Investigativ

Österreichisch-russische Freundschaft: Geld ist dicker als Sanktionen

Trotz Ukraine-Krieg hat sich das in Österreich gebunkerte russische Vermögen vermehrt. Es gibt mehr Visaanträge. Zahlreiche heimische Firmen sind in Russland aktiv. Und ein Wiener Anwalt avanciert zu einem der obersten Kämpfer gegen die Sanktionen.

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Lukoil, Gazprom oder die russische Botschaft: Die Gegend um den Schwarzenbergplatz in Wien ist eine Art Klein-Moskau in Mitteleuropa. Ein sowjetischer Soldat aus Bronze wacht über die russisch-österreichische Freundschaft, die trotz des Endes der Sowjetunion und Putins Angriffskrieg in der Ukraine fast genau so eng ist, wie sie immer war. Mehr als ein Jahr nach dem russischen Überfall auf die Ukraine sind die politisch-diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Russland zwar deutlich abgekühlt – auf die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen beiden Ländern hatte der Krieg bisher aber deutlich weniger Einfluss.

Der Rubel rollt weiterhin in beide Richtungen – wenn auch sanktionsbedingt etwas eingeschränkt. Es ist erstaunlich: Die russischen Direktinvestitionen in Österreich sind im ersten Kriegsjahr sogar gestiegen, zahlreiche heimische Unternehmen machen weiter in Russland Geschäfte. Die Anzahl der Visaanträge von russischen Staatsbürgern ist im Vorjahr auch deutlich gestiegen. Ein paar von Sanktionen betroffene russische Geschäftsleute greifen besonders gern auf die Dienste einer prominenten Wiener Anwaltskanzlei zurück, wenn sie juristisch gegen die EU-Sanktionen vorgehen wollen.

Russland hatte für Österreich immer schon eine besondere Bedeutung – das hat historische Gründe: Unsere immerwährende Neutralität hat sich als gutes und lukratives Geschäftsmodell für das Land und seine Unternehmen erwiesen. Die damals staatliche OMV hat zum Beispiel im Juni 1968 einen Erdgasliefervertrag mit der damaligen UdSSR unterzeichnet – als erstes westeuropäisches Unternehmen.

Unter dem Motto „Gas gegen Rohre“ lieferte die UdSSR Erdgas und Österreich Rohre für den Pipeline-Bau. Den Gasliefervertrag gibt es noch immer und er gilt bis 2040. Die NATO-Staaten hatten während des Kalten Kriegs die UdSSR und andere Staaten des ehemaligen Ost-Blocks zeitweise in einigen Wirtschaftsbereichen mit Sanktionen belegt, an die sich das neutrale Österreich nicht halten musste. Und es auch nicht tat.

Später, als der Eiserne Vorhang fiel, strömten nicht nur Menschen aus dem Osten nach Westen ihrer neuen Freiheit entgegen. Heimische Banken, Versicherungen und Bauunternehmen schwirrten in die andere Richtung aus. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 ist aber alles anders. Und die bisherige Cash-Cow Russland wird für heimische Firmen immer mehr zur Belastung.

Mehr russisches Vermögen in Österreich

Trotzdem: Russland ist nach Deutschland der zweitgrößte ausländische Direktinvestor in Österreich. Das war vor Kriegsbeginn so und ist heute nicht anders. Mehr noch: Die ausländischen Direktinvestitionen aus Russland sind im ersten Kriegsjahr 2022 laut vorläufigen Daten der Nationalbank sogar von 22,451 Milliarden Euro auf 24,615 Milliarden Euro gestiegen (siehe Grafik).

„Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sich mehr russische Firmen in Österreich angesiedelt haben“, erklärt Maria-Elisabeth Faulmann, Sprecherin der OeNB. „Es wurden vor allem Restrukturierungen bei Konzernkrediten und Veränderungen bei Handelskrediten beobachtet, etwa von der russischen Mutter in Richtung der hiesigen Zweigniederlassung.“

Oder aber, der Wert einer Firma wächst plötzlich. Wenn zum Beispiel der Erdölpreis kriegsbedingt steigt, steigt etwa auch die Bewertung der russischen Lukoil und das schlägt sich in der Statistik nieder.

Und auch das im Vorjahr vom Kreml erlassene Rubel-Dekret, wonach zum Beispiel die OMV und andere Vertragspartner für Gaslieferungen in Rubel zahlen müssen, dürften über Währungseffekte den Wert der russischen Gazprom gesteigert haben.

