Die in Bau befindliche Zentrale des russischen Ölkonzerns Lukoil in Wien.

Ölkonzern Lukoil: Neue Zentrale in Wien gehört sanktioniertem Oligarchen

Am Wiener Schwarzenbergplatz baut der russische Ölkonzern Lukoil an einer neuen Europazentrale. Hinter der Immobilie steht – über ein Offshore-Konstrukt – der langjährige Firmenchef Wagit Alekperov. Dieser wurde kürzlich von Großbritannien mit Sanktionen belegt.

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Er gilt als einer der reichsten Männer Russlands, war noch zu Sowjetzeiten Vize-Minister für die Öl- und Gasindustrie gewesen und baute dann eines der wichtigsten Unternehmen des Landes auf: Wagit Alekperov (71), langjähriger Präsident des zweitgrößten russischen Ölkonzerns Lukoil. Doch vor wenigen Tagen nahm der Milliardär den Hut und verließ die Konzernspitze. Großbritannien hatte ihn zuvor auf die Sanktionsliste gesetzt. Nun zeigen profil-Recherchen, dass Alekperov hinter einer ganz besonderen Immobilie in Österreich steht. 

Bei russischen Investoren ist der Wiener Schwarzenbergplatz schon lange eine beliebte Adresse. Die Gebäude nahe der City bieten einen guten Blick auf das markante, 20 Meter hohe Denkmal, das sich die Rote Armee nach der Befreiung Wiens selbst errichtete. Ein wenig getrübt wird der Anblick aus russischer Sicht derzeit durch die blau-gelben Nationalfarben der Ukraine, welche die Familie Schwarzenberg auf einer Mauer ihres Palais hinter dem Denkmal auftragen ließ, um ein Zeichen gegen Putins Krieg zu setzen.

Superschnelle Luxus-Yachten – und ein Gebäude in Wien

An der Entscheidung von Lukoil ändert das nichts mehr: Der russische Ölkonzern will im Herbst am Schwarzenbergplatz seine Europazentrale eröffnen, derzeit laufen die Umbauarbeiten.

Bemerkenswert daran ist, dass der profitable Konzern die Immobilie nicht einfach selbst erwarb – sondern sich einen Vermieter suchte. Die Eigentümerstruktur hinter der Topadresse Schwarzenbergplatz 13 kann getrost als verschachtelt bezeichnet werden: Im Grundbuch scheint die Prima Wohnimmobilien GmbH auf, die wiederum mehrheitlich der Morcell Immobilien GmbH gehört, die ihrerseits im Eigentum der zypriotischen Morcell Limited steht.  Laut dem jüngsten verfügbaren Jahresabschluss der Morcell Limited per 31. Dezember 2020  handelt es sich bei der zypriotischen Gesellschaft um die Holding einer Firmengruppe, die sich unter anderem mit dem Bau und Verkauf von superschnellen Luxus-Yachten befasst. In welcher wirtschaftlichen Liga die Morcell Limited spielt, zeigt der ausgewiesene Jahresgewinn von rund 420 Millionen US-Dollar. Die gesamten Vermögenswerte der Gruppe beliefen sich per ultimo 2020 gar auf rund 7,64 Milliarden Dollar.

Die komplexe Eigentümerstruktur der Morcell – und somit auch der Prima Wohnimmobilien GmbH – endet dem Jahresabschluss zufolge letztlich bei einem Trust auf der Kanalinsel Guernsey. Hinter diesem Konstrukt steht offenbar Wagit Alekperow persönlich beziehungsweise dessen Familie: Als Begünstigte der Prima Wohnimmobilien GmbH scheinen im Register der wirtschaftlichen Eigentümer des österreichischen Finanzministeriums tatsächlich Alekperov sowie seine Ehefrau und sein Sohn auf. Das heißt: Der Österreich-Ableger von Lukoil ist bei seinem Gründer eingemietet, der bis vor wenigen Tagen noch als Präsident des Ölkonzerns fungierte.

