Oleg Deripaska oder: Wenn reiche Russen Kunst kaufen
Oligarch Deripaska, Putin-naher Geschäftsmann und Milliardär, hat ziemlichen Ärger mit der US-Justiz. Wie ausführlich berichtet, wurde er in New York zusammen mit seiner Freundin und zwei langjährigen Mitarbeiterinnen angeklagt: in Zusammenhang mit der Umgehung der 2018 gegen ihn verhängten US-Sanktionen.
Dass es den Amerikanern mit der Verfolgung von Putins Umfeld ernst ist, zeigt eine weitere Wendung in diesem Fall: Vergangene Woche wurde der britische Geschäftsmann Graham Bonham-Carter auf US-Wunsch in seiner Heimat verhaftet, die USA betreiben seine Auslieferung.
Bonham-Carter, ein Großcousin der Schauspielerin Helena Bonham-Carter, soll seit Jahren als Deripaskas Bevollmächtigter in den USA Geschäfte für diesen abgewickelt haben. Und das noch zu einer Zeit, als der Oligarch bereits unter Sanktionen stand, also niemand in den USA mit ihm oder für ihn Geschäfte machen durfte. Deshalb steht auch Bonham-Carter unter Anklage, auch in seinem Fall geht es um die "Verschwörung" zur Umgehung von US-Sanktionen, worauf bis zu 20 Jahre Haft stehen.
Vergangene Woche zitierten wir aus der gegen Oleg Deripaska gerichteten US-Anklage. Diese zeigt unter anderem auf, wie der Russe über Umwege ein Penthouse in Beverly Hills anmieten ließ, damit seine Freundin in den USA ein gemeinsames Kind entbinden konnte (es kam 2020 als US-Bürger unter anderem Namen zur Welt).Das nun gegen Bonham-Carter gerichtete "Indictment" gewährt abermals wertvolle Einblicke in die Welt der russischen Elite. Wieder spielen Offshore-Firmen eine zentrale Rolle. Dieses Mal steht aber bildende Kunst im Zentrum des Geschehens.
Laut der zweiten US-Anklage hatte Deripaska im April 2008 insgesamt 18 nicht näher bezeichnete Kunstwerke ("Artwork") bei einem New Yorker Auktionshaus erstanden. Als Käufer war er allerdings nicht selbst in Erscheinung getreten, vielmehr eine Briefkastenfirma namens "Turcos Limited",die über einen Treuhänder mitgesteigert hatte. Um wie viel Geld es da ging, geht aus dem öffentlich zugänglichen Material des US-Justizministeriums nicht hervor. "A large purchase of artwork", heißt es dazu in einem auszugsweise veröffentlichten E-Mail Bonham-Carters.
Die ersteigerte Ware blieb jahrelang unbewegt in New York liegen, versperrt in einem Speicher. Erst 13 Jahre später, im März 2021, Deripaska stand längst unter US-Sanktionen, soll sein Handlanger Bonham-Carter versucht haben, die 18 Kunstwerke nach London zu verbringen, wofür er dem Auktionshaus vorab rund 12.000 US-Dollar für die Frachtkosten überwies. Doch das Auktionshaus war misstrauisch geworden. Man hegte dort offenbar bereits den Verdacht, dass die seit 13 Jahren in New York eingelagerten Gegenstände dem nunmehr unter US-Sanktionen stehenden Oligarchen Deripaska gehörten.
Das Auktionshaus schickte die Kunstwerke nicht nur nicht nach London. Bonham-Carter bekam 30 Tage Zeit, um den Nachweis zu erbringen, dass Deripaska nicht der wirtschaftliche Eigentümer der Objekte sei-und der Brite auch im Namen der einstigen Käuferin, der Briefkastenfirma Turcos Limited, handeln dürfe. Andernfalls würde das Auktionshaus die Assets einfrieren.
Ab da dürfte es für Bonham-Carter etwas kompliziert geworden sein, er ersuchte um zwei Fristerstreckungen, um die eingeforderten Unterlagen zu liefern-was nicht gelang. Im August 2021 informierte das Auktionshaus schließlich die Kontrollbehörde des US-Finanzministeriums OFAC, dass man wohl Besitz eines sanktionierten Oligarchen eingelagert habe.
Der Brite war allem Anschein nach ein engagierter Mitarbeiter. Er soll darüber hinaus im Jahresverlauf 2021 mehr als eine Million US-Dollar von einem ihm zugerechneten russischen Bankkonto auf mehrere US-Bankkonten verteilt haben, um so die laufenden Kosten für den Erhalt von Deripaskas US-Immobilien in New York und Washington D.C. zu bestreiten.
Geführt werden die US-Ermittlungen übrigens von einer behördenübergreifenden Taskforce namens "Kleptocapture".