„Es könnte aber auch mit Kapitalflucht aus Russland zusammenhängen“, sagt der Ökonom Vasily Astrow vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Gleich nach Kriegsbeginn hat der Kreml Kapitalverkehrsbeschränkungen beschlossen, die eine Kapitalflucht aus Russland verhindern sollten. Aber sie weisen Lücken auf, die gesucht und genützt werden – und mittlerweile wurden sie auch wieder etwas gelockert.

Kreml-Kapital

Dass ein russischer, bewaffneter Konflikt hierzulande zu einem derartigen Effekt führt, konnte man schon ein Mal beobachten. Im Zuge der Krim-Annexion im Jahr 2014 wurde Russland schon damals mit wirtschaftlichen Sanktionen belegt und große russische Firmen haben daraufhin aus strategischen Gründen Niederlassungen in der EU begründet. Die russischen Direktinvestitionen haben sich seit 2013 fast verdoppelt, wie die Zahlen der OeNB zeigen. Wie viele russische Unternehmen derzeit in Österreich sind, weiß niemand so genau. Die Notenbank geht in ihren Berechnungen jedenfalls von einem „niedrigen zweistelligen Bereich“ von Firmen aus, die direkt in russischer Hand.

„Es wurden vor allem Restrukturierungen bei Konzernkrediten und Veränderungen bei Handelskrediten beobachtet, etwa von der russischen Mutter in Richtung der hiesigen Zweigniederlassung.“

Elisabeth Faulmann

Sprecherin der OeNB

Was gebundenes Privatvermögen wie Liegenschaften und Immobilien russischer Staatsbürger betrifft, weiß man in Österreich ebenfalls nur wenig: „Die Datenlage ist hier schlecht. Nicht zuletzt, weil oft nicht einzelne russische Staatsbürger als Eigentümer auftreten, sondern Gesellschaften, die ihren Sitz nicht in Russland haben. Wir können daher nicht mit Sicherheit sagen, wie viele russische Staatsbürger oder Firmen tatsächlich welches Volumen an Immobilien oder Grundstücken in Österreich besitzen“, sagt Faulmann.

Es ist aber nicht so, als ob man dieser Entwicklung untätig zusehen würde. Das beschlagnahmte russische Vermögen wächst auch in Österreich. Laut der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), die Sanktionsgesetze exekutieren muss, wurden bisher 264 Konten und Depots in Zusammenhang mit den Russlandsanktionen eingefroren.

Wir können daher nicht mit Sicherheit sagen, wie viele russische Staatsbürger oder Firmen tatsächlich welches Volumen an Immobilien oder Grundstücken in Österreich besitzen.

Elisabeth Faulmann

Sprecherin OeNB

Außerdem wurden bei fünf Liegenschaften im Grundbuch Sperren für den Weiterverkauf vermerkt – zwei in Wien, zwei in der Steiermark und eines in Kärnten. Das heißt, sie dürfen nur noch zu privaten Zwecken genutzt werden, aber eben nicht mehr weiterverkauft werden. So soll verhindert werden, dass gebundenes Vermögen verflüssigt wird.

Dass das kleine Österreich ein beliebter Rückzugsort für russisches Vermögen ist, lässt sich auch an diesen behördlichen Zugriffen ablesen: Fast ein Zehntel der 21,5 Milliarden EU-weit beschlagnahmten Euro entfallen auf Österreich.

Seit März 2022 verhandelte der EU-Rat bisher elf Sanktionspakete gegen Russland und hat rund 1.500 Personen und 207 Unternehmen und Organisationen auf die Sanktionsliste gesetzt. Das heißt, sie dürfen nicht mehr in die EU einreisen, Vermögenswerte, die ihnen zugeordnet wurden, werden zum Teil eingefroren.

Advocatus oligarchi

Immer mehr dieser sanktionierten russischen Staatsbürger gehen jetzt juristisch gegen die Sanktionen vor. Mittlerweile sind beim Gerichtshof der Europäischen Union 72 solcher Fälle (Stand 17. Juli) anhängig. Die vollständige Liste liegt profil vor. Auch hier kommt Österreich wieder eine besondere Rolle zu: In neun dieser Fälle sind Anwälte der Wiener Kanzlei „Lansky, Ganzger, Goeth + partner“ als rechtsfreundliche Vertretung gelistet. Und ihre Kunden sind nicht irgendjemand.

