worden sei. Novomatic-Anwalt Peter Zöchbauer wies das als „tatsachenwidrig“ zurück: Der Chat sage nur, „dass eine derartige Studie für Niederösterreich in Auftrag gegeben wurde (da die Unternehmensgruppe meiner Mandantin in Niederösterreich eine Landeskonzession hält), dass es aber für Wien im Haus meiner Mandantin keine solche Studie gibt“.