Britische Sanktionen gegen den Oligarchen

Von EU-Sanktionen blieb Alekperov bisher verschont. Auf der britischen Sanktionsliste landete er jedoch am 13. April 2022. Der Grund: Durch seine Tätigkeit bei Lukoil würde Alekperov fortgesetzt von der russischen Regierung profitieren und diese unterstützen. Lukoil sei in einem für die Führung in Moskau strategisch wichtigen Bereich tätig – nämlich im Energiesektor. Ob sein nunmehriger Rücktritt an dieser Einstufung durch die britischen Behörden etwas ändert, wird sich zeigen. Bemerkenswerter ist, dass Lukoil in einer Aussendung betonte, Alekperov sei kein kontrollierender Aktionär von Lukoil. Zum 31. März 2022 hielt der Milliardär demnach 3,12 Prozent der Aktien und war über Konstruktionen wie Trusts oder Fonds Begünstigter weiterer 5,43 Prozent der Unternehmensanteile. Die Beteiligung wurde offenbar massiv reduziert. Laut jüngstem verfügbaren Jahresabschluss von Lukoil per 31. Dezember 2020 stand Alekperov damals noch direkt oder indirekt als Eigentümer beziehungsweise Begünstigter hinter insgesamt rund 28,3 Prozent der Aktien des Ölkonzerns.

Alekperov ist in Österreich kein Unbekannter. 2010 erhielt er aus den Händen der damaligen Wiener Vizebürgermeisterin Renate Brauner (SPÖ) das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Wien. Schon damals wurde sein Einsatz bei der ursprünglichen Etablierung und Vergrößerung der Lukoil-Niederlassung in Wien gelobt. Das jetzige Projekt am Schwarzenbergplatz, wo Alekperov über seine Zypern-Struktur als Hauseigentümer fungiert, geht darüber hinaus: Das bestehende Gebäude hat bereits sechs Stockwerke und rund 3800 Quadratmeter Nutzfläche, im Zuge der Sanierung soll das Haus um zwei Dachgeschoße erweitert werden. Wie wirkt sich der Rücktritt Alekperovs auf das Vorhaben aus?

„Absolut marktübliche Konditionen“

Ein Sprecher von Lukoil in Wien erklärte auf profil-Anfrage, diese Themen stünden „in keinem Zusammenhang“. Das Mietverhältnis bezüglich der neuen Europazentrale sei „zu absolut marktüblichen Konditionen und nach interner Genehmigung durch sämtliche dafür zuständige Gremien abgeschlossen“ worden. Und: „Somit ist die Lukoil International GmbH wie viele andere Unternehmen normaler Mieter einer Büroliegenschaft.“

Gar so alltäglich sind die Eigentumsverhältnisse an der Schwarzenbergplatz-Immobilie freilich nicht. Dies umso mehr, als Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine ungebrochen fortführt. Lukoil betont, sich „in einem international beachteten Statement für Frieden in der Ukraine ausgesprochen“ zu haben. Den britischen Behörden war das mit Blick auf Alekperov offenbar nicht genug.

Penthouse in bester Lage

Alekperovs Familie verfügt laut Grundbuch in Wien noch über weitere Immobilien: Im Jahr 2011 erwarb Wagit Alekperov demnach für rund 3,4 Millionen Euro eine – damals noch nicht fertiggestellte – Dachgeschoßwohnung in bester Lage knapp außerhalb der Ringstraße. Später schenkte er zunächst einen Hälfteanteil seiner Ehefrau, bevor beide die Wohnung an ihren Sohn  (Jahrgang 1990) weitergaben. Letzterer scheint bis heute als Eigentümer auf. 2019 kaufte die Ehefrau dann noch eine zweite, größere Wohnung im selben Gebäude – diesmal um rund 6,6 Millionen Euro. Auch sie ist hier aktuell als Besitzerin im Grundbuch eingetragen.

Ein Bekannter von Wagit Alekperov ist übrigens der frühere österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP).  2019 war Schüssel in den Lukoil-Aufsichtsrat eingezogen, man traf einander immer wieder bei Sitzungen. Erst nach öffentlicher Kritik kündigte Schüssel am 4. März 2022 sein Ausscheiden bei Lukoil an.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.