Zu den Personen und Unternehmen, die der Wiener Anwalt Gabriel Lansky und seine Kollegen und Kolleginnen vertreten, gehört zum Beispiel Andrey Melnichenko. Forbes listete ihn 2021 auf Platz 8 der reichsten Russen. Die EU-Staaten setzten ihn am 9. März 2022 auf die Sanktionsliste, weil ihm wie vielen anderen russischen Oligarchen Kreml-Nähe vorgeworfen wird.

Der Grund: Er soll am 24. Februar 2022 in Moskau an einer Kreml-Sitzung als teilgenommen haben, als Präsidiumsmitglied der Russischen Vereinigung der Industriellen und Unternehmer, die Teilnahme sei verpflichtend gewesen.

Er behauptete wiederholt öffentlich, erst aus den Medien von der russischen Militärinvasion in der Ukraine erfahren zu haben und verurteilte auch öffentlich den Angriffskrieg.   Sanktionsbedingt darf er nicht mehr in die EU einreisen. Außerdem hat die italienische Finanzpolizei die Yacht „A’’ beschlagnahmt, weil die Behörden diese Melnichenko zurechnen. Das schicke Schiff soll 530 Millionen Euro wert sein.

Sanktionen sind Atombomben Europäischen Rechtes. Das ist die schärfstmögliche Waffe gegen Einzelpersonen, die ein Rechtssystem haben kann.

Anwalt Gabriel Lansky

vertritt sanktionierte russische Mandanten

Er zog sich im Vorjahr auch aus  dem Direktorenrat des Düngemittelriesen EuroChem zurück, kurz bevor er auf die Sanktionsliste kam. Das Unternehmen ist der größte Hersteller von mineralischen Düngern in Russland.

Beinahe hätte der Konzern auch die Düngemittelsparte der Borealis gekauft. Kriegsbedingt platzte der Deal aber dann im Endspurt. Nun sieht Melnichenko seine Grundrechte durch die Sanktionen verletzt. Seine Frau Aleksandra wurde ebenfalls in der EU mit Sanktionen belegt. Sie ist kroatische Staatsbürgerin und darf nun nicht in die EU und damit nicht in ihr Heimatland einreisen.

Auf die Dienste der Wiener Anwälte rund um Gabriel Lansky setzen auch der sanktionierte russische Stahlmilliardär Dimtry Pumpyansky und dessen Angehörige. Sein vormaliges Unternehmen TMK baute zum Beispiel Stahlrohre für die russische Gasindustrie. „Zu konkreten Fällen kann ich keine Stellungnahme abgeben“, sagt Gabriel Lansky im Gespräch mit profil.

Zu den EU-Sanktionen an sich hat er allerdings sehr wohl eine Meinung – und reichlich Erfahrung: „Sanktionen sind Atombomben Europäischen Rechtes. Das ist die schärfstmögliche Waffe gegen Einzelpersonen, die ein Rechtssystem haben kann.“

Der Europäische Rat hat im Juni das mittlerweile elfte Sanktionspaket gegen Russland verabschiedet. Lansky ist der Meinung, dass der Rat nicht in allen nun eingebrachten Fällen Recht habe. „Die Europäischen Gerichte müssen dafür sorgen, dass Grundrechte gewahrt werden.“

EU bekam Unrecht

In einem besonders prominenten Fall musste der Rat zuletzt auch erstmals eine herbe Niederlage einstecken. Im März nahm der EuGH Violetta Prigoshina von der EU-Sanktionsliste. Sie ist die Mutter von Jewgeni Prigoshin.

Dem Anführer des Wagner-Söldnertrupps werden in der Ukraine Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Weil der EU-Rat aber kein wirtschaftliches Naheverhältnis zwischen den beiden nachweisen konnte und die reine Verwandtschaft Sanktionen nicht rechtfertige, wurde Prigoshina von der Sanktionsliste gestrichen. In Brüssel fürchtet man jetzt, dass der EuGH damit einen Präzedenzfall geschaffen hat und andere prominente Verwandte nachziehen werden.

Zurück zu Gabriel Lansky. Der schillernde Wiener Anwalt taucht oft dort auf, wo es besonders brenzlig, besonders prominent oder einfach besonders teuer und international zugeht. Seine Kanzlei operiert weltweit und hat neben Wien auch Büros in Bratislava, Astana, Skopije, Prag, Istanbul,  Ras Al Khamah und Dubai, wo Lansky erst vor Monaten ein schickes und oppulentes Büro eröffnet hat.

Die Emirate und vor allem Dubai gelten seit geraumer Zeit als beliebter Umschlagplatz für Finanzvermögen und Milliardäre aus der ganzen Welt – Sanktionen hin oder her. Auf der Homepage von „Lansky, Ganzger, Goeth + partner“ steht zur Region: „Aufgrund der Rahmenbedingungen in den VAE, insbesondere des hohen Maßes an Sicherheit und Neutralität, haben diese als internationale Drehscheibe für Unternehmer aus aller Welt weiter an Bedeutung gewonnen.“

Lanskys Name taucht in etlichen prominenten Fällen auf, darunter Natascha Kampusch, Alijew und zuletzt auch beim ehemaligen ukrainischen Premierminister Mykola Azarov. Gegen ihn und 17 Mitglieder der damaligen ukrainischen Regierung unter Präsident Viktor Janukowitsch wurden 2014 Sanktionen verhängt, die jedes Jahr verlängert wurden.

2018 urteilte der EuGH, dass sich der Rat nicht ohne weitere Prüfung auf Beschlüsse und Unterlagen dem Drittstaat Ukraine verlassen darf. Die gegen Azarov verhängten Sanktionen wurden von den Unionsgerichten aufgehoben und 2020 entschied auch der Rat gegen Azarov keine weiteren Sanktionen mehr zu verhängen. „In den Grundsatzurteilen Azarov wurde deutlich, dass die EU auch in diesem Bereich an alle ihre Grundrechte und Grundsätze, vor allem an die Rule of Law gebunden ist. Es gibt keinen rechtsfreien Raum’’, sagt Lansky.

Visaanträge gestiegen

Zurück nach Österreich: Nicht nur die russischen Direktinvestitionen, sondern auch die Visa-Anträge aus Russland sind im Vorjahr gestiegen. Auf profil-Nachfrage haben laut Außenministerium 2022 etwas mehr als 12.000 russische Staatsbürger Visaanträge gestellt, etwas mehr als 9.000 wurden genehmigt. Das sind rund 2.000 Anträge mehr als noch im Jahr davor. Heuer seien es mit Stand 24. Juli fast 7.000 genehmigte Anträge. Und auch bei der Rot-Weiß-Rot-Karte, dem österreichischen Arbeitsvisum, sind Russinnen und Russen die drittgrößte Gruppe.

Der Anstieg ist nicht besonders verwunderlich. Der Krieg gegen die Ukraine, die politische und wirtschaftliche Isolation Russlands und die spürbare Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage haben auch viele Russinnen und Russen aus dem Land vertrieben.

Wie viele seit Kriegsbeginn tatsächlich das Land verlassen haben, kommuniziert der Kreml aus Propagandagründen nicht. Es soll niemand auf die Idee kommen, es ihnen gleich zu tun.

Eine Annäherung über Grenzstatistiken aus den Nachbarländern und der EU-Grenzagentur Frontex legen aber nahe, dass gut eine Million Menschen Russland bereits dauerhaft verlassen haben. 

Trotz der umfangreichen Sanktionen gegen Russland gilt für russische Staatsbürger kein Einreise- oder Visaverbot in der EU. Sie können also nach wie vor nach Österreich einreisen. Zumindest über Umwege, denn alle Direktflüge von Wien nach Moskau sind derzeit eingestellt.

„Früher haben die Wiener Anwälte Immobilien- oder Firmenverträge für reiche Russen organisiert“, sagt ein Wiener Anwalt, der nicht namentlich genannt werden will. „Jetzt sind wir mit Visaanträgen für russische Staatsbürger beschäftigt. Wer es sich noch leisten kann, will weg und sein Vermögen oder seine Firma in Sicherheit bringen.“ Was mittlerweile übrigens gar nicht mehr so einfach ist. Auch Russland hat seit Kriegsbeginn mit einer Reihe von gesetzlichen Verschärfungen dafür gesorgt, dass das Geld im Land bleibt und die Landeswährung Rubel nicht abstürzt.

Jetzt sind wir mit Visaanträgen für russische Staatsbürger beschäftigt. Wer es sich noch leisten kann, will weg und sein Vermögen oder seine Firma in Sicherheit bringen.

ein Wiener Anwalt

über vermehrt russische Kunden

Should I stay or should I go?

Das Geld fließt aber auch nach wie vor in auch Richtung Moskau. Laut OeNB sind nämlich die Direktinvestitionen österreichischer Firmen in Russland im ersten Kriegsjahr mit etwas mehr als 5,9 Milliarden Euro annähernd gleichgeblieben. Das zeigt, dass zahlreiche heimische Unternehmen noch immer gute Geschäfte in Russland machen. Vor Kriegsbeginn hatten rund 650 österreichische Firmen eine Niederlassung, Tochtergesellschaft oder ein Büro in der Russischen Föderation. „Aktuelle Zahlen über Niederlassungen österreichischer Firmen in Russland kennt die Wirtschaftskammer nicht, da Firmen sich nicht ab- oder anmelden“, sagt Nuri Feichtinger vom Moskau-Büro der Wirtschaftskammer auf Nachfrage.

Die „Kiyv School of Economics“ listet auf der Homepage „leave-russia.org“ derzeit 44 heimische Firmen, die noch in Russland aktiv sein sollen (siehe folgenden Artikel).

Gleich an erster Stelle scheint die Raiffeisenbank International (RBI) auf, in guter Gesellschaft einiger Industrieriesen: Da wären etwa der Gewürzhersteller Kotany, Wolford oder Schoeller Bleckmann, um nur einige wenige zu nennen.

Die RBI siedelte sich vor 30 Jahren als erste westliche Bank nach dem Fall des Eisernen Vorhangs dort an. Seitdem gilt Russland als Cash-Cow der Gruppe. Rund die Hälfte des Konzerngewinns von 3,9 Milliarden erwirtschaftete die RBI vergangenes Geschäftsjahr in Russland.

Das ist allerdings mehr fiktives als reales Geld: Die Gewinne können wegen der Sanktionen kaum entnommen werden. Der internationale Druck ist jedenfalls groß und einigen Aktionären und den US-Sanktionsbehörden ist die Russland-Präsenz ein Dorn im Auge.

profil berichtete ausführlich. In der RBI wird auf Hochdruck nach einer Lösung gesucht und es werden derzeit viele Szenarien durchgewälzt – von Abspaltung bis Verkauf. Wie profil erfuhr, soll im Herbst das finale Ausstiegsszenario vorgestellt werden.

Bleiben, oder gehen? Mit fortschreitender Kriegsdauer wird ein Abzug aber auch tatsächlich immer schwieriger. Denn der Kreml versucht mit allen Mitteln, das Abwandern von wertvollem Kapital und Firmenassets zu verhindern.

„Jetzt sind wir mit Visaanträgen für russische Staatsbürger beschäftigt. Wer es sich noch leisten kann, will weg und sein Vermögen oder seine Firma in Sicherheit bringen.“. Wie das in der Praxis ausgehen kann, haben vergangene Woche der dänische Bierbrauer Carlsberg und der französische Lebensmittelkonzern Danone zu spüren bekommen.

Der russische Staat hat die Kontrolle über die Fabriken der Konzerne übernommen. Sie sollen der „Financial Times“ zufolge jetzt an zwei Kreml-nahe Oligarchen gehen. Einer von ihnen ist Jakub Sakrijew, der Neffe von Tschetschenenführer Ramsan Kadyrov. Er wird Generaldirektor von Danone-Russland.

„Aussteigen ist aber auch sehr schwer. Alle ausländischen Firmen brauchen eine Genehmigung der Sonderkommission im russischen Finanzministerium“, erklärt Astrov. Bei Banken und Energiefirmen muss Präsident Wladimir Putin sogar höchst persönlich mit seiner Unterschrift einem Verkauf zustimmen.

Aussteigen ist aber auch sehr schwer. Alle ausländischen Firmen brauchen eine Genehmigung der Sonderkommission im russischen Finanzministerium.

Vasily Astrov

Ökonom

Und die Verkaufsbedingungen sind wenig verlockend. Zwischen fünf und zehn Prozent der Verkaufserlöse wandern in Form der sogenannten Windfall-Profit-Tax direkt ins Staatsbudget. Außerdem darf der Verkaufspreis höchsten 50 Prozent des Marktwerts der Firma betragen.

Übersetzt: Wer sich jetzt Hals über Kopf verabschieden möchte, überlasst Putin unter Umständen viel Vermögen, dass dieser wiederum für seinen Angriffskrieg verwenden kann. Deshalb spielen jetzt wohl viele Manager auf Zeit und versuchen, das Russland-Dilemma auszusitzen. „Was man aus Russland so hört, sind österreichische Firmen ohnehin nicht so sehr im Visier der Behörden. Wohl auch, weil andere Staaten und Politiker deutlich schärfere und härtere Töne gegen Russland anschlagen“, meint Astrov. Stille Diplomatie als Investitionsschutz quasi.

Im Visier der Ukraine

Aber nicht nur in Russland achtet man penibel auf die Geschäftstätigkeiten der dort ansässigen, ausländischer Unternehmen. Das ukrainische Büro für wirtschaftliche Sicherheit hat vor einem Jahr zahlreiche Firmen ins Visier genommen und in vielen Fällen Vermögen beschlagnahmt oder eingefroren.

Fast allen werden Verbindungen zu Russland und damit Finanzierung der Russischen Föderation unterstellt. Das trifft jetzt auch zwei österreichische Firmen, die in der Ukraine eine Niederlassung haben.

Im August des Vorjahres hat das Büro für wirtschaftliche Sicherheit 308 Tankstellen, Lager und andere Liegenschaften der „AMIC Ukraine“, einer Tochtergesellschaft der österreichischen AMIC energy GmbH, beschlagnahmt.

Der Vorwurf: Steuerungereimtheiten und Verbindungen zur Russischen Föderation. Hintergrund ist, dass AMIC 2015 eine Reihe von Tankstellen in Polen, Litauen und eben in der Ukraine von der russischen Lukoil erworben hat.

„Die Vorwürfe, die die Ukraine gegen AMIC vorbringt, sind unbegründet, unprofessionell und haltlos“, heißt es auf Anfrage von der Pressestelle des Unternehmens. Es gebe keinerlei geschäftliche Verbindungen nach Russland. Die Beschlagnahmung sei nicht gerechtfertigt, man habe den Behörden auch zahlreiche Dokumente vorgelegt, die die unterstellten Verbindungen und Anschuldigen widerlegen sollen.

Die Vorwürfe, die die Ukraine gegen AMIC vorbringt, sind unbegründet, unprofessionell und haltlos.

AMIC

zu den Sanktionen seitens der Ukraine

Ebenfalls unter Druck ist die Ukraine-Tochter der heimischen Zellstoff- und Papierfirma Pulp Mill Holding GmbH (PMH), die „Kyiv Cardboard and Paper Mill“ (KCPM).

Auch hier wurde das gesamte Eigentum einschließlich der Aktien, die Paper Mill Holding hält, eingefroren. 20 Jahre lang betrieb die österreichische Firma Niederlassungen in der Ukraine und in Russland.

2022 habe man sich kriegsbedingt von der Russland-Tochter getrennt und betreibe dort keinerlei Geschäfte mehr. „Leider wollen die ukrainischen Behörden und Strafverfolgungsbehörden die Tatsache der PMH-Umstrukturierung, der Beendigung des Vermögensbesitzes in Russland und des Wechsels des Unternehmensbegünstigten nicht akzeptieren“, sagt ein Unternehmenssprecher auf Nachfrage.

Ukrainischen Medienberichten zufolge sehen die Behörden den russisch-stämmigen zypriotischen Staatsbürger, Wladimir Krupchak als wirtschaftlichen begünstigten. Dieser zog sich im Oktober 2022 aus der Mutter Pulp Mill Holding GmbH zurück.

Leider wollen die ukrainischen Behörden und Strafverfolgungsbehörden die Tatsache der PMH-Umstrukturierung, der Beendigung des Vermögensbesitzes in Russland und des Wechsels des Unternehmensbegünstigten nicht akzeptieren

Pulp Mill

findet die Sanktionen der Ukraine ungerechtfertigt

„Letztbegünstigter der Pulp Mill Holding GmbH ist seit 2022 Dr. Heinz Zinner, ehemaliger Vorstand der Wilfried Heinzel AG und Präsident des Kreditschutzverbandes 1870. Pulp Mill Holding betreibt keinerlei Geschäfte mehr in der Russischen Föderation und hat auch nicht vor, die Geschäftstätigkeit wieder aufzunehmen“, schreibt ein Unternehmenssprecher auf Nachfrage.

Der Hintergrund all dieser Zugriffe ist: Die Ukraine möchte den Wiederaufbau in Folge der massiven Zerstörung  mit russischem Vermögen finanzieren. Denn die oberste Prämisse der geschundenen Ukraine ist „Make Russia pay.“ Um jeden Preis.

Marina